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Warum sich Kopfgelder für die Bürgermeister lohnen

VON MICHAEL SAMEC

Zähltag ist Zahltag: Kurz vor der Volkszählung buhlen die Gemeinden mit üppigen Geschenken um Einwohner. Immerhin bringt jeder Bürger seiner Gemeinde und dem Bürgermeister tausende Schilling ein.

 

Gleich 5000 Schilling in Gutscheinen für öffentliche Verkehrsmittel, Strom und Freizeitbeschäftigungen verschenkt Graz an neu Zugezogene. Im weststeirischen Köflach wird unter den Einwohnern sogar ein Baugrund im Wert von 500.000 Schilling verlost. Klagenfurt geht‘s von der anderen Seite an: Die Stadtväter wollen kurzerhand mehrere Ortschaften am Wörthersee eingemeinden. In St. Pölten wartet gar ein Auto auf seinen Gewinner.

Viele Gemeinden Österreichs haben derzeit trotz Sparkurses also die Spendierhosen an. Und das hat natürlich einen kühl kalkulierten Grund: Die Gemeinden buhlen so knapp vor der Volkszählung am 15. Mai um jeden einzelnen Einwohner, denn der ist tausende Schilling wert. Im österreichweiten Schnitt rund 10.000 Schilling pro Jahr, in Wien sogar 25.000. Da rentieren sich 5000 Schilling "Kopfgeld" locker.

Nicht minder wichtig sind für die Gemeindechefs wohl ihre eigenen Bezüge, die ebenfalls von der Zahl der Einwohner abhängen. Außerdem wirkt sich das Ergebnis der Volkszählung noch auf die Größe des Gemeinderates sowie die Mandatsverteilung im Landtag, National- und Bundesrat aus.

Jäger. Und so versuchen die Bürgermeister und ihre Gemeinderäte auf verschiedene, mehr oder weniger kreative Weise, zu zusätzlichen Einwohnern zu kommen. Graz bezahlt sogar regelrechte Kopfgeldjäger: 300 Schilling ist jeder akquirierte Hauptwohnsitz wert. Im osttirolerischen Nußdorf-Debant ist es wieder umgekehrt: Auswärts wohnende Studenten, die ihren Hauptwohnsitz nicht abmelden, erhalten 3000 Schilling.

Im Visier haben die Gemeinden neben den Studenten etwa 15 Prozent der Österreicher, also etwa 1,2 Millionen Menschen. So viele haben nicht nur einen Haupt-, sondern auch einen Nebenwohnsitz auf dem Meldezettel vermerkt. Gezählt werden die Einwohner nächsten Monat jedoch nur am Hauptwohnsitz und je mehr Bewohner eine Gemeinde hat, desto mehr Mittel bekommt sie vom Bund überwiesen. 85 Milliarden Schilling groß ist der Kuchen, der den 2350 Gemeinden Österreichs zusteht. Und die 543 steirischen und 132 Kärntner Kommunen wollen davon natürlich ein möglichst großes Stück abbekommen.

 

Die Einwohnerzahl spielt dabei mehrfach eine Rolle. Die Milliarden kommen aus den einzelnen Steuertöpfen, von denen unterschiedlich hohe Anteile den Gemeinden überlassen werden. Verteilt wird dieses Geld jedoch über den Finanzausgleich auf Grund des so genannten Abgestuften Bevölkerungsschlüssels. Die Bevölkerungszahl einer Gemeinde wird mit einem Faktor multipliziert, der mit zunehmender Einwohnerzahl wächst (siehe Kasten rechts). Damit erhält man eine der bedeutendsten Grundlagen für die Berechnung der Höhe der ausbezahlten Anteile am Steuereinkommen (Ertragsanteile).

Rutscht eine Gemeinde nun knapp unter eine dieser Schwellen, gibt es noch eine Einschleifregelung, damit die plötzlichen Verluste nicht ganz so gewaltig sind. Und auch hier gilt: Jeder zusätzliche Bürger bringt einige tausend Schilling.

Die Staffelung - 1946 eingeführt und seither so gut wie gar nicht verändert - wurde mit dem Argument eingerichtet, dass größere Gemeinden ungleich höhere Ausgaben für Infrastrukturmaßnahmen haben als kleinere.

Unabhängig vom Abgestuften Bevölkerungsschlüssel gibt es einen Sockelbetrag für jede Gemeinde, der derzeit 603 Schilling je Einwohner, im Jahr 2004 etwa 1000 Schilling ausmachen wird. Auch hier zählt also jede Nase.

 

Abgestufter Bevölkerungsschlüssel:

Die Zahl der Einwohner wird je nach Größe der Gemeinde mit unterschiedlichen Faktoren multipliziert, über die dann die Ertragsanteile errechnet werden. In Gemeinden

  • bis 10.000 Einwohner beträgt der Faktor 1 1/3,
  • bis 20.000 Bewohner 2 1/3,
  • bis 50.000 Einwohner 2,
  • darüber und für Städte mit eigenem Statut (z. B. Graz und Villach) 2 1/3.

Pro Jahr fließen über den Finanzausgleich und diesen Bevölkerungsschlüssel rund 85 Milliarden Schilling an die österreichischen Gemeinden. Je Bürger erhalten die Gemeinden zwischen 6.900 und 11.900 Schilling, in der Großstadt Wien sogar rund 25.000 Schilling.

Wirksam werden die nach der Volkszählung neu errechneten Ertragsanteile ab 1. Jänner 2002. Bisher galten sie zehn Jahre. Weil mit dieser Volkszählung ein Zentrales Melderegister angelegt werden soll, mit dem zumindest theoretisch täglich der Bevölkerungsstand abgefragt werden kann, dürften sich diese Zeitspannen künftig verkürzen. Um wie viel, steht noch nicht fest.

Kuchen. Zusätzlich verschärft wird der Kampf um die Millionen dadurch, dass der Kuchen sowohl für die Steiermark als auch für Kärnten deutlich kleiner werden dürfte. Der Gemeindebund hat schon jetzt errechnet, dass der Bevölkerungszuwachs in beiden Bundesländern mit 1,6 Prozent (Steiermark) und drei Prozent (Kärnten) unter dem österreichischen Durchschnitt von 3,8 Prozent liegen wird. Die Steiermark ist damit bundesweit überhaupt Schlusslicht und Kärnten auch nur Vorletzter. Die Gemeinden in der grünen Mark werden pro Jahr um rund 470 Millionen Schilling weniger bekommen als bisher. In Kärnten wird der finanzielle Verlust mit 75,5 Millionen Schilling beziffert.

Motive für die Bürgermeister, sich ins Zeug zu legen, sind wie gesagt mitunter auch persönliche. Schließlich hängt auch ihre Gage davon ab, wie viele Schäfchen sie betreuen. Gerade in diesem Punkt könnte es in einigen Gemeinden zum Teil empfindliche Veränderungen geben. Im Gegensatz zum Finanzausgleich ist dieser Raster ziemlich eng. Der Bürgermeister einer Gemeinde mit bis zu 500 Einwohnern bekommt etwa 18.000 Schilling. Über sieben Zwischenstufen wächst der Bezug auf rund 85.000 Schilling bei Gemeinden über 20.000 Einwohner. Fällt eine Gemeinde am 15. Mai beispielsweise unter die 10.000-Einwohner-Grenze, bedeutet das nicht nur für das Budget empfindliche Verluste, sondern auch für den Bürgermeister selbst, der dann statt 65.000 nur noch 52.000 Schilling verdient. Einschleifregelung gibt es keine.

Mandate. Einfluss hat die Volkszählung auch auf die demokratische Vertretung des Volkes. Zum einen entscheidet sie über die Zahl der Mitglieder der Gemeinderäte, zum anderen über die zu vergebenden Mandate innerhalb der vier Wahlkreise bei Landtags- und der acht bei den Nationalratswahlen. Und auch darüber, welches Land wie viele Vertreter in den Bundesrat schicken kann.

 

 

Quelle: http://druck.kleinezeitung.at/steiermark/ARTIKEL?whichone=1041158; Stand 20.4.2001; Print: Kleine Zeitung, 20.4.2001, S 4f

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