StGN 8/9/2008, S 26 - 28
Novellierung der Steiermärkischen Landesabgabenordnung per 22. 7. 2008
Von Robert Koch
Grundinformation zur Novellierung
In den Steirischen Gemeindenachrichten 6/2008 haben wir u. a. über den damaligen Diskussionsstand der geplanten „kleinen“ LAO-Novellierung zum Thema der elektronischen Anbringen und des Säumniszuschlages berichtet. Schließlich haben wir unsere Mitgliedsgemeinden sofort am Tag der Kundmachung der Novelle – das war 21. 7. 2008 – per Rundmail über die endgültige Neufassung einiger am 22. 7. 2008 in Kraft getretener Bestimmungen durch Übermittlung des Novellierungstextes (LGBl. Nr. 68/2008) informiert. Nachdem – wie ebenfalls an oben angeführter Stelle in den Steirischen Gemeindenachrichten erwähnt – per 1. 1. 2010 eine umfassende Neuordnung des gesamten Verfahrensrechtes für die Landes- und Gemeindeabgaben durch „Übernahme“ der anzupassenden Bundesabgabenordnung (BAO) bevor steht, ist die LAO nur mehr schwach eineinhalb Jahre in dieser Fassung zu vollziehen.
Seit 22. 7. 2008 sind schriftliche Anbringen auch in elektronischer Form zulässig
Während der VwGH zu den Formerfordernissen der bisherigen Fassung des § 62 Abs. 1 LAO im Hinblick auf die erforderliche „Schriftlichkeit“ einen sehr strengen Maßstab angelegt und dabei z. B. Telefaxeingaben als nicht einmal verbesserungsfähig und als vollkommen unbeachtlich beurteilt hat, bewirkt die nachstehend zitierte Neufassung des § 62 Abs. 1 LAO eine völlige Neuorientierung:
„(1) Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) sind vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs. 3 schriftlich einzureichen (Eingaben). Schriftliche Anbringen können in jeder technisch möglichen Form eingebracht werden. Mit E-Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind. Etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs zwischen der Behörde und den Beteiligten sind im Internet bekannt zu machen. Die für schriftliche Anbringen geltenden Bestimmungen sind auch in diesen Fällen mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Fehlen einer Unterschrift keinen Mangel darstellt. Die Abgabenbehörde kann jedoch, wenn es die Wichtigkeit des Anbringens zweckmäßig erscheinen lässt, dem Einschreiter die unterschriebene Bestätigung des Anbringens mit dem Hinweis auftragen, dass dieses nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt.“
Nachdem § 62 Abs. 1 LAO am 22. 7. 2008 ohne Übergangsbestimmungen in Kraft getreten ist und die Gesetzesbestimmung nicht die Anerkennung bestimmter vorliegender Anbringen, sondern deren zulässige bzw. vorgeschriebene Einbringungsform regelt, ist die Neufassung erst auf jene Anbringen anwendbar, die ab 22. 7. 2008 eingebracht werden. Die Beurteilung der zu diesem Zeitpunkt z. B. bereits vorliegenden E-Mail- oder Telefaxeingaben hat daher nach der „alten“ Rechtslage zu erfolgen (siehe auch Steirische Gemeindenachrichten 3/2008, 4).
Zulässige Einbringungsformen sind sehr weit gefasst – aber teilweise einschränkbar
Somit dürfen sämtliche nicht mündlich entgegen zu nehmende bzw. sämtliche nicht in einem besonderen Verfahren (z. B. über FinanzOnline) einzureichende, aber grundsätzlich alle schriftlich zu formulierenden Anbringen „in jeder technisch möglichen Form“ eingebracht werden. Nach jetzigem Stand der Technik ist dabei vor allem an Telefax- und E-Mail-Sendungen sowie (ISDN-) Datenübertragung und Übermittlung auf Datenträgern bzw. auf transportablen externen Speichermedien (diverse Formate von Diskette, CD, DVD, Band, Speicherkarte usw.) zu denken. Für die Verwaltungsabläufe und die Archivierung birgt dies – je nach den Umständen, Voraussetzungen und je nach technischem, organisatorischem und personellem Umfeld – unter diesen angesprochenen Teilaspekten die Möglichkeit sowohl erheblicher Vor- als auch Nachteile.
Beschreibung (Beschränkung) zulässiger E-Mail-Anbringen
Nachdem Anbringen jedenfalls
erhebliche Rechtsfolgen – meist auch unmittelbare Behördenpflichten
– auslösen, kommt den zulässigen „im Internet“ bekannt
zu gebenden „technischen Voraussetzungen oder organisatorischen Beschränkungen
des elektronischen Verkehrs zwischen der Behörde und den Beteiligten“
große Praxisbedeutung zu. Schließlich müsste man sich als Abgabenbehörde
sorgenvoll Gedanken machen, wenn ein nicht ohne weiteres lesbarer Datenträger
(z. B. in Form einer Scheckkarte mit Datenchip oder in Form eines nicht gebräuchlichen
Datenbandes) und/oder eine Datei unbekannten (mit der im Gemeindeamt vorhandenen
Software nicht lesbaren) Dateiformats oder eines nicht kompatiblen Datenformats
einlangt und dieses aber als ordnungsgemäß und wirksam eingebracht
anzusehen ist.
Es empfiehlt sich daher für Gemeinden, von der Möglichkeit, technische
Voraussetzungen des elektronischen (E Mail-) Verkehrs aufstellen und „im
Internet“ veröffentlichen zu können, jedenfalls wohlüberlegt
Gebrauch zu machen. Dies wird am besten an geeigneter, leicht auffindbarer Stelle
der Homepage der Gemeinde vorzunehmen sein – etwa auf vergleichbarer Linktiefe
eines Impressums (d. h. keinesfalls nur „versteckt“). Inhaltlich
sollte dabei vor allem geregelt sein, welche Dateiformate akzeptiert werden
und allenfalls welche Dateikomprimierungen zulässig wären. Ferner
kann der Hinweis enthalten sein, dass das Übermittlungsrisiko der elektronischen
Einreichung schriftlicher Anbringen ausschließlich beim Absender liegt.
Organisations- und EDV-Sicherheitsfragen bei elektronischen Anbringen außerhalb des E-Mail-Verkehrs
Schriftliche Anbringen
dürfen nicht nur per E-Mail, sondern „in jeder technisch möglichen
Form“ eingebracht werden. Eine Beschreibung oder Beschränkung
der im direkten Parteienverkehr (also z. B. auf Datenträger) zulässig
einzubringenden elektronischen Eingaben hat der Landesgesetzgeber in der LAO
leider nicht vorgesehen. Dennoch sollten auch derartige Informationen über
die technischen Gegebenheiten und Möglichkeiten der Gemeinde – gleichsam
als Serviceleistung für die Parteien im Sinne eines optimierten Verwaltungsablaufes
auch im Parteieninteresse – unter einem bekannt gegeben werden. Inhaltlich
sind dabei vor allem die „zulässigen“ (= lesbaren) Dateiformate
und Datenträger zu definieren.
Mit dieser Möglichkeit, dass behördenfremde Personen ohne Beschränkung
der Datenart oder der Datenstruktur digitale Daten in die Behörden-EDV
„bringen“ können, kommt ein erheblicher und vollkommen neuer
technischer Unsicherheitsfaktor ins österreichische Behördengeschehen!
Sehr wichtig scheint daher auch eine amtsinterne Regelung und Vorkehrung, dass
derart von den Parteien (per E-Mail oder vor allem im direkten Parteienverkehr
auf Datenträger!) einlangende Daten als erstes immer sofort mit verlässlichen
und aktuellen Virenschutz- und Spyware- und ähnlichen Programmen untersucht
werden, um mögliche erhebliche Schäden und Beeinträchtigungen
der EDV der Gemeinde abzuwehren und dass ausführbare Dateien (der Dateinamenserweiterungen
exe, com, bat usw.) keinesfalls geöffnet werden dürfen: Schließlich
kann die gemeindliche EDV-Anlage auch durch andere Programme als Viren (z. B.
durch auf Datenträgern verborgen gespeicherte und selbst startende Programme)
beeinträchtigt, sabotiert oder auch „ausspioniert“ werden.
Die Partei kann daher ohne weiteres darauf hingewiesen werden, dass die Gemeinde
zivilrechtliche Schadersatzansprüche gegen sie geltend machen muss und
wird, wenn die EDV der Gemeinde durch eine von der Partei eingebrachte Datei
(bzw. durch ihren Datenträger) Schaden nehmen oder Dritten Schäden
zufügen sollte. Dies soll die Sorgfalt der Partei „motivieren“,
zumindest aktuelle Virenschutzsoftware usw. zu einzusetzen, bevor die gemeindliche
EDV-Anlage leichtfertig gefährdet wird.
Je nach Restriktion in der Netzwerkverwaltung kann es auch notwendig sein, die
Datenannahme von externen Datenträgern bei bestimmten mit dem Parteienverkehr
befassten Mitarbeitern des Gemeindeamtes (von den EDV-Benutzerrechten her) überhaupt
erst frei zu geben. Dies sollte allerdings angesichts des Vorgesagten immer
nur in Kombination mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen technischer Natur
sowie angemessenen Anweisungen im Zusammenhang mit der Annahme elektronischer
Anbringen durch Mitarbeiter der Gemeinde erfolgen.
Musterregelung für „technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs“
Im Lichte obiger Überlegungen haben wir für Gemeinden eine Musterregelung im Sinne des § 62 Abs. 1 in der Fassung LGBl. Nr. 68/2008 entworfen. Diese finden unsere Mitgliedsgemeinden auf der Homepage des Steiermärkischen Gemeindebundes im „Mitgliederservice“ (als Musterdokument Nr. 163 im Abschnitt „Recht (Muster)“, Teilbereich „LAO – Verfahrensrecht“). Es steht den Gemeinden frei, diesen ersten unverbindlichen Entwurf (beispielsweise mit der jeweiligen internen oder externen EDV-Betreuung) an die jeweiligen technischen Gegebenheiten anzupassen, wobei die gesetzliche Bestimmung des § 62 Abs. 1 LAO als Rechtsgrundlage nicht aus den Augen verloren werden darf. Etwaige wichtige Rückmeldungen im Zusammenhang mit dem erwähnten Regelungsentwurf nehmen wir für dessen „Weiterentwicklung“ jederzeit mit großem Interesse entgegen.
Bestätigung der Echtheit elektronischer Anbringen
Die „in jeder technisch möglichen Form“ einreichbaren nicht schriftlichen Anbringen müssen zu deren Mängelfreiheit keine Unterschrift, somit auch keine elektronische Signatur oder einen anderen Authenzitätsnachweis aufweisen. „Wenn es die Wichtigkeit des Anbringens zweckmäßig erscheinen lässt“, kann die Abgabenbehörde in diesen Fällen (der nicht unterschriebenen Anbringen) dem Einschreiter unter Setzung einer angemessenen Frist auftragen, das Anbringen unterschriftlich zu bestätigen, ansonsten dieses als zurückgenommen gilt. Dieser Vorgang ist aber kein Mängelbehebungsauftrag, da diese technisch übermittelten schriftlichen Anbringen von Vornherein keiner Unterschrift bedürfen!
Behördlicher „Bestätigungsauftrag“
In der Praxis wird daher die Behörde in solchen Fällen selbst einen Ausdruck des elektronisch eingereichten „schriftlichen“ Anbringens herstellen und in weiterer Folge dem Einschreiter (nachweislich!) unter Hinweis auf die Zurücknahmefiktion (bei Nichtbefolgung des Auftrages gilt das Anbringen als zurück genommen) zur Unterschriftleistung zusenden und die Retournierung an die Abgabenbehörde auftragen. Dieser „Bestätigungsauftrag“ ist ebenfalls als verfahrensleitende Verfügung im Sinne des § 190 LAO anzusehen und damit nicht gesondert rechtsmittelfähig. Erfolgt die aufgetragene „Bestätigung“ nicht, ist seitens der Abgabenbehörde erster Instanz in einem rechtsmittelfähigen Bescheid zu verfügen, dass das Anbringen als zurück genommen gilt. Dies gilt in Analogie zum ebenfalls mit einer gleichartigen Zurücknahmefiktion ausgestatteten Mängelbehebungsauftrag für nicht den Formerfordernissen entsprechende Berufungen (§ 205 LAO, § 275 BAO), wo der VwGH von einer eindeutigen Verpflichtung der Behörde ausgeht, bei nicht oder verspätet oder unzureichend erfolgter Mängelbehebung bescheidmäßig feststellen zu müssen, dass die vom Gesetzgeber vermutete Zurücknahme als rechtserhebliche Tatsache festgestellt wird (VwGH 90/14/0225 vom 28. 2. 1995; VwGH 95/13/0233, 0234, 0235 vom 15. 11. 1995).
Sollte sich im Zuge der vorgesehenen Bestätigungseinforderung heraus stellen, dass der vermeintliche Einschreiter in Wahrheit gar nicht Urheber des Anbringens war, entfällt dieser Schritt mangels eines bekannten Bescheidadressaten und bleibt die „Eingabe“ derart dokumentiert weiterhin unbearbeitet – gilt aber nicht als „unerledigt“.
Allgemein gilt weiterhin, dass ein Mängelbehebungsauftrag nicht erlassen werden muss, wenn eine Eingabe von vornherein offenkundig aussichtslos ist (z. B. verspätet oder von einem hiezu nicht hiezu Legitimierten eingebracht wurde; s. a. VwGH 421/78, 422/78 vom 7. 6. 1979 und VwGH 93/12/0095, 0096 vom 27. 6. 1994). Dasselbe wird sinngemäß auch für den neuen „Bestätigungsauftrag“ gelten. Ebenso liegt weiterhin ein Anbringen erst dann vor, wenn die Eingabe tatsächlich bei der Behörde einlangt – die Gefahr des Verlustes der übersandten Eingabe trifft also nach wie vor den Einschreiter (VwGH 2000/16/0645 vom 28. 6. 2001).
Telefonische Anbringen?
Telefonische Anbringen sind zwar gewissermaßen auch unter Zuhilfenahme der Technik zustande gekommene Anbringen, sind aber nicht unter jene vom Gesetzgeber neu umfassten Anbringen zu subsumieren, da sich die Neuregelung der Einbringung „in jeder technisch möglichen Form“ ausdrücklich nur auf „schriftliche Anbringen“ bezieht. Telefonische Anbringen sind auch keine „mündlichen“ Anbringen (VwGH 99/16/0097 vom 1. 9. 1999) und wären auch nur dann zulässig, wenn solche im Gesetz – etwa wie im Steiermärkischen Auskunftspflichtgesetz – ausdrücklich vorgesehen sind. Dessen ungeachtet hat die Abgabenbehörde den Inhalt telefonischer Mitteilungen, welche nach § 66 Abs. 1 LAO ausdrücklich in Aktenvermerken festzuhalten sind, nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 132 Abs. 2 LAO) zu berücksichtigen.
Ergänzende neue Regelungen für den Säumniszuschlag
§ 165 LAO erhielt mit der vorliegenden Novelle neue Abs. 6 und 7 folgenden Inhalts:
„(6) Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen oder nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei den nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.
(7) Im Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld hat auf Antrag des Abgabepflichtigen die Berechnung der Säumniszuschläge unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen.“
Nachdem diese Bestimmungen sinngleich mit jenen der Abs. 7 und 8 der BAO sind, kann bzw. muss die VwGH-Rechtsprechung zur BAO zur Auslegung heran gezogen werden. „Muss“ deswegen, weil die genaue Anwendung der vorliegenden Novellierungsbestimmung getrost als sehr aufwändig zu bezeichnen ist und der Säumniszuschlag einiges an notwendiger unbürokratischer Wirksamkeit – und zwar durch die verlorene, bisher einfache Vollziehbarkeit – einbüßen dürfte.
Neu: Kein Säumniszuschlag „ohne grobes Verschulden“
Insoweit den Abgabepflichtigen an der Säumnis der verspäteten Abgabenentrichtung kein grobes Verschulden trifft, ist – sofern es beantragt wird! – kein Säumniszuschlag festzusetzen bzw. ist dieser insoweit herab zu setzen. Grundsätzlich dürfen Säumniszuschläge in einem ersten Schritt bei Vorliegen der Voraussetzungen weiterhin ohne jegliche Prüfung der Verschuldensfrage festgesetzt werden – und zwar als Abgabe grundsätzlich in Bescheidform (VwGH 749/70 vom 21. 1. 1971). Wird allerdings qualifiziert behauptet und ist in weiterer Folge davon auszugehen, dass im Zusammenhang mit der versäumten Zahlungsfrist tatsächlich kein grobes Verschulden vorliegt, ist der Säumniszuschlag insoweit nicht (mehr) festzusetzen. Hierbei würde es sich um Fälle ohne jegliches Verschulden, um Fälle der leichten Fahrlässigkeit und solche eines minderen Grades des Versehens handeln.
Es ist daher in diesen Fällen anhand der höchstgerichtlichen Rechtsprechung genau zu klären, wann nun lediglich eine leichte Fahrlässigkeit vorliegt (VfGH B 2290/96 und G 176/96 vom 24. 2. 1998; VwGH 95/17/0112 vom 22. 11. 1996 und VwGH 97/09/0134 vom 13. 9. 1999). Grobes Verschulden eines Vertreters bzw. solches der Organe juristischer Personen ist allerdings dem Verschulden des Vertretenen gleichzuhalten (VwGH 99/15/0118 vom 25. 11. 1999; 2000/14/0006, 0007 und 0008 vom 26. 4. 2000 bzw. VwGH 90/15/0134 vom 8. 10. 1990), wobei grobes Verschulden von Arbeitnehmern des Abgabepflichtigen bzw. seines Parteienvertreters oder von Boten nicht schädlich ist, solange der Partei bzw. ihrem Vertreter kein grobes Verschulden – insbesondere kein grobes Auswahl- oder Kontrollverschulden – anzulasten ist. Bei dauernder oder vorübergehender (allerdings qualifizierter) Zahlungsunfähigkeit ist bei der Versäumung von Zahlungsfristen davon auszugehen, dass kein grobes Verschulden vorliegt und festgesetzte Säumniszuschläge daher herab- oder nicht mehr festzusetzen sein werden. Bei Selbstbemessungsabgaben ist in diesem Zusammenhang zudem zu prüfen, ob den Abgabepflichten bzw. seinen Vertreter bei der unrichtigen Selbstbemessung (Berechnung) der Abgabe ein grobes Verschulden anzulasten ist oder nicht, d. h. ob z. B. eine vertretbare Rechtsansicht auf Basis höchstgerichtlicher Rechtsprechung, auf Basis der Rechtsmeinung der Abgabenbehörde oder eines berufsmäßigen Parteienvertreters zugrunde lag.
Nachträgliche Herabsetzung des Säumniszuschlages
Der Säumniszuschlag
ist auf Antrag des Abgabepflichtigen durch nachträgliche Herabsetzung der
Abgabe herab zu setzen, wenn die dem Säumniszuschlag zu Grunde liegende
Abgabenschuld herab gesetzt wird. Dies betrifft die Verfahrenssituationen der
Berufungsvorentscheidung (§ 206 LAO), der Berufungsentscheidung (§
213 Abs. 2), der Abänderung, Berichtigung oder Zurücknahme (§§
216, 216a und 217 LAO), der neuen Sachbescheide nach Wiederaufnahme des Verfahrens
(§ 224 ff LAO), nach Aufhebung (§ 220 LAO) oder nach Wiedereinsetzung
(§ 229 LAO) sowie der nachträglich geringeren Inanspruchnahme eines
Haftungspflichtigen über einen angepassten oder aufgehobenen Haftungsbescheid.
Wenn derartige auf den Säumniszuschlag bezogene Herabsetzungsanträge
außerhalb eines Rechtsmittels oder nach Ablauf einer Rechtsmittelfrist
gestellt werden, werden derartige Anträge dennoch inhaltlich zu erledigen
sein, da ihre verfahrensrechtliche Einordnung eine Besonderheit darstellt, sich
wohl nicht auf eine rechtskräftig gewordene Säumniszuschlag-Festsetzung
berufen darf und sich verfahrensrechtlich – zumindest sinngemäß
– am ehesten an § 218 Abs. 1 LAO orientieren könnte; ein derartiges
Anbringen wird aber jedenfalls zumindest innerhalb der (unterbrechbaren!) Bemessungsverjährungsfrist
des § 156 LAO beachtlich sein.
Die Befassung mit dem neuen LAO-Thema der nachträglichen Herabsetzung oder Nichtfestsetzung von Säumniszuschlägen mag zwar von Aufwand und Ergebnis her unerfreulich scheinen, ist aber wenigstens auf Fälle entsprechender Anträge durch die Partei eingeschränkt und repräsentiert darüber hinaus bereits jetzt jene Rechtslage, welche ab 1. 1. 2010 durch „Übernahme“ der BAO ohnehin österreichweit für alle Landes- und Gemeindeabgaben gelten wird (siehe Steirische Gemeindenachrichten 6/2008, 5, Abschnitt „Große LAO-Novellierung per 1. 1. 2010“).
Fälle ohne nachträgliche Herabsetzung des Säumniszuschlages
Erfolgt im Nachhinein eine Löschung durch Abschreibung (§ 182 LAO) oder eine Nachsicht durch Abschreibung (§ 183 LAO), ist der Säumniszuschlag bei diesen lediglich in die Einhebung eingreifenden Maßnahmen nicht herab zu setzen, da keine Herabsetzung der Abgabe, sondern nur eine eingeschränkte Einhebung der unverändert festgesetzten Abgabe vorliegt.
Robert Koch, 29.7.2008