LAO: Bescheide nie an eine „Firma“ adressieren!
(2. Teil)

Von Robert Koch

 

Im zweiten Teil dieser Abhandlung werden Judikate (aus dem Zeitraum 1991 bis 1993) zum Thema vorgestellt und besprochen.

 

VwGH 91/16/0014 vom 24.5.1991 - Bescheid an die „Firma MN Offene Handelsgesellschaft z.H. Herrn MN“ (wobei die OHG schon gelöscht war)

Zum AVG (mit Hinweisen auf BAO- und LAO-Judikatur): Erledigungen werden dadurch wirksam, daß sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Da der Bescheid eine der Rechtskraft fähige, förmliche, hoheitliche Willensäußerung einer Behörde für den Einzelfall darstellt, hat er im Spruch die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht. Diese Bezeichnung hat bei der Bekanntgabe von Bescheiden, die schriftlich zu erteilen sind, grundsätzlich in der Weise zu geschehen, daß der Name der Person, an die sich der Bescheid richtet, im Bescheid angegeben wird. Denn in der bestehenden Rechtsordnung ist es der Name, durch den eine Person von den anderen unterschieden wird.

Die Firma eines Kaufmannes ist der Name, unter dem er im Handel seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt (§ 17 Abs 1 HGB). Ein Name kann keine Rechte und keine Pflichten haben. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ua in seinem Erkenntnis 997/73, 998/73 vom 11.9.1974 dargetan hat, kommt einer Firma, dh dem Namen, unter dem ein Kaufmann seine Geschäfte betreibt und mit der er fertigt (§ 17 HGB), Rechtspersönlichkeit nicht zu. Die Firma ist kein selbständiges Rechtssubjekt, sondern nur Kennzeichen des Unternehmens, dessen Rechtsträger der Kaufmann als physische Person ist (vgl VwGH 90/16/0015 vom 20.6.1990).

Im Beschwerdefall wurde der am 25.5.1990 zugestellte erstinstanzliche Feststellungsbescheid an die „Firma MN Offene Handelsgesellschaft z.H. Herrn MN“ gerichtet. Die als Adressat bezeichnete prot. Firma MN OHG war, wie aus der bei den Akten des Verwaltungsverfahrens erliegenden Stellungnahme des Handelsgerichtes Wien vom 9.8.1990 entnommen werden kann, seit dem Ausscheiden der Gesellschafterin CN im November 1979 keine Offene Handelsgesellschaft mehr. Ihr Alleininhaber war MN, gegenüber dem als physische Person der Konkurs eröffnet und das Konkursverfahren abgeführt worden war.

Es kann daher rechtens nicht gesagt werden, ein Feststellungsbescheid sei deshalb nicht rechtswirksam bekanntgegeben worden, weil dieser im Anschriftenfeld noch eine im Zeitpunkt seines Erlassens bereits gelöschte Gesellschaftsfirma nennt, sofern - wie im Beschwerdefall - aus seinem Gesamtinhalt erkennbar ist, für welche Person die relevanten Feststellungen getroffen werden. Dieser Feststellungsbescheid ist nicht, wie die belangte Behörde meint, gegen eine nicht mehr existierende Personengesellschaft gerichtet, sondern gegen die - auch - im Anschriftenfeld genannte physische Person MN.

Da dieser erstinstanzliche Bescheid unstreitig auch den Beschwerdeführer, an den er seinem Inhalt nach gerichtet war, zugegangen ist, war dieser einerseits zur Einbringung einer Berufung befugt und anderseits die belangte Behörde verpflichtet, in die sachliche Prüfung seines Berufungsvorbringens einzugehen. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß das Unterbleiben einer meritorischen Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers durch das
Gesetz nicht gedeckt ist.

 

VwGH 89/17/0067, 89/17/0068 vom 30.7.1992 - Bescheide an das „Hotel X RS & Co“ und an das „Hotel X RS & Co. B“ sind als an die im Firmenbuch eingetragene Firma der „Hotel X B RS & Co.“ in der Rechtsform einer KG und nicht als an die physische Person, Herrn KS gerichtet, zu betrachten

Abgabenbescheide erster Instanz ergingen an das „Hotel X RS & Co“ und an das „Hotel X RS & Co. B“. Die dagegen erhobene Berufungen tragen den Briefkopf „HOTEL X B. BES. KS“ und sind mit „Hotel X B“ sowie einer unleserlichen Unterschrift gezeichnet. Die Berufungsentscheidungen ergingen an „Herrn KS, Hotel X, B,“ wobei auch die Zustellverfügungen dieser Bescheide lautete: „Ergeht an: Herrn KS, Hotel X, B ...“. Der VfGH hat jedoch die Behandlung der Beschwerde gegen die Berufungsentscheidungen abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Zu HRA nn (G) des Landes- als Handelsgerichtes Salzburg ist die Firma der „Hotel X B RS & Co.“ im Firmenbuch eingetragen. Laut Eintragung vom 7.3.1980 handelt es sich um eine Kommanditgesellschaft, wobei der Beschwerdeführer KS Komplementär, der bisherige persönlich haftende Gesellschafter RS Kommanditist ist. Für den VwGH besteht kein Zweifel darüber, daß Bescheidadressat die zu HRA nn (G) des Firmenbuches des Landes- als Handelsgerichtes Salzburg registrierte Kommanditgesellschaft war, die angefochtenen Bescheide zweiter Instanz hingegen von einer „Berufung des Herrn KS“ als physische Person sprechen, sodaß der Bescheidadressat gegenüber den erstinstanzlichen Bescheiden ausgewechselt worden ist. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht, daß die „Personsumschreibung“ einen notwendigen Bestandteil des Spruches des Abgabenbescheides bildet. Eine UMDEUTUNG des Bescheidadressaten kommt nicht in Betracht (vgl VwGH91/15/0085 vom 25.5.1992). Im vorliegenden Fall ist auch keine Auslegung des Spruches mit Hilfe seiner Begründung erforderlich, zumal die erstinstanzlichen Bescheide keinerlei Hinweis darauf enthalten, daß als Bescheidadressat in Wahrheit etwa Herr KS als physische Person gemeint gewesen sei.

Eine solche Auswechslung des Bescheidadressaten fiel nicht in die funktionelle Zuständigkeit der Berufungsbehörde - im Effekt wurde damit unzulässigerweise eine Partei von der zweiten Instanz erstmals in eine Schuldnerposition verwiesen.

 

VwGH 92/09/0208 vom 25.9.1992 - Bescheid an die „Firma A GmbH“ - Rechtsmittel durch die die „A Ges.n.b.R. nnn1 M“

Das Landesarbeitsamtes für Niederösterreich erließ einen Bescheid an die „Firma A GmbH“, adressiert an die „Firma A GmbH nnn1 M“. Aus den Verwaltungsakten und der Vollmacht ergibt sich jedoch, daß die „A Ges.n.b.R. nnn1 M“ Beschwerdeführer ist.

Nachdem nur der Bescheidadressat durch einen an ihn gerichteten Bescheid in seinen Rechten verletzt sein kann und im vorliegenden Fall offenkundig keine Identität des Bescheidadressaten, nämlich der genannten Gesellschaft mit beschränkter Haftung, und des aufgetretenen Beschwerdeführers, nämlich der Gesellschaft nach bürgerlichem Recht, gegeben war, stand dieser Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde entgegen und mußte die Beschwerde vom VwGH schon aus diesem Grunde zurückgewiesen werden.

Dieses Judikat wird hier angeführt, um zu verdeutlichen, daß auch schon im Berufungsverfahren auf derartige Umstände geachtet wird.

 

VwGH 93/14/0119 vom 21.9.1993 - Bescheid an die „Firma Stadtwerke ...“ bezeichnet den im Firmenbuch eingetragenen Inhaber des Unternehmens und damit die Stadtgemeinde

Zur BAO: Ein Bescheid des Finanzamtes erging an einen Steuerpflichtigen, bezeichnet als „Firma Stadtwerke ...“. Die Berufungswerberin hat diese Bezeichnung in ihrem Berufungsschriftsatz übernommen. Die vor dem VwGH belangte Behörde durfte auch davon ausgehen, daß hier eine Berufung der Stadtgemeinde und nicht die Berufung eines Unternehmens ohne Rechtspersönlichkeit vorlag, denn die Berufungswerberin „Stadtwerke ...“ entnahm diese Bezeichnung nämlich den Bescheiden des Finanzamtes, in denen der Steuerpflichtige so bezeichnet war. Unter dieser Firma ist die Stadtgemeinde (Beschwerdeführerin) mit ihrem Unternehmen im Firmenbuch (früher Handelsregister) eingetragen. Die Firma ist gemäß § 17 HGB der Name des Kaufmanns, unter dem dieser im Handel sein Geschäft betreibt und unter dem er klagen und verklagt werden kann. Wenn auch die betreffende Steuerangelegenheit kein „Geschäft im Handel“ sein mag, so brachte das Finanzamt durch die Wahl der Adreßbezeichnung „Firma Stadtwerke ...“ doch zum Ausdruck, daß es in Wahrheit den Kaufmann meint, der im Handelsregister unter diesem Namen mit seinem Unternehmen eingetragen ist - also den Inhaber des Unternehmens und damit die Stadtgemeinde.

(Fortsetzung folgt.)

Robert Koch, 22.10.1997