(Anmerkung: Artikel war für diese Ausgabe der StGN vorgesehen, wurde aber aus redaktionellen Gründen nicht abgedruckt.)

LAO: Bescheide nie an eine „Firma“ adressieren!
(3. Teil)

Von Robert Koch

 

Im dritten und letzten Teil dieser Abhandlung werden VwGH-Judikate ab 1994 zum Thema vorgestellt und besprochen:
    „Herrn/Frau/Firma Dr. K. & Dr. G.“
    „Firma Ferdinand S.“ statt an die „Ferdinand S. Gesellschaft m.b.H. & Co KG“
    „Firma free-life Bungy Jumping TS Ges.m.b.H.“ / „TS Ges.n.b.R.“

 

VwGH 93/17/0047 vom 18.3.1994 - Bescheid an „Herrn/Frau/Firma Dr. K. & Dr. G.“

Zur NÖ AO: Eine OEG, die von Dr. K. und Dr. G. betrieben wird, ist beim Landes- als Handelsgericht unter der Bezeichnung „Rechtsanwälte-Partnerschaft Dr. K. & Dr. G.“ eingetragen. Der Magistrat der Landeshauptstadt St. Pölten richtete einen Abgabenbescheid an „Herrn/Frau/Firma Dr. K. & Dr. G.“.

Die Erledigung des Magistrates der Landeshauptstadt gibt hinsichtlich der Konkretisierung des Adressaten jedoch zu Zweifeln Anlaß, weil dieser aus dem „Bescheidkopf“ nicht eindeutig hervorgeht. So könnte aus der Formulierung „Dr. K. & Dr. G.“ geschlossen werden, daß damit Dr. K. und Dr. G. als natürliche Personen in die Schuldnerposition verwiesen werden sollten. Dies aber nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit, weil durch die Verwendung des - bei der Firmenbezeichnung von Gesellschaften üblicherweise verwendeten - kaufmännischen Und-Zeichens „&“ der Schluß (jedenfalls) gerechtfertigt erscheint, daß damit eine Gesellschaft angesprochen werden sollte, deren Rechtsform aber nicht einmal angedeutet wird.

 

VwGH 92/07/0040 vom 19.5.1994 - Bescheid an die „Firma Ferdinand S.“ statt an die „Ferdinand S. Gesellschaft m.b.H. & Co KG“

Notwendiges Inhaltserfordernis eines jeden Bescheides ist die mit der Personsumschreibung getroffene Wahl des Normadressaten. Die Benennung jener Person, der gegenüber die Behörde die in Betracht kommende Angelegenheit des Verwaltungsrechtes in förmlicher Weise gestalten will, ist einer Umdeutung nur in Fällen zugänglich, in welchen der gesamte Bescheidinhalt die von der Behörde gewählte Personsumschreibung als ein - den wahren behördlichen Willen verfälschendes - Vergreifen im Ausdruck erkennen läßt (vgl dazu VwGH 91/15/0085 vom 25.5.1992).

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, daß einer „Firma“ als dem Namen, unter dem ein Kaufmann seine Geschäfte betreibt, und mit dem er fertigt, Rechtspersönlichkeit nicht zukommt; ebenso wurde ausgesprochen, daß der an eine „Firma“ gerichtete Bescheid keinen normativen Gehalt entfalten könne, weil er an eine "Nichtperson“ ergehe und hält an dieser Judikatur in solchen Fällen fest, in denen die behördliche Erledigung auch in einer Zusammenschau von Bescheidadressierung, Spruch, Gründen und Zustellverfügung das von der Erledigung betroffene Rechtssubjekt nicht in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise benennt. Ein solcher Fall liegt beispielsweise vor, indem ein Bescheid den Adressaten mit der Bezeichnung „Firma Ferdinand S.“ benennt, sodaß nicht zweifelsfrei klargestellt ist, ob sich ihre Erledigung gegen Ferdinand S. persönlich oder gegen die seinen Namen tragende KG richtet. Daß der Aktenlage nach als richtiger Bescheidadressat nur die KG anzusehen gewesen wäre, erlaubt es noch nicht, den von der Behörde gewählten Adressaten deshalb auch in der KG zu erblicken. Auch aus dem gesamten Kontext des Bescheides geht nicht klar hervor, ob mit der „Firma Ferdinand S.“ Ferdinand S. oder die KG angesprochen werden soll. Das aus diesem Grunde offensichtlich gewordene Fehlen eines im Bescheid individuell bestimmten Adressaten als des Trägers der bescheidmäßig begründeten Rechte und Pflichten aber führt zur absoluten Nichtigkeit eines so erlassenen „Bescheides“ (vgl VwGH 92/07/0047 vom 10.3.1992). Die Erledigung geht somit ins Leere und konnte ihres fehlenden Bescheidcharakters wegen in die Rechtssphäre des Ferdinand S. nicht eingreifen, entfaltete aber aus dem gleichen Grunde ebensowenig rechtliche Wirkungen gegenüber der Ferdinand S. Gesellschaft m.b.H. & Co KG.

 

VwGH 93/17/0200 vom 23.2.1996 - Bescheid an die „Firma free-life Bungy Jumping TS Ges.m.b.H.“; mangels Rechtspersönlichkeit der bestehenden „TS Ges.n.b.R.“ wäre die Erledigung aber an den Vertreter (zB iS des § 58 Stmk LAO) zu richten gewesen

Zur NÖ AO: Der Bürgermeister setzte mittels an die „Firma free-life Bungy Jumping TS Ges.m.b.H.“ gerichteten Bescheides eine Lustbarkeitsabgabe fest.
Dieser Bescheid wurde den Gesellschaftern der Gesellschaft nach bürgerlichem Recht, welche unter der Bezeichnung „FREELIFE BUNGY-JUMPING TS Ges.n.b.R.“ nach außen hin auftritt, zugestellt; einer der Gesellschafter erhob namens der „Freelife-Bungy Jumping TS Ges.n.b.R.“ Berufung. Der Gemeinderat wies mit dem an die „Firma free-life Bungy Jumping TS Ges.m.b.H.“ adressierten Bescheid „deren“ Berufung ab, die „TS Ges.n.b.R.“, vertreten durch beide Gesellschafter, erhob gegen diesen Bescheid Vorstellung. Darin wurde vorgebracht, daß eine Firma „TS Ges.m.b.H.“, an welche sich der Berufungsbescheid gerichtet habe, gar nicht existiere. Die Vorstellungswerberin „TS Ges.n.b.R.“ vertrete daher die Auffassung, die Bescheide der Gemeindebehörden seien gegen sie gar nicht ergangen.

Die Vorstellung wurde mit der Begründung, daß in den Bescheiden der Gemeindebehörden der Bescheidadressat zwar falsch bezeichnet worden sei aber daß dieser Mangel gemäß § 75 NÖ AO in Verbindung mit § 7 Zustellgesetz als geheilt gelte, abgewiesen. Durch die Erhebung der Berufung und der Vorstellung sei eindeutig erkennbar, daß der Bescheid den Personen, für die er bestimmt gewesen sei, tatsächlich zugekommen sei. Im übrigen sei festzuhalten, daß einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts auch nach abgabenrechtlichen Vorschriften keine Rechtspersönlichkeit zukomme und der Bescheid sich daher an die beiden Beschwerdeführer zu richten hätte, welche für die Abgabe als Gesamtschuldner hafteten.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes hat die Vorstellungsbehörde die namens der TS Ges.n.b.R. eingebrachte Vorstellung den Gesellschaftern zugerechnet, diese als Parteien des Vorstellungsverfahrens behandelt und folglich auch den Vorstellungsbescheid an die beiden Gesellschafter persönlich gerichtet. Nach den Abgabenvorschriften der NÖ AO 1977 ist die als Vorstellungswerberin aufgetretene Gesellschaft nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähig. Die belangte Behörde hätte die Vorstellung der Gesellschaft nach bürgerlichem Recht, vertreten durch die Gesellschafter, aus diesem Grunde und weil auch der Berufungsbescheid nicht gegen die als Vorstellungswerberin auftretende Gesellschaft ergangen ist, zurückzuweisen gehabt, anstatt sie in eine Vorstellung der Beschwerdeführer, die auch nicht Adressaten der Bescheide der Gemeindebehörden waren, umzudeuten.
Ein den Gesellschaftern zurechenbarer Vorstellungsantrag lag in diesem Fall nicht vor. Eine Behörde, welche einen antragsbedürftigen Bescheid erläßt, obwohl kein diesbezüglicher Antrag der Partei vorliegt, verletzt auf Verfassungsebene das Recht auf das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf einfachgesetzlicher Ebene das Recht auf Einhaltung der Zuständigkeitsordnung.

(Schluss)

Robert Koch, 26.11.1997

 

Anmerkung: Durch einen technisch-organisatorischen Fehler unterblieb leider der vorgesehene Abdruck in den StGN 1/1998.