AMT DER STEIERMÄRKISCHEN LANDESREGIERUNG |
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è Rechtsabteilung 7 | ||
Ergeht
an: den Magistrat der Landeshauptstadt Graz alle Gemeinden Nachrichtlich
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Gemeinden und Bearbeiter: Dr. Kindermann Bei Antwortschreiben bitte |
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GZ: 7-482-101/95-192 | Graz, am 10. April 2001 | |
Ggst: Neuerliche
Anrufung des EuGH |
Aus Anlass der neuerlichen Anrufung des EuGH zur Getränkeabgabe durch den Verwaltungsgerichtshof und im Interesse einer einheitlichen Vorgangsweise gibt die Gemeindeabteilung ihre Rechtsansicht betreffend Maßnahmen zur Vereinfachung der vor den Gemeindebehörden anhängigen Getränkeabgabeverfahren bekannt. Über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehende Rechte und Pflichten werden durch diese Information nicht begründet.
Mit
Beschluss vom 23. März 2001, Zl. 2000/16/0640 (EU-Register: EU2001/0007),
hat der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften
die Frage gestellt, ob die rückwirkende Einführung des § 185
Abs. 3 WAO (entspricht im Wesentlichen dem § 186 Abs. 3 der novellierten Stmk.LAO)
dem Artikel 10 EG (Treuegebot) und dem Spruchpunkt 3 des EuGH-Urteiles vom 9.
März 2000 widersprechen.
Da
der Verwaltungsgerichtshof seine Entscheidung aufgrund des Urteils des von ihm
angerufenen Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften treffen wird,
ist der Ausgang des vorgenannten Verfahrens "von wesentlicher Bedeutung"
für noch nicht erledigte Berufungen. Die Gemeindeabteilung regt aus diesem
Grunde daher an, während vor dem Verwaltungsgerichtshof das Verfahren zur
Klärung der Frage der Gemeinschaftskonformität der Bestimmung über
das "Bereicherungsverbot" anhängig ist, Berufungsverfahren
unter deutlicher Bezeichnung des Anlassverfahrens zu unterbrechen.
Diese Unterbrechung sollte zumindest jene Verfahren umfassen, welche (im weiteren Sinn) die Frage zum Gegenstand haben, ob ein aus einem Guthaben resultierender Rückzahlungs- oder Kompensationsanspruch insoweit nicht zusteht, als die Abgabe wirtschaftlich von einem anderen als dem Abgabepflichtigen getragen wurde. Durch den Aufschub von Berufungsentscheidungen können massenhafte Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof vermieden werden und dient eine erfolgte Aussetzung somit auch Parteiinteressen (Wegfall des Prozessrisikos von VwGH-Beschwerden) sowie letztlich auch der Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes.
Verfahrensrechtliche Möglichkeiten für die Unterbrechung der Verfahren:
A) Vereinbarung:
Es besteht grundsätzlich keine
Verpflichtung der Abgabenbehörde das Verfahren mit Bescheid auszusetzen,
sondern sie kann sich damit zufrieden geben, ihre Erledigung formlos zurückzustellen
und die Entscheidung über die Vorfrage bzw. die Entscheidung über
eine "gleiche oder ähnliche Rechtsfrage", die sonst für
den Ausgang des Verfahrens von "wesentlicher Bedeutung" ist, abzuwarten.
Wartet die Abgabenbehörde formlos ab, dann muss sie allerdings in Erwägung
ziehen, dass bei Zutreffen der übrigen Voraussetzungen, wenn über
eine Eingabe oder eine Berufung nicht binnen sechs Monaten ab ihrer Einbringung
bzw. innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab Erhebung des Vorlageantrages
(§ 206 LAO) entschieden wird, ein Devolutionsantrag oder eine Säumnisbeschwerde
erhoben werden könnte.
Um diese Rechtsfolgen zu vermeiden, wird angeregt mit der Partei ein "Ruhen
des Verfahrens" bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu
vereinbaren. Im Gesetz ist ein "Ruhen des Verfahrens" nicht vorgesehen,
doch hat der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass ein Recht auf behördliche
Tätigkeit verzichtbar ist (VwSlg. 1889/A/1951). Eine solche Vereinbarung,
die je nach Verfahrensstand entweder von der Abgabenbehörde erster oder
zweiter Instanz abzuschließen ist, kann daher als ein befristeter Verzicht
auf die Behandlung der Angelegenheit und damit als Verzicht auf eine Entscheidung
der Behörde (Artikel 132 B-VG und § 27 VwGG) interpretiert werden. Die
Wirkung dieses befristeten Verzichtes auf das Recht auf Entscheidung ist darin
zu sehen, dass das mit Abschluss der Vereinbarung ausgesetzte Recht auf Entscheidung
und damit die diesem Recht gegenüberstehende Pflicht der Behörde zur
Entscheidung binnen sechs Monaten, ab dem Zeitpunkt des Vorliegens eines Übereinkommens
auf "Ruhen" und für die Dauer des "Ruhens" nicht gegeben
ist; erst mit dem Wegfall dieser Wirkung entsteht gemäß § 27 VwGG
wiederum die Entscheidungspflicht der Behörde binnen sechs Monaten (vgl.
VwGH 15. 12. 1993, Zl. 93/01/0307).
B) Förmliche Aussetzung des Berufungsverfahrens:
Kommt es zu keiner Vereinbarung
mit der Partei über ein "Ruhen des Verfahrens", so sollte die
Abgabenbehörde zweiter Instanz von dem ihr durch § 211 LAO eingeräumten
Recht auf förmliche Aussetzung des Verfahrens Gebrauch machen. Liegt
ein solcher Aussetzungsbescheid vor, so kann – solange die Aussetzung berechtigt
andauert – nicht gegen die Bestimmungen über die Entscheidungspflicht (§
232 LAO) verstoßen werden. Eine Säumnisbeschwerde in einer ausgesetzten
Berufungsangelegenheit kann somit nicht zum Erfolg führen.
Gemäß § 211 Abs.
2 zweiter Satz LAO ist nach rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens,
welches Anlass zur Aussetzung gegeben hat, das ausgesetzte Berufungsverfahren
von Amts wegen fortzusetzen. Von diesem Zeitpunkt an läuft eine neue sechsmonatige
Frist i.S. des § 27 VwGG für die Einbringung einer Säumnisbeschwerde.
Graz, am 10. April
2001
Für die Steiermärkische
Landesregierung:
Der Abteilungsvorstand:
Hofrat Dr. Heinz SCHILLE eh.