VwGH Erkenntnis 2004/16/0141 vom 16.12.2004

Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden
Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger und
Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers
Mag. Siegl, über die Beschwerde der S in W, vertreten durch
Dr. Gerhard Schultschik, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt,
Pöckgasse 4, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt
Wiener Neustadt vom 14. Juni 2004, Zl. 8A/412/04, betreffend
Rückzahlung der Getränkesteuer für die Jahre 1995 bis 1999, zu
Recht erkannt:

Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt 2.,
insoweit damit ausgesprochen wurde, dass der auf den Zeitraum 1995
bis 1999 auf alkoholische Getränke entfallende Abgabenbetrag von
EUR 45.206,63 im Ausmaß von EUR 43.398,36 nicht gutgeschrieben und
nicht rückgezahlt wird, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung
von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Stadt Wiener Neustadt hat der Beschwerdeführerin
Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei
sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung
Die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin begehrte mit vor dem
9. März 2000 eingelegten Rechtsbehelfen die Festsetzung der
Getränkesteuer für die Jahre 1995 bis 1999 mit S 0,00. Mit
Schreiben vom 29. März 2000 beantragte die Beschwerdeführerin die
Rückzahlung der entrichteten Getränkesteuer ua für die Jahre 1995
bis 1999.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 4. Dezember 2000 wurde die
Getränkesteuer für alkoholische Getränke für den Zeitraum
Jänner 1995 bis Juni 1999 mit S 0,00 festgesetzt und
ausgesprochen, dass der für diesen Zeitraum entrichtete, auf
alkoholische Getränke entfallende Abgabenbetrag in der Höhe von
rund S 560.000,-- nicht gutgeschrieben und nicht zurückgezahlt
werde. Ein allenfalls eingebrachter Rückzahlungsantrag wurde
abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin stellte einen Antrag auf Entscheidung
über die Berufung durch die 2. Instanz.
Mit Bescheid vom 16. Februar 2001 wurde die Getränkesteuer
für alkoholische Getränke für den Zeitraum Juli bis Dezember 1999
mit S 0,00 festgesetzt und ausgesprochen, dass der für diesen
Zeitraum entrichtete, auf alkoholische Getränke entfallende
Abgabenbetrag in Höhe von rund S 51.000,-- nicht gutgeschrieben
und nicht zurückgezahlt werde. Ein allenfalls eingebrachter
Rückzahlungsantrag wurde abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.
Mit Schreiben vom 23. März 2004 wurde die Beschwerdeführerin
aufgefordert, einen beigelegten Erhebungsbogen vollständig
ausgefüllt unter Beilage von Kalkulationsunterlagen,
Getränkekarte, Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnung zu
retournieren.
Mit Schreiben vom 5. April 2004 übermittelte die
Beschwerdeführerin den ausgefüllten Erhebungsbogen sowie als
Beilagen "Monatslisten" (Zusammenfassung der Erlöse) von
Betriebsbeginn September 1994 bis Jänner 2000, die
Jahresabschlüsse (Bilanzen samt Gewinn- und Verlustrechnung) für
1994 bis 2000, die "Betriebsinventuren 31. 12. 1995 - 31. 12. 2000
(zum Nachweis der Einkaufspreise)", die Speisekarte (Getränke- und
Speiseliste) per 3/2004 und vier Tabellen betreffend "Mengen- und
Erlöszusammenstellung" für eine bestimmte Marke Bier und für
"Weißwein 1/8 l), Umsatzanteile Bier/Wein am Gesamtumsatz und die
betriebswirtschaftlichen Ergebnisse 1995 bis 2000. Zu letzteren
gab die Beschwerdeführerin an, dass die Verluste des
Streitzeitraumes mit S 812.134,00 größer als der für diese Zeit
entrichtete Gesamtbetrag an Getränkesteuer von S 617.100,00 sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Getränkesteuer auf
alkoholische Getränke für die Jahre 1995 bis 1999 mit EUR 0,00
festgesetzt, aber ausgesprochen, dass der für diesen Zeitraum
entrichtete, auf alkoholische Getränke entfallende Abgabenbetrag
von EUR 45.206,63 im Ausmaß von EUR 43.398,36 nicht gutgeschrieben
und nicht zurückgezahlt werde. Im Übrigen wurden die Berufungen
als unbegründet abgewiesen.
Zusammengefasst führte die belangte Behörde in ihrer
Begründung aus, die Beschwerdeführerin habe in dem übermittelten
Erhebungsbogen ihren Gastronomiebetrieb als Gasthaus (Bier-Pub)
der einfachen Qualitätskategorie eingestuft. Ihre umsatzstärksten
alkoholischen Getränke seien Bier (62 %) und Weißwein (4 %) gewesen.
Entsprechend einer Studie der Bundeswirtschaftskammer liege
der arithmetische durchschnitt der Bruttorohaufschläge Keller ohne
die besten 25 % bei 334 %. Die Ermittlung eines Medianwertes bei
den Bruttorohaufschlägen von 300 % erfolge durch einen Abschlag
von 10 % vom arithmetischen Durchschnitt. Der durchschnittliche
Bruttorohaufschlag bei Gasthausbetrieben liege unter
Berücksichtigung der betriebsspezifischen Merkmale bei Bier als
umsatzstärkster Getränkeart bei 250 % und bei Wein als
zweitumsatzstärkster Getränkeart bei gerundet 300 %. Der bekannt
gegebene gewichtete Bruttorohaufschlag habe im Betrieb der
Beschwerdeführerin 1995 bis 1999 bei Bier zwischen 257 % und 283 %
sowie bei Wein zwischen 493 % und 500 % betragen. Da der
individuelle Rohaufschlag den durchschnittlichen
anbieterspezifischen Rohaufschlag überschritten habe, sei eine
vollständige Überwälzung der Getränkesteuer auf den Preis erfolgt.
Die Frage, ob die Überwälzung der Getränkesteuer zu einem
Absatz- und Gewinnrückgang geführt habe, beantwortete die belangte
Behörde dahingehend, die im Vergleich zu Speisegaststätten höhere
Elastizität der Nachfrage dürfte höchstens 10 Prozentpunkte über
Betrieben ohne Nachfragereaktion liegen, was eine Erstattung von
2 % der Getränkesteuer rechtfertige. Diese Relation zwischen
Nachfrageelastizität und Erstattung der Getränkesteuer sei dem
Wifo-Gutachten "Kriterien zur Überwälzbarkeit der Getränkesteuer"
(Autorin: Margit Schratzenstaller) entnommen worden. Unter Annahme
eines Gewinnaufschlages von 25 % auf die Selbstkosten des
Getränkes bedeute dieser Nachfragerückgang einen Gewinnentgang von
0,25 % der Selbstkosten. Bezogen auf die Getränkesteuer seien dies
bei der Kategorie "Gasthausbetriebe" ca. 2 %.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende
Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch
Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften
geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in
ihrem Recht auf vollständige Rückzahlung der Getränkesteuer für
alkoholische Getränke für die Jahre 1995 bis 1999 verletzt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und
erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige
Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1
Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Zum Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe lediglich
makroökonomische Gutachten als Grundlage für ihre Entscheidung
herangezogen und sich mit den Eigenheiten ihres Unternehmens nicht
auseinander gesetzt, ist auf das hg. Erkenntnis vom
4. Dezember 2003, Zl. 2003/16/0148, zu verweisen, in welchem
ausgesprochen wurde, dass die Höhe der durchschnittlichen
Rohaufschläge und deren Auswirkungen auf die Bemessung der
Überwälzung durch makroökonomische Analysen klärbar sein werde.
Allerdings bedürfe es hinsichtlich behaupteter Abweichungen davon
neben den Kalkulationsunterlagen auch anderer Beweismittel,
vorzugsweise der Parteienvernehmung.
Wie die Beschwerdeführerin jedoch zutreffend aufzeigt, ist
nicht nachvollziehbar, anhand welcher Beweisergebnisse und
Überlegungen die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die
für das Ergebnis des Verfahrens entscheidenden Prozentsätze
ermittelt hat. Auch hat die belangte Behörde jede
Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin
betreffend die von ihr bzw. ihrer Rechtsvorgängerin
erwirtschafteten Verluste, die höher als die abgeführte
Getränkesteuer seien, unterlassen. Somit sind auch die
Schlussfolgerungen der belangten Behörde (gänzliche Überwälzung,
2 % Schaden) einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof
nicht zugänglich.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom heutigen
Tag, Zl. 2004/16/0128, für die Getränkesteuerfälle dargelegt,
welche Partei für welche Tatsachen behauptungs- und
beweispflichtig ist, nach welchen Grundsätzen das
Ermittlungsverfahren zu führen ist sowie welche Bedeutung den von
der belangten Behörde zu ermittelnden Werten - etwa auch im Rahmen
der Beweiswürdigung - zukommt. Zur Vermeidung von Wiederholungen
ist in Anwendung des § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe
im genannten Erkenntnis zu verweisen.
Mit dem hier zu beurteilenden Bescheid wurde diesen
Anforderungen nicht entsprochen. Der angefochtene Bescheid war
daher, soweit darin der Antrag auf Rückzahlung von Getränkesteuer
abgewiesen wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen
Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften
aufzuheben. Auf Basis der zitierten Rechtsprechung konnte die
Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat
getroffen werden.
Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff
VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 16. Dezember 2004

VwGH Erkenntnis 2004/16/0176 vom 16.12.2004

Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden
Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger und
Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl,
über die Beschwerde des L in W, vertreten durch Mag. Wolfgang
Ilgenfritz, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 9500 Villach,
Haydnstraße 5, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission
Wien vom 30. Juni 2004, Zl. ABK - 259/04, betreffend Rückzahlung
der Getränkesteuer für die Jahre 1995, 1996 und 1997, zu Recht
erkannt:

Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge
Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer
Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei
sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung
Die beschwerdeführende Partei begehrte mit einem vor dem
9. März 2000 eingelegten Rechtsbehelf die Rückzahlung von ihr seit
dem EU-Beitritt Österreichs entrichteter Getränkesteuer auf
alkoholische Getränke. Die belangte Behörde lehnte mit Bescheid
vom 21. November 2000 unter Berufung auf die in der LAO enthaltene
Rückzahlungssperre einen Rückzahlungsanspruch ab.
Diesen Bescheid hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis
vom 18. Dezember 2003, Zl. 2003/16/0429, unter Verweis auf das
Erkenntnis vom 4. Dezember 2003, Zl. 2003/16/0148, in dem
dargelegt wurde, unter welchen Voraussetzungen die Rückzahlung
verweigert werden kann, ohne dass den Anforderungen, die der
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinem Urteil vom
2. Oktober 2003, C-147/01, insbesondere im Hinblick auf den
Effektivitätsgrundsatz formuliert hat, widersprochen wird,
aufgehoben.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte
Behörde neuerlich über die Berufung des Beschwerdeführers
entschieden und dieser - somit im Ergebnis dem Rückzahlungsantrag -
im Umfang von EUR 497,27 stattgegeben und die Berufung
hinsichtlich der restlichen Getränkesteuer abgewiesen.
Zusammengefasst geht die belangte Behörde in der Begründung
davon aus, dass der Bruttorohaufschlag im qualitativen
Getränkefachhandel für Wein und Spirituosen mit einem umfassenden
Angebotssortiment - wozu der Betrieb des Beschwerdeführers zu
zählen sei - bei Wein bei 60% und bei Spirituosen bei 65% liege.
Als Vergleichswert diene ein Bruttorohaufschlag von 164%, sodass
von einer vollständigen Überwälzung der Getränkesteuer durch den
Beschwerdeführer auszugehen sei. Die Frage, ob die Überwälzung der
Getränkesteuer zu einem Absatz- und Gewinnrückgang geführt habe,
beantwortete die belangte Behörde dahin, dass bei einer
Preiselastizität von - 0,1 unter der Annahme eines
Gewinnaufschlages von 25% auf die Selbstkosten des Getränkes der
Nachfragerückgang einen Gewinnentgang von rund 2% der
Getränkesteuer verursache.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende
Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch
Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften
geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem
Recht auf Rückzahlung der Getränkesteuer für alkoholische Getränke
für die Jahre 1995, 1996 und 1997 verletzt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und
erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige
Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1
Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Wie der Beschwerdeführer zutreffend aufzeigt, ist nicht
nachvollziehbar, anhand welcher Beweisergebnisse und Überlegungen
die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die für das
Ergebnis des Verfahrens entscheidenden Prozentsätze ermittelt hat.
Somit sind auch die Schlussfolgerungen der belangte Behörde
(gänzliche Überwälzung, 2% Schaden) einer Überprüfung durch den
Verwaltungsgerichtshof nicht zugänglich.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom heutigen
Tag, Zl. 2004/16/0128
, für die Getränkesteuerfälle dargelegt,
welche Partei für welche Tatsachen behauptungs- und
beweispflichtig ist, nach welchen Grundsätzen das
Ermittlungsverfahren zu führen ist sowie welche Bedeutung den von
der belangten Behörde so ermittelten Werten - etwa auch im Rahmen
der Beweiswürdigung - zukommt. Zur Vermeidung von Wiederholungen
ist in Anwendung des § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe
im genannten Erkenntnis zu verweisen.
Mit dem hier zu beurteilenden Bescheid wurde diesen
Anforderungen nicht entsprochen.
Der angefochtene Bescheid war
daher, soweit darin der Antrag auf Rückzahlung von Getränkesteuer
abgewiesen wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit b und c VwGG wegen
Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften
aufzuheben. Auf Basis der zitierten Rechtsprechung konnte die
Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat
getroffen werden.
Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf den
§§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 16. Dezember 2004