VwGH-Erkenntnis 2003/16/0148 vom 4.12.2003

Vorgaben für die europarechtskonforme Auslegung des Bereicherungsverbotes iZm der Rückzahlung der Getränkesteuer auf alkoholische Getränke in noch anhängigen Rechtsbehelfsverfahren - Frage der Überwälzung und der ungerechtfertigten Bereicherung, des Ermittlungsverfahrens, der Beweiswürdigung des Parteiengehör usw -
siehe auch Kurzfassung in RFG 2004, 4ff

 

Volltext:

Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden
Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Fellner,
Dr. Höfinger, Dr. Kail und Dr. Köller als Richter, im Beisein des
Schriftführers Mag. Siegl, in der Beschwerdesache der W
HandelsgesmbH in M, vertreten durch die Perchtoldsdorfer
Wirtschaftsberatungs GmbH, Wirtschaftsprüfer in
2380 Perchtoldsdorf, Wiener Gasse 146, gegen den Bescheid der
Abgabenberufungskommission Wien vom 6. September 2000, Zl. MD-VfR -
 W 21/2000, betreffend Rückzahlung von Getränkesteuer auf
alkoholische Getränke, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines
Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin
Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei
sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte vor dem 9. März 2000 die
Rückzahlung der von ihr für Zeiträume seit dem 1. Jänner 1995
entrichteten Getränkesteuer für alkoholische Getränke. Dieser
Antrag wurde unter Hinweis auf die in der Landesabgabenordnung
enthaltene Rückzahlungssperre abgewiesen.
Gegen den angefochtenen Bescheid, der vom Vorliegen einer
Rückzahlungssperre ausgeht, richtet sich die vorliegende
Beschwerde, mit der die Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit seines
Inhaltes begehrt wurde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und
erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat im
Spruchpunkt 3. des Tenors seines Urteiles vom 9. März 2000 in der
Rechtssache C-437/97 (im Folgenden, der Diktion des EuGH folgend,
EKW-Urteil genannt) die Urteilswirkungen für die Vergangenheit
dahingehend beschränkt, dass sich nur derjenige auf die
Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Steuer auf alkoholische Getränke
berufen kann, der Ansprüche betreffend solche Abgaben geltend
macht, die vor dem 9. März 2000 entrichtet wurden oder fällig
geworden sind, wenn er vor diesem Zeitpunkt Klage erhoben oder
einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt hat.
Um das daraus resultierende Rückforderungspotential
einzuschränken, haben knapp vor Verkündung des obzitierten Urteils
des EuGH die österreichischen Bundesländer im Hinblick auf die
erwartete Aufhebung der Getränkesteuer auf alkoholische Getränke
Bestimmungen in ihre Landesabgabenordnungen (Salzburg am
14.12.1999, LGBl. 112/1999, § 182a; Tirol am 11.1.2000,
LGBl. 1/2000, § 187a; Burgenland am 18.1.2000, LGBl. 6/2000,
§ 187a; Niederösterreich am 31.1.2000, LGBl. 3400-7, § 186a;
Steiermark am 29.2.2000, LGBl. 13/2000, § 186; Vorarlberg
ebenfalls am 29.2.2000, LGBl. 9/2000, § 106a; Wien am 2.3.2000,
LGBl. 9/2000, § 185; und Oberösterreich am 8.3.2000,
LGBl. 19/2000, § 186a) eingeführt, denen zufolge die
Rückerstattung oder Kompensation von zu Unrecht erhobenen Abgaben
insoweit nicht zu erfolgen hat, als die betroffene Abgabe auf
einen anderen überwälzt wurde. Kärnten änderte die
Landesabgabenordnung 1991 durch Einfügung eines § 188a, der die
Überschrift "Ausschluss der Rückzahlung" trägt, erst mit Gesetz
vom 12. Juli 2000, LGBl. Nr. 54, § 188a). Diese Bestimmungen haben
derzeit folgenden Wortlaut:
"Burgenland § 187a
(1) Besteht bei Abgaben für die Abgabenbehörde aus dem Grunde
gemeinschaftsrechtlicher oder innerstaatlicher Vorschriften die
Verpflichtung
a) eine durch Erklärung festgesetzte Abgabe mit Bescheid neu
festzusetzen oder
b) eine Steuervorschreibung mit Bescheid aufzuheben oder zu
ändern, so hat sie gleichzeitig auszusprechen, in welchem Umfang
die Abgabe nicht gutzuschreiben oder nicht zurückzuzahlen ist,
weil die Abgabe insoweit wirtschaftlich von einem anderen als dem
Abgabepflichtigen getragen worden ist. Soweit eine derart
überwälzte Abgabe noch nicht entrichtet worden ist, hat die
Abgabenbehörde diese mit gesondertem Bescheid vorzuschreiben.
(2) Für Verfahren nach Abs. 1 verlängert sich die im § 232
festgesetzte Frist von sechs Monaten auf zwölf Monate.
Kärnten § 188a
(1) Die Abgabenbehörde, die eine auf Grund eines
rechtswidrigen Abgabengesetzes erlassene Abgabenvorschreibung
aufhebt oder abändert, hat auszusprechen, in welchem Umfang die
Abgabe nicht gutzuschreiben oder nicht zurückzuzahlen ist, weil
die Abgabe insoweit wirtschaftlich von einem anderen als dem
Abgabepflichtigen getragen worden ist. Soweit eine derart
überwälzte Abgabe noch nicht entrichtet worden ist, hat die
Abgabenbehörde diese mit gesondertem Bescheid vorzuschreiben.
(2) Abs. 1 gilt auch, wenn die Abgabe gemäß § 151 durch die
Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung als festgesetzt
gilt oder die Abgabenbehörde gemäß § 151 eine Abgabenfestsetzung
vornimmt. Die Bestimmung findet jedoch keine Anwendung auf jene
Personen, deren Beschwerden Anlass für das Normprüfungsverfahren
gewesen sind.
Niederösterreich § 186a
(1) Die Abgabenbehörde, die eine aufgrund eines
rechtswidrigen Abgabengesetzes erlassene Abgabenvorschreibung
aufhebt oder abändert, hat auszusprechen, in welchem Umfang die
Abgabe nicht gutzuschreiben oder nicht zurückzuzahlen ist, weil
die Abgabe insoweit wirtschaftlich von einem anderen als dem
Abgabepflichtigen getragen worden ist. Soweit eine derart
überwälzte Abgabe noch nicht entrichtet worden ist, hat die
Abgabenbehörde diese mit gesondertem Bescheid vorzuschreiben.
(2) Abs. 1 gilt auch, wenn die Abgabe gemäß § 153 Abs. 1
durch die Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung als
festgesetzt gilt oder die Abgabenbehörde gemäß § 153 Abs. 2 eine
Abgabenfestsetzung vornimmt. Die Bestimmung findet jedoch keine
Anwendung auf jene Personen, deren Beschwerden Anlass für das
Normprüfungsverfahren gewesen sind.
Oberösterreich § 186a
(1) Besteht bei Abgaben für die Abgabenbehörde aus dem Grund
gemeinschaftsrechtlicher oder innerstaatlicher Vorschriften die
Verpflichtung
1. eine durch Einreichung der Erklärung über die
Selbstberechnung gemäß § 150 Abs. 1 festgesetzte Abgabe mit
Bescheid neu festzusetzen oder
2. einen Abgabenbescheid mit Bescheid aufzuheben oder zu
ändern, hat sie gleichzeitig auszusprechen, in welchem Umfang die
Abgabe nicht gutzuschreiben oder nicht zurückzuzahlen ist, weil
die Abgabe insoweit wirtschaftlich von einem anderen als dem
Abgabepflichtigen getragen worden ist. Soweit eine derart
überwälzte Abgabe noch nicht entrichtet worden ist, hat die
Abgabenbehörde diese mit gesondertem Bescheid vorzuschreiben.
(2) Für Verfahren nach Abs. 1 verlängert sich die im § 233
Abs. 2 festgesetzte Frist von sechs Monaten auf zwölf Monate
(LGBl Nr. 103/2003).
Salzburg § 182a
(1) Die Abgabenbehörde, die eine auf Grund eines
rechtswidrigen Abgabengesetzes erlassene Abgabenvorschreibung
aufhebt oder abändert, hat auszusprechen, in welchem Umfang die
Abgabe nicht gutzuschreiben oder nicht zurückzuzahlen ist, weil
die Abgabe insoweit wirtschaftlich von einem anderen als dem
Abgabepflichtigen getragen worden ist. Soweit eine derart
überwälzte Abgabe noch nicht entrichtet worden ist, hat die
Abgabenbehörde diese mit gesondertem Bescheid vorzuschreiben.
(2) Abs 1 gilt auch, wenn die Abgabe gemäß § 148 Abs 1 durch
die Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung als
festgesetzt gilt oder die Abgabenbehörde gemäß § 148 Abs 2 eine
Abgabenfestsetzung vornimmt. Die Bestimmung findet jedoch keine
Anwendung auf jene Personen, deren Beschwerden Anlass für das
Normprüfungsverfahren gewesen sind.
Steiermark § 186
(1) Die Rückzahlung von Guthaben (§ 163 Abs. 2) kann auf
Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen erfolgen. Ist der
Abgabepflichtige nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähig, so
können Rückzahlungen mit Wirkung für ihn unbeschadet der
Vorschrift des § 57 Abs. 2 nur an diejenigen erfolgen, die nach
den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes über das Guthaben zu
verfügen berechtigt sind.
(2) Die Abgabenbehörde kann den Rückzahlungsbetrag auf jenen
Teil des Guthabens beschränken, der die der Höhe nach
festgesetzten Abgabenschuldigkeiten übersteigt, die der
Abgabepflichtige nicht später als drei Monate nach der Stellung
des Rückzahlungsantrages zu entrichten haben wird.
(3) Ein Rückzahlungs- oder Verwendungsanspruch gemäß §§ 162
und 163 steht insoweit nicht zu, als die Abgabe wirtschaftlich von
einem anderen als dem Abgabepflichtigen getragen wurde. Soweit
eine derart überwälzte Abgabe festgesetzt, fällig, aber noch nicht
entrichtet ist, ist sie zu vollstrecken.
(4) Abs. 3 ist nicht anzuwenden auf Abgabepflichtige, soweit
ihnen die Anlassfallwirkung für eine vom Verfassungsgerichtshof
als rechtswidrig erkannte Abgabenvorschrift zukommt.
Tirol § 187a
Ausschluss der Verrechnung, der Verwendung von Guthaben und
der Rückzahlung von Selbstbemessungsabgaben, bescheidmäßige
Vorschreibung
(1) Besteht bei Selbstbemessungsabgaben für die
Abgabenbehörde aus europarechtlichen Gründen oder nach dem
Ausspruch der Rechtswidrigkeit einer innerstaatlichen Norm die
Verpflichtung,
a) eine durch Erklärung festgesetzte Abgabe mit Bescheid neu
festzusetzen oder
b) einen Abgabenbescheid aufzuheben oder zu ändern, so hat
sie ein dadurch entstehendes Guthaben insoweit nicht mit
Abgabenschulden zu verrechnen, zur Tilgung vollstreckbarer
Abgabenschulden zu verwenden oder zu erstatten, als sie dem
Abgabepflichtigen nachweist, dass er die Abgabe auf andere
überwälzt hat. Dies gilt auch, wenn das Guthaben aufgrund einer
Abgabenerklärung entstanden ist.
(2) Soweit eine nach Abs. 1 überwälzte Abgabe noch nicht
entrichtet wurde, hat die Abgabenbehörde diese mit gesondertem
Bescheid vorzuschreiben.
(3) Die Anlassfälle im Sinne der Art. 139 Abs. 6 und 140
Abs. 7 B-VG werden dadurch nicht berührt.
Vorarlberg § 106a
Ausschluss der Rückzahlung
(1) Wenn eine aufgrund eines rechtswidrigen Abgabengesetzes
erlassene Abgabenvorschreibung aufgehoben oder abgeändert wird
oder eine aufgrund eines rechtswidrigen Abgabengesetzes selbst
bemessene Abgabe mit Bescheid festgesetzt wird, hat die Behörde
auszusprechen, dass ein dadurch entstehendes Guthaben dem
Abgabepflichtigen insoweit nicht zurückgezahlt wird, als die
Abgabe wirtschaftlich von anderen getragen worden ist.
(2) Guthaben, die gemäß Abs. 1 nicht zurückgezahlt werden,
dürfen nicht zur Tilgung fälliger Schuldigkeiten (§ 88 Abs. 1)
verwendet werden. In diesen Fällen ist auch eine Verrechnung von
Gutschriften gemäß § 87 ausgeschlossen.
Wien § 185
(1) Die Rückzahlung von Guthaben (§ 163 Abs. 2) kann auf
Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen erfolgen. Ist der
Abgabepflichtige nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähig, so
können Rückzahlungen mit Wirkung für ihn unbeschadet der
Vorschrift des § 57 Abs. 2 nur an diejenigen erfolgen, die nach
den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes über das Guthaben zu
verfügen berechtigt sind.
(2) Die Abgabenbehörde kann den Rückzahlungsbetrag auf jenen
Teil des Guthabens beschränken, der die der Höhe nach
festgesetzten Abgabenschuldigkeiten übersteigt, die der
Abgabepflichtige nicht später als drei Monate nach der Stellung
des Rückzahlungsantrages zu entrichten haben wird.
(3) Ein Rückzahlungs- oder Verwendungsanspruch gemäß §§ 162
und 163 steht insoweit nicht zu, als die Abgabe wirtschaftlich von
einem anderen als dem Abgabepflichtigen getragen wurde. Soweit
eine derart überwälzte Abgabe festgesetzt, fällig, aber noch nicht
entrichtet ist, ist sie zu vollstrecken.
(4) Abs. 3 ist nicht anzuwenden auf Abgabepflichtige, soweit
ihnen die Anlassfallwirkung für eine vom Verfassungsgerichtshof
als rechtswidrig erkannte Abgabenvorschrift zukommt."
Anlässlich seines in der Sache ergangenen
Vorabentscheidungsersuchens verwies der Verwaltungsgerichtshof auf
die ständige Rechtssprechung des EuGH (siehe beispielsweise das
Urteil vom 21. September 2000, Rechtssache C-441/98, C-442/98,
"KAPNIKI MICHAILIDIS"), wonach es das Gemeinschaftsrecht einem
Mitgliedstaat nicht verwehre, die Erstattung von unter Verstoß
gegen Gemeinschaftsvorschriften erhobenen Abgaben abzulehnen, wenn
nachgewiesen ist, dass die Erstattung zu einer ungerechtfertigten
Bereicherung führte. Der Verwaltungsgerichtshof stellte auch fest,
dass die angewendete Bestimmung der WAO - nichts Anderes gilt
grundsätzlich für die genannten Bestimmungen der anderen
Bundesländer -, nach der der Erstattungsanspruch nicht besteht,
wenn die Abgabe wirtschaftlich von einem anderen getragen wurde,
im Zusammenhang mit dem hier anwendbaren Verfahrensrecht
grundsätzlich diese gemeinschaftsrechtlichen Voraussetzungen
erfüllt. Die Bestimmung beziehe sich mit Rücksicht auf ihren
allgemeinen Wortlaut keineswegs nur auf die Erstattung von
Abgaben, deren Erhebung aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen
rechtswidrig war, oder gar nur auf die Getränkesteuer.
Unmittelbarer Anlass des Vorabentscheidungsersuchens war der
Umstand, dass der Wiener Landesgesetzgeber mit der Anordnung, die
Änderung des § 185 WAO solle auch auf vor der Kundmachung dieses
Gesetzes (2. März 2000) entstandene Steuerschuldverhältnisse
Anwendung finden, diese Bestimmung rückwirkend in Kraft gesetzt hat.
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat in seinem
in der Sache ergangenen Urteil vom 2. Oktober 2003, Rechtssache C-
147/01, "WEBER'S WINE WORLD" (wenn in der Folge vom EuGH-Urteil
ohne weitere Zitierung die Rede ist, handelt es sich stets um
dieses), für Recht erkannt:
"1. Der Erlass einer Regelung wie der Wiener Abgabenordnung
durch einen Mitgliedstaat, durch die das Verfahren zur Erstattung
rechtsgrundlos gezahlter Beträge verschärft wird, um den möglichen
Auswirkungen eines Urteils des Gerichtshofes vorzubeugen, nach dem
das Gemeinschaftsrecht der Beibehaltung einer innerstaatlichen
Abgabe entgegensteht, verstößt nur dann gegen dieses Recht,
nämlich gegen Artikel 5 EG-Vertrag (jetzt Artikel 10 EG), wenn
diese Regelung spezifisch diese Abgabe betrifft; es obliegt dem
nationalen Gericht, dies zu prüfen.
2. Die gemeinschaftsrechtlichen Regeln über die Erstattung
rechtsgrundlos gezahlter Beträge stehen einer innerstaatlichen
Regelung entgegen, die - was das nationale Gericht zu prüfen hat -
die Erstattung einer gemeinschaftsrechtswidrigen Abgabe allein
deshalb versagt, weil diese auf Dritte abgewälzt worden ist, ohne
dass der Umfang der ungerechtfertigten Bereicherung des
Abgabepflichtigen festgestellt würde, zu der die Erstattung dieser
Abgabe führen würde.
3. Das Äquivalenzprinzip steht einer innerstaatlichen
Regelung entgegen, nach der das Verfahren für auf das
Gemeinschaftsrecht gestützte Anträge auf Erstattung einer
gemeinschaftsrechtswidrig erhobenen Abgabe weniger günstig
gestaltet ist als für entsprechende Anträge, die auf bestimmte
innerstaatliche Bestimmungen gestützt sind. Es ist Sache des
nationalen Gerichts, aufgrund einer umfassenden Würdigung des
nationalen Rechts festzustellen, ob tatsächlich zum einen nur den
Klägern, die eine auf innerstaatliches Verfassungsrecht gestützte
Klage erheben, die Anlassfallwirkung zukommt und ob zum anderen
die Vorschriften über die Erstattung von für mit dem
innerstaatlichen Verfassungsrecht unvereinbar befundenen Abgaben
günstiger sind als diejenigen über die Erstattung von mit dem
Gemeinschaftsrecht für unvereinbar befundenen Abgaben.
4. Das Effektivitätsprinzip steht innerstaatlichen
Rechtsvorschriften oder einer innerstaatlichen Verwaltungspraxis
entgegen, die die Ausübung der durch die
Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte dadurch praktisch
unmöglich machen oder übermäßig erschweren, dass sie allein
aufgrund der Abwälzung der Abgabe auf Dritte eine Vermutung für
eine ungerechtfertigte Bereicherung aufstellen."
Der EuGH hat in seinem Urteil somit zunächst klargelegt
(RN 92), dass auch die rückwirkende Einführung einer derartigen
Bereicherungsbestimmung an sich keinen Verstoß gegen
Gemeinschaftsrecht darstellt, sofern die Maßnahme nicht spezifisch
die Abgabe betrifft, die Gegenstand eines Urteils des
Gerichtshofes gewesen ist. Dass die hier eingeführten
Rückzahlungssperren spezifisch die Getränkesteuer auf alkoholische
Getränke beträfe, wurde vom Verwaltungsgerichtshof schon im
Vorabentscheidungsersuchen verneint.
Voraussetzung der Rückzahlungssperre ist somit in Wien und in
der Steiermark bloß allgemein das Bestehen eines Guthabens, in
Kärnten, Niederösterreich, Salzburg und Vorarlberg das Vorliegen
eines rechtswidrigen Abgabengesetzes, in Burgenland und
Oberösterreich eine aus dem Grund gemeinschaftsrechtlicher oder
innerstaatlicher Vorschriften resultierende Verpflichtung zur
Änderung der Grundlage der Steuervorschreibung, in Tirol eine aus
europarechtlichen Gründen oder nach dem Ausspruch der
Rechtswidrigkeit einer innerstaatlichen Norm resultierende
entsprechende Verpflichtung. Keine dieser Vorschriften stellt
somit allein auf die Erstattung von Abgaben ab, deren Erhebung aus
gemeinschaftsrechtlichen Gründen rechtswidrig war, oder gar nur
auf die Getränkesteuer für alkoholische Getränke.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich nicht veranlasst, von
dieser Auffassung abzugehen. Auch wenn die Rückzahlungssperren aus
Anlass des EKW-Urteils eingeführt wurden, lassen sie nicht
erkennen, dass ihr Anwendungsbereich auf die Getränkesteuer
beschränkt wäre, wie dies von Arnold (Der EuGH zeigt die
Grenzen für die Rückzahlungssperreregelungen der Länder auf,
SWK 2003/S 744 ff) behauptet wird. Lang hat unter Hinweis
auf Anzeigenabgaben, Versteigerungsabgaben,
Fremdenverkehrsbeiträge und die Vergnügungssteuer mit
ausführlicher und überzeugender Begründung dargelegt (Die
landesabgabenrechtlichen Rückzahlungssperren im Lichte des
Getränkesteuer-Urteils des EuGH vom 2. Oktober 2003, C-147/01,
ÖStZ 2003, 462 ff, II 2.), dass die Rückzahlungssperren nicht
spezifisch für die Erstattung gemeinschaftsrechtswidrig erhobener
Abgaben maßgebend seien. Die von ihm aufgezeigten Beispiele ließen
sich wohl noch durch weitere Landes- und Gemeindeabgaben, die nach
dem MRG und dem WEG in die Betriebskosten einfließen und somit
überwälzt werden, ergänzen.
Weitere innerstaatliche Voraussetzung der Rückzahlungssperre
ist, dass die Abgabe, deren Rückzahlung begehrt wird, "auf andere
überwälzt" wurde (Tirol) oder "wirtschaftlich von anderen
getragen" wurde (übrige Bundesländer, wobei im Ergebnis ein
relevanter Unterschied zur Tiroler Rechtslage nicht besteht).
Aus den im Folgenden zitierten Ausführungen des EuGH (RN 94
bis 102) ergeben sich für die zitierten landesrechtlichen
Bestimmungen nachstehende Grundsätze:
"94. Von dieser Verpflichtung gibt es nach dieser
Rechtsprechung nur eine einzige Ausnahme. Ein Mitgliedstaat kann
einem Abgabepflichtigen die Erstattung einer
gemeinschaftsrechtswidrig erhobenen Abgabe versagen, wenn er
feststellt, dass die Abgabenlast in vollem Umfang von einem
anderen als dem Abgabepflichtigen getragen wurde und wenn die
Erstattung an den Abgabepflichtigen zu dessen ungerechtfertigter
Bereicherung führen würde. Folglich ist der Mitgliedstaat, wenn
die Abgabenlast nur teilweise abgewälzt worden ist, dazu
verpflichtet, den nicht abgewälzten Betrag zu erstatten
(vgl. u.a. Urteil Comateb u. a., Randnrn. 27 und 28).
95. Da es sich bei dieser Ausnahme um die Beschränkung eines
aus der Gemeinschaftsrechtsordnung abgeleiteten subjektiven Rechts
handelt, ist sie eng auszulegen; dabei ist namentlich zu
berücksichtigen, dass die Abwälzung einer Abgabe auf den
Verbraucher nicht unbedingt die wirtschaftlichen Auswirkungen der
Besteuerung beim Abgabepflichtigen aufhebt.
96. So hat der Gerichtshof in Randnummer 17 des Urteils
Bianco und Girard u.a. festgestellt, dass auch dann, wenn
indirekte Abgaben nach nationalem Recht auf den Endverbraucher
abgewälzt werden sollen und im Handel gewöhnlich auch ganz oder
zum Teil abgewälzt werden, nicht generell davon ausgegangen werden
kann, dass die Abgabe tatsächlich in jedem Falle abgewälzt wird.
Denn die tatsächliche völlige oder teilweise Abwälzung hängt bei
jedem Geschäftsvorgang von mehreren Faktoren ab, die ihn von
anderen Fallkonstellationen unterscheiden. Somit ist die Frage der
Abwälzung oder Nichtabwälzung einer indirekten Abgabe in jedem
Einzelfall eine Sachverhaltsfrage, die in die Zuständigkeit des
nationalen Gerichts fällt, das in der Würdigung der ihm
vorgelegten Beweise frei ist.
97. In Randnummer 20 des Urteils Bianco und Girard u.a. hat
der Gerichtshof ausgeführt, dass es von der Marktstruktur abhängt,
wie wahrscheinlich eine Abwälzung ist. Da sich die zahlreichen
Faktoren, die die kaufmännische Strategie bestimmen, von Fall zu
Fall ändern, ist es indessen praktisch unmöglich, ihren jeweiligen
tatsächlichen Einfluss auf die Abwälzung zu bestimmen.
98. Der Gerichtshof hat ferner entschieden, dass die
Erstattung von zu Unrecht erhobenen Abgaben selbst dann, wenn sie
nachweislich ganz oder teilweise auf Dritte abgewälzt wurden,
nicht unbedingt zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des
Abgabepflichtigen führt (vgl. Urteile Comateb u. a., Randnr. 29,
und vom 21. September 2000 in den Rechtssachen C-441/98 und C-
442/98, MichaIlidis, Slg. 2000, I-7145, Randnr. 34).
99. Selbst dann, wenn die Abgabe in vollem Umfang in den
Preis eingeflossen ist, könnte dem Abgabepflichtigen aus einem
Absatzrückgang ein wirtschaftlicher Schaden entstehen
(vgl. Urteile Comateb u. a., Randnr. 29, und MichaIlidis, Randnr.
35).
100. Vorliegen und Umfang der ungerechtfertigten
Bereicherung, zu der die Erstattung einer
gemeinschaftsrechtswidrig erhobenen Abgabe bei einem
Abgabepflichtigen führt, lassen sich daher erst nach einer
wirtschaftlichen Untersuchung feststellen, bei der alle
maßgeblichen Umstände berücksichtigt werden. 101. Dementsprechend
verbietet es das Gemeinschaftsrecht einem Mitgliedstaat, einem
Wirtschaftsteilnehmer die Erstattung einer
gemeinschaftsrechtswidrig erhobenen Abgabe allein mit der
Begründung zu verweigern, dass diese in den von diesem
Wirtschaftsteilnehmer geforderten Einzelhandelsverkaufspreis
eingeflossen und damit auf Dritte abgewälzt worden sei, so dass
die Erstattung der Abgabe zwangsläufig zu einer ungerechtfertigten
Bereicherung dieses Wirtschaftsteilnehmers führe.
102. Im Ergebnis stehen somit die gemeinschaftsrechtlichen
Regeln über die Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge einer
innerstaatlichen Regelung entgegen, die - was das nationale
Gericht zu prüfen hat - die Erstattung einer
gemeinschaftsrechtswidrigen Abgabe allein deshalb versagt, weil
diese auf Dritte abgewälzt worden ist, ohne dass der Umfang der
ungerechtfertigten Bereicherung des Wirtschaftsteilnehmers
festgestellt würde, zu der die Erstattung dieser Abgabe führen
würde."
Die unter RN 94 formulierte Anforderung, dass, wenn die
Abgabenlast nur teilweise abgewälzt worden ist, der Mitgliedstaat
dazu verpflichtet ist, den nicht abgewälzten Betrag zu erstatten,
wird von allen landesgesetzlichen Bestimmungen durch das jeweils
enthaltene Bindewort "insoweit" erfüllt.
Unerheblich für die Beurteilung des Vorliegens einer
Abwälzung ist der Umstand, dass alle Getränkesteuergesetze (außer
in Niederösterreich) die Getränkesteuer vom Entgelt als
Bemessungsgrundlage ausnehmen und somit die Abwälzung dieser
indirekten Abgabe vorsehen. Ebenso unerheblich ist es, wenn im
Handel gewöhnlich eine Abwälzung erfolgt, weil es auf die
tatsächliche (völlige oder teilweise) Abwälzung ankommt (RN 96).
Selbst dann, wenn die (völlige oder teilweise) Abwälzung im
Einzelfall feststeht, kann eine ungerechtfertigte Bereicherung nur
insofern bejaht werden, als sie nicht durch einen wirtschaftlichen
Schaden zufolge Absatzrückganges zunichte gemacht wurde (RN 98 bis
102). Daraus folgt jedenfalls, dass die Gesetzeswortlaute "auf
andere überwälzt" oder "wirtschaftlich von anderen getragen"
gemeinschaftsrechtskonform so zu interpretieren sind, dass eine
Bereicherung vorliegen muss, die einen allenfalls vorliegenden,
durch die Getränkesteuer verursachten Schaden übersteigt. Wie
Lang (Die landesabgabenrechtliche Rückzahlungssperren im
Lichte des Getränkesteuerurteils des EuGH vom 2. Oktober 2003,
C 147/01, ÖStZ 2003, 486 ff, Punkt IV 1.) richtig aufzeigt,
hindern die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem
Erkenntnis VfSlg. 16.022, Punkt 3.3., den Verwaltungsgerichtshof
nicht an einer solchen Interpretation, weil der
Verfassungsgerichtshof bloß verfassungsrechtliche Aspekte zu
berücksichtigen hatte, die dieses Verständnis der zitierten
Bestimmungen nicht erforderlich machten.
Schließlich müssen die Verfahren zur Erstattung der zu
Unrecht entrichteten Getränkesteuer sowohl dem Äquivalenzprinzip
wie auch dem Effektivitätsprinzip entsprechen.
Zum Äquivalenzprinzip:
"104. Das Äquivalenzprinzip verbietet den Mitgliedstaaten,
die Verfahren für auf das Gemeinschaftsrecht gestützte Anträge auf
Erstattung einer gemeinschaftsrechtswidrigen Abgabe weniger
günstig zu gestalten als für solche, die ausschließlich
innerstaatliches Recht betreffen.
105. Was des Näheren die WAO betrifft, so ergibt sich bereits
aus dem Wortlaut ihres § 185 eine Ausnahme für bestimmte auf
innerstaatliches Recht gestützte Anträge auf Erstattung
rechtsgrundlos gezahlter Beträge.
106. Nach § 185 Abs. 4 WAO ist § 185 Abs. 3 nämlich auf
Personen, denen die Anlassfallwirkung zukommt, nicht anzuwenden.
Diese Bestimmung regelt jedoch nicht die Modalitäten oder
Voraussetzungen von Klagen auf Erstattung einer Abgabe, die zu
Unrecht bei Klägern erhoben wurde, die sich auf einen
Präzedenzfall, nämlich ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs,
berufen können, mit dem eine innerstaatliche Abgabe für
verfassungswidrig erklärt wurde.
107. Das Äquivalenzprinzip steht der Anwendung
innerstaatlicher Bestimmungen, die es den Abgabepflichtigen
ermöglichen, die Erstattung einer zu Unrecht erhobenen Steuer zu
erwirken, nur dann entgegen, wenn sie für Erstattungsanträge, die
darauf gestützt sind, dass ein innerstaatliches Gericht eine
Verfassungswidrigkeit festgestellt hat, vorteilhaftere Bedingungen
vorsehen als für solche, mit denen im Anschluss an ein Urteil des
Gerichtshofes die Erstattung einer gemeinschaftsrechtswidrig
erhobenen Abgabe verlangt wird.
108. Da das Äquivalenzprinzip einer innerstaatlichen Regelung
entgegensteht, nach der das Verfahren für auf das
Gemeinschaftsrecht gestützte Anträge auf Erstattung einer
gemeinschaftsrechtswidrig erhobenen Abgabe weniger günstig
gestaltet ist als das für entsprechende Anträge, die auf bestimmte
innerstaatliche Bestimmungen gestützt sind, ist es im Ergebnis
Sache des nationalen Gerichts, aufgrund einer umfassenden
Würdigung des nationalen Rechts festzustellen, ob tatsächlich zum
einen nur den Klägern, die eine auf innerstaatliches
Verfassungsrecht gestützte Klage erheben, die Anlassfallwirkung
zukommt und ob zum anderen die Vorschriften über die Erstattung
von für mit dem innerstaatlichen Verfassungsrecht unvereinbar
befundenen Abgaben günstiger sind als diejenigen über die
Erstattung von mit dem Gemeinschaftsrecht für unvereinbar
befundenen Abgaben."

Es ist daher zu klären, inwieweit die
landesgesetzlichen Bestimmungen in Wien und in der Steiermark
("Abs. 3 ist nicht anzuwenden auf Abgabepflichtige, soweit ihnen
die Anlassfallwirkung für eine vom Verfassungsgerichtshof als
rechtswidrig erkannte Abgabenvorschrift zukommt"), in Salzburg,
Niederösterreich und Kärnten ("Die Bestimmung findet jedoch keine
Anwendung auf jene Personen, deren Beschwerden Anlass für das
Normprüfungsverfahren gewesen sind") sowie in Tirol ("Die
Anlassfälle im Sinne der Art. 139 Abs. 6 und 140 Abs. 7 B-VG
werden dadurch nicht berührt") eine Äquivalenzverletzung bewirkt
wird. Die nachfolgenden Erwägungen zur Wiener Rechtslage finden
nicht nur für die Steiermark, sondern auch für Tirol Anwendung,
weil auch dieser Gesetzeswortlaut keine andere Beurteilung erlaubt
(Lang, aaO, III 3.).
Für die Anwendung der Ausnahmebestimmung des § 185 Abs 4 WAO
ist entscheidend, dass dem Steuerpflichtigen die Anlassfallwirkung
für eine vom Verfassungsgerichtshof als rechtswidrig erkannte
Abgabenvorschrift zukommt. Das Gesetz bezieht sich damit auf
Art 140 Abs 7 Satz 2 B-VG, wonach das - wegen
Verfassungswidrigkeit aufgehobene - Gesetz auf die vor der
Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles
weiterhin anzuwenden ist, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht
in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht, bzw auf die
vergleichbare, die Aufhebung einer Verordnung betreffende
Bestimmung im Art 139 Abs 6 Satz 2 B-VG.
"Anlassfall" ist der Rechtsfall, der für den
Verfassungsgerichtshof den Anlass zur Einleitung des amtswegigen
Gesetzesprüfungsverfahrens oder (hier:) für den
Verwaltungsgerichtshof den Anlass zur Anfechtung der Norm gegeben
hat (vgl Ruppe, Der Anlassfall, in Holoubek/Lang,
Das verfassungsgerichtliche Verfahren in Steuersachen, 182).
Anlassfall ist also jede konkrete Rechtssache, somit ein Verfahren
hier insbesondere vor dem Verwaltungsgerichtshof oder einem
Unabhängigen Verwaltungssenat oder ein Verfahren vor dem
Verfassungsgerichtshof gemäß Art 144 Abs 1 B-VG, das tatsächlich
Anlass für die Einleitung des Normprüfungsverfahrens war (vgl das
hg Erkenntnis vom 19. Februar 1997, Zl 95/13/0046). Dem Anlassfall
gleichgehalten werden nach der Rechtsprechung des
Verfassungsgerichtshofes jene Rechtssachen, die zur Zeit des
Beginns der mündlichen Verhandlung oder der nichtöffentlichen
Beratung im Normprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof
anhängig ist (vgl zB VfSlg 14.132, 14.190 und 14.304 sowie das
hg Erkenntnis vom 29. März 1993, Zl 92/15/0066). Dies trifft auch
dann zu, wenn das Gesetzesprüfungsverfahren vom
Verfassungsgerichtshof nicht von Amts wegen eingeleitet, sondern
auf Grund eines Antrages etwa des Verwaltungsgerichtshofes oder
eines Unabhängigen Verwaltungssenates durchgeführt wurde
(VfSlg 15.213). Auch diese Fälle sind im Hinblick auf die zu
Grunde liegende Verfassungsrechtslage und die einheitlichen
Rechtsfolgen Anlassfälle (vgl Ruppe, aaO).
Aus Art 140 Abs 7 B-VG ergibt sich weiters, dass der
Verfassungsgerichtshof aussprechen kann, dass ein von ihm
aufgehobenes Gesetz - über den Anlassfall im engeren Sinn hinaus -
auch für frühere Sachverhalte nicht mehr anzuwenden ist. Der
Verfassungsgerichtshof kann also der Aufhebung Rückwirkung
beilegen. Die diesbezügliche Befugnis ist weder zeitlich noch
personell begrenzt (Ruppe, aaO). So sah sich der
Verfassungsgerichtshof im Falle des Erkenntnisses Slg 8.233 aus
dort näher ausgeführten Gründen veranlasst, die Anwendung des
aufgehobenen Gesetzes auf die vor der Aufhebung verwirklichten
Tatbestände auszuschließen. Mit dem Erkenntnis des
Verfassungsgerichtshofes Slg. 11.918 wurde die Anlassfallwirkung
auch auf beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Beschwerdesachen
ausgedehnt, "um solcherart eine klare und den Interessen der
Beschwerdeführer entsprechende Rechtslage zu bewirken". Im Falle
des Erkenntnisses Slg. 11.190 wurde die Anlassfallwirkung darüber
hinaus auch auf die Rechtssachen ausgedehnt, in denen zu einem
bestimmten Stichtag bei den Abgabenbehörden Berufungsverfahren
anhängig waren. Mit dem Erkenntnis zur Mindestkörperschaftsteuer
Slg. 14.723, wurde schließlich die Wirkung der Aufhebung auch auf
bereits rechtkräftig entschiedene Fälle ausgedehnt.
Die Frage, ob ein mit einem Individualantrag iS des Art 139
Abs 1 letzter Satz B-VG bzw Art 140 Abs 1 letzter Satz B-VG
initiiertes Normprüfungsverfahren für den Antragsteller eine
Anlassfallwirkung auslöst, wurde in der Rechtsprechung zunächst
unterschiedlich gelöst (vgl Stanger, Anlassfallwirkung für
Individualantragsteller, ZfV 1990, 282 mwH.; Ruppe, aaO).
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes löst ein
solcher Individualantrag keine Anlassfallwirkung aus (VfSlg 16.145
und 16.022; ebenso Mayer, B-VG3, 441; Lang aaO,
III 3.). Dieser Auffassung ist zu folgen.
Auf den Anlassfall wirkt die Aufhebung stets zurück. Der
Anlassfall ist auf Grund der bereinigten Rechtslage zu entscheiden
(zB VfSlg 13.899). Ist der Anlassfall eine Beschwerde nach Art 144
B-VG, so wird der angefochtene Bescheid vom Verfassungsgerichtshof
idR aufgehoben (vgl Öhlinger, Verfassungsrecht2, 358).
Die Regelungen des Art 139 Abs 6 und Art 140 Abs 7 B-VG
begünstigen also meist die Partei des "Anlassverfahrens"; sie
können ihr jedoch in verschiedenen Situationen - wenn sie durch
die aufgehobene Norm begünstigt wurde - auch zum unabwendbaren
Nachteil gereichen (vgl Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht8,
Rz 1170, mwH). Es gibt somit auch Anlassfälle, in denen es zu
einer Abweisung oder zur Zurückweisung der Beschwerde kommt
(vgl Öhlinger, aaO, und die dort wiedergegebenen Beispiele).
Hat etwa die belangte Behörde im Anlassfall die aufgehobenen
begünstigenden Bestimmungen nicht angewendet und ermöglicht die
bereinigte Rechtslage keine andere Entscheidung, ist es
ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen
Bescheid in seinen Rechten verletzt wurde. Die Beschwerde ist
daher in einem solchen Fall abzuweisen (VfSlg 13.899). Handelt es
sich bei der aufgehobenen abgabenrechtlichen Norm um eine von der
belangten Behörde insofern angewendete Begünstigungsbestimmung,
als der beschwerdeführenden Partei die Begünstigung nicht gewährt
worden ist, so wirkt sich die Aufhebung dieser im Beschwerdefall
präjudiziellen Gesetzesbestimmung auf die Steuervorschreibung
gegenüber dem Beschwerdeführer nicht - wohl aber wegen des
Erfolges der Aufhebung auf den Kostenzuspruch - aus
(vgl. VfSlg. 14.870).
Daraus ergibt sich für die hier zu beurteilende Frage:
Stellt der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die
Gemeinschaftsrechtswidrigkeit einer nationalen Regelung in einem
Vorabentscheidungsurteil fest, so hat das Urteil generell
rückwirkende Kraft. Die Gerichte und Behörde haben so vorzugehen,
als wäre die gemeinschaftsrechtswidrige nationale Regelung nie
anzuwenden gewesen (vgl Lang, aaO, III 3.). In diesem Sinne
wurde im EKW-Urteil im Spruchpunkt 3. ausdrücklich die
Einschränkung der Rückwirkung dieses Urteils ausgesprochen.
Demgegenüber wirkt die Entscheidung des
Verfassungsgerichtshofes betreffend die Aufhebung eines Gesetzes
oder einer Verordnung grundsätzlich für die Zukunft, wobei der
Verfassungsgerichtshof für das Außer-Kraft-Treten der Norm darüber
hinaus noch eine Frist von höchstens zwei Jahren setzen kann. Eine
Rückwirkung tritt als Ausnahme von diesem Grundsatz nur für den
Anlassfall im oben dargestellten Sinne ein. Diese Ausnahme kommt
in den Fällen einer Regierungsanfechtung oder einer Anfechtung
durch Abgeordnete, die keines Anlassfalles bedürfen
(vgl Mayer, B-VG3, 438), oder wie oben aufgezeigt in den
Fällen einer Individualanfechtung nicht in Betracht. Als weitere
Ausnahme kann der Verfassungsgerichtshof aussprechen, dass das
Gesetz oder die Verordnung auf die vor der Aufhebung
verwirklichten Tatbestände nicht weiter anzuwenden ist. Dass es
sich dabei tatsächlich um eine Ausnahme von der Regel handelt,
zeigt auch die oben dargestellte Handhabung der entsprechenden
Bestimmungen durch den Verfassungsgerichtshof, der davon nur aus
besonderen Gründen Gebrauch macht.
Aus den dargestellten Umständen folgt aber, dass das
Gemeinschaftsrecht und das innerstaatliche Recht der Republik
Österreich von zwei völlig unterschiedlichen Auffassungen über die
Wirkung höchstgerichtlicher Entscheidungen ausgehen. Im
innerstaatlichen Verfahren stellt die Rückwirkung einer
normaufhebenden höchstgerichtlichen Entscheidung den Ausnahmefall
dar, im EuGH-Verfahren ist sie der Regelfall (vgl Ehrke,
EuGH zur Rückzahlungssperre in der WAO, in: Rechts- und
Finanzierungspraxis der Gemeinden (RFG), 2003/04, 158 ff, C.2.b,
in Druck).
Diesem Umstand hat auch die Praxis des
Verwaltungsgerichtshofes Rechnung getragen: In den Fällen, in
denen beim Verfassungsgerichtshof ein Normprüfungsverfahren
anhängig ist, werden (weitere) Beschwerden, in denen die geprüfte
Norm präjudiziell ist, ebenfalls dem Verfassungsgerichtshof
vorgelegt, um den Beschwerdeführern eine allfällige
"Ergreiferprämie" zu sichern. Hingegen werden dem EuGH vom
Verwaltungsgerichtshof - wie insbesondere in der gegenständlichen
Getränkesteuerangelegenheit - nur einzelne Fälle zur
Vorabentscheidung vorgelegt. Dass die Fälle, die dem EuGH nicht
vorgelegt werden, anders behandelt werden als die vorgelegten
Fälle, erscheint dabei ausgeschlossen.
Im gegebenem Zusammenhang ist auch auf das zitierte
Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 16.022, 3.7.,
hinzuweisen, wonach nicht zwischen "Europarechts-Fällen" und
innerstaatlichen Fällen unterschieden wird, weil die
Anlassfallwirkung nicht für alle Verfahren vor dem
Verfassungsgerichtshof gilt. Weiters geht aus diesem Erkenntnis
hervor, dass auch eine Gemeinschaftsrechtswidrigkeit einer Norm zu
ihrer Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof führen kann,
sodass auch "Europarechts-Fälle" von der Privilegierung der
Anlassfallwirkung erfasst sein können.
Während es in Fällen einer Gemeinschaftsrechtswidrigkeit auf
Grund der Rückwirkung des EuGH-Urteils im Regelfall zu
Rückerstattungsansprüchen kommt, kommt es bei Verstößen von
generellen Normen gegen verfassungsrechtliche Vorgaben idR zu
keinen solchen Ansprüchen, weil die Rückwirkung auf die Ausnahme
der Anlassfälle beschränkt ist. Dabei kann wie ausgeführt die
Anlassfallwirkung auch zu einem unabwendbaren Nachteil für den
Beschwerdeführer führen (Lang, aaO).
Aus all dem folgt aber, dass es sich beim innerstaatlichen
Verfahren einerseits und beim EuGH-Verfahren andererseits um keine
miteinander vergleichbare Verfahren handelt. Damit sind aber die
Voraussetzungen für die Anwendung des Äquivalenzgrundsatzes im
Beschwerdefall nicht gegeben (vgl Ehrke, aaO). Durch § 185
Abs 4 WAO wird eine Äquivalenzverletzung nicht bewirkt.
Aufgrund dieses Ergebnisses erübrigt sich ein Eingehen auf
die Frage, ob durch den bloßen Verweis auf ein
"Normprüfungsverfahren" in den Bestimmungen in Salzburg,
Niederösterreich und Kärnten eine andere Beurteilung geboten ist;
wenn schon durch die oben beurteilten landesgesetzlichen
Bestimmungen eine Äquivalenzverletzung nicht zu bejahen ist, muss
dies um so mehr für den breiteren Tatbestand in den drei zuletzt
genannten Ländern gelten.
Zum Effektivitätsprinzip:
"109. Was die Beachtung des Effektivitätsprinzips angeht, so
hat ein Wirtschaftsteilnehmer, der eine zu Unrecht erhobene Abgabe
entrichtet hat, grundsätzlich Anspruch auf deren Erstattung
(vgl. u.a. Urteil Comateb u. a., Randnr. 20). Die Abgabenbehörde
darf die Erstattung einer solchen Abgabe nur dann verweigern, wenn
die Erstattung zu einer ungerechtfertigten Bereicherung bei diesem
Wirtschaftsteilnehmer führen würde.
110. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes geht klar
hervor (vgl. u.a. Urteile San Giorgio, Randnr. 14, Dilexport,
Randnrn. 48, 52 und 54, und MichaIlidis, Randnrn. 36 und 37), dass
sich die Verwaltung hierbei nicht auf den Nachweis der Abwälzung
dieser Abgabe auf Dritte beschränken und allein aufgrund dessen
oder aufgrund des Umstands, dass nationales Recht die Einbeziehung
dieser Abgabe in den für die Verbraucher geltenden Verkaufspreis
vorschreibt, vermuten darf, dass die wirtschaftliche Belastung,
die diese Abgabe für den Abgabepflichtigen bedeutet, ausgeglichen
ist und folglich eine Erstattung ohne weiteres zu dessen
ungerechtfertigter Bereicherung führen würde.
111. Außerdem wäre nach gleichfalls ständiger Rechtsprechung
des Gerichtshofes nationales Recht, das dem Abgabepflichtigen die
Beweislast dafür auferlegen würde, dass die Abgabe nicht auf
Dritte abgewälzt wurde, was einen negativen Beweis erfordern
würde, oder das eine Vermutung für die Abwälzung der Abgabe auf
Dritte aufstellte, mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar
(vgl. u.a. Urteile San Giorgio, Randnr. 14, Dilexport, Randnr. 54,
und MichaIlidis, Randnrn. 36 bis 38).
112. Dem vorlegenden Gericht zufolge enthält die WAO keine
spezifische Beweislastregel zur Frage, ob der Abgabepflichtige die
Abgabe auf Dritte abgewälzt hat und die Erstattung der zu Unrecht
erhobenen Abgabe zu dessen ungerechtfertigter Bereicherung führen
würde.
113. Die Abgabenberufungskommission und die österreichische
Regierung tragen zwar vor, dass die Beweislast in vollem Umfang
bei der innerstaatlichen Behörde liege. Aus dem Vorlagebeschluss
geht aber auch hervor, dass die Abgabenberufungskommission zu dem
Ergebnis gelangt ist, dass die Steuer auf alkoholische Getränke
schlicht deswegen, weil der den Verbrauchern dieser Getränke in
Rechnung gestellte Preis diese Abgabe umfasste, wirtschaftlich
nicht von den Beschwerdeführern getragen worden sei. Das könnte
eine Vermutung für die Abwälzung dieser Abgabe auf Dritte und für
eine ungerechtfertigte Bereicherung der Abgabepflichtigen
darstellen, die die Erstattung der zu Unrecht erhobenen Abgabe
unmöglich machen oder zumindest übermäßig erschweren könnte und
damit gemeinschaftsrechtswidrig wäre.
114. Es ist Sache des innerstaatlichen Gerichts,
festzustellen, ob mangels gesetzlicher Vermutung die
Verwaltungspraxis eine solche Vermutung für eine ungerechtfertigte
Bereicherung geschaffen hat.
115. Da es sich um eine Selbstbemessungsabgabe handelt, kann
ein Nachweis der tatsächlichen Abwälzung auf Dritte nicht ohne die
Mitwirkung des betroffenen Abgabepflichtigen geführt werden. Die
Abgabenbehörde kann daher Zugang zu den Belegen verlangen, zu
deren Aufbewahrung der Abgabenpflichtige nach innerstaatlichem
Recht verpflichtet ist.
116. Es ist ferner Sache des vorlegenden Gerichts,
festzustellen, ob die Pflicht des Abgabepflichtigen, an dem
Nachweis mitzuwirken, dass die wirtschaftliche Belastung durch die
Steuer auf alkoholische Getränke nicht abgewälzt worden ist, in
der Praxis einer Vermutung für die Abwälzung dieser Abgabe
gleichkommt, die der Abgabepflichtige nur durch Erbringung des
Gegenbeweises widerlegen kann.
117. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass das
Effektivitätsprinzip, auf das in Randnummer 103 des vorliegenden
Urteils Bezug genommen wird, innerstaatlichen Rechtsvorschriften
oder einer innerstaatlichen Verwaltungspraxis entgegensteht, die
die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen
Rechte dadurch praktisch unmöglich machen oder übermäßig
erschweren, dass sie allein aufgrund der Abwälzung der Abgabe auf
Dritte eine Vermutung für eine ungerechtfertigte Bereicherung
aufstellen."
Die Ausgestaltung der für Erstattungsanträge geltenden
Verfahren ist Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der
einzelnen Staaten, sofern diese Verfahren die Ausübung der von der
Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch
unmöglich machen oder übermäßig erschweren.
Eine derartige Erschwerung ist bei keinem der in den
Landesabgabenordnungen geregelten Verfahren zu erwarten, zumal
stets ausdrücklich die amtswegige Beweisaufnahme vorgesehen ist.
Insbesondere schließt die jeweilige Anordnung, dass amtsbekannte
Umstände auch zugunsten des Abgabepflichtigen zu prüfen seien,
eine Auferlegung der Beweislast an den Abgabepflichtigen aus. Ein
den gesetzlichen Anforderungen entsprechendes Beweisverfahren
gewährleistet, dass nicht von einer vermuteten Überwälzung oder
gar Bereicherung ausgegangen werden kann, deren Nichtvorliegen der
Abgabepflichtige beweisen müsste. Der EuGH hat unter RN 113
ausdrücklich dargelegt, dass eine Verwaltungspraxis, nach der
allein deshalb eine Abwälzung vermutet wurde, weil der den
Verbrauchern dieser Getränke in Rechnung gestellte Preis die
Abgabe umfasste, die Geltendmachung des Rückzahlungsanspruches
zumindest übermäßig erschwert.
Diesen Erwägungen folgend kann aus den Aktivitäten einzelner
Anbieter, die nach dem 9. März 2000 ihre Preisreduktionen um den
Betrag der Getränkesteuer massiv beworben haben, nicht zwingend
auf eine Abwälzung geschlossen werden; zumal sich eine solche
Aktivität ohne weiteres als bloße Werbemaßnahme erklären lässt.
Der EuGH hat weiters betont, dass bei der gegenständlichen
Selbstbemessungsabgabe ein Nachweis der tatsächlichen Abwälzung
nicht ohne die Mitwirkung des Abgabepflichtigen geführt werden
kann. Diese Mitwirkungspflicht darf nicht derart überspannt
werden, dass sie eine nur durch einen Gegenbeweis zu
entkräftigende Vermutung entstehen lässt (RNr. 116).
Eine Mitwirkungspflicht besteht jedenfalls insoferne, als der
Abgabepflichtige der Behörde Zugang zu den Belegen gewähren muss,
zu deren Aufbewahrung er verpflichtet ist. Sämtliche
Landesabgabenordnungen sehen in Übereinstimmung mit § 132
Abs. 1 BAO eine siebenjährige Aufbewahrungsfrist vor. Die
Befürchtungen von Ehrke (aaO C 3. c), dass sämtliche
Unterlagen, zu deren Aufbewahrung die Abgabepflichtigen
verpflichtet waren, aus den Jahren 1995 und 1996 trotz des im
Jahr 2003 noch anhängigen Rechtsmittelverfahrens vernichtet werden
dürfen, erscheint aber unbegründet: Es ist zwar richtig, dass
außer in § 102 LAO Kärnten in den übrigen Landesabgabenordnungen
die in § 132 Abs. 1 BAO enthaltene Wendung "als sie für die
Abgabenerhebung betreffende anhängige Verfahren von Bedeutung
sind" nicht aufscheint. Diese Fassung des § 132 Abs. 1 BAO besteht
seit dem BGBl. I Nr. 28/1999; schon zur früheren Fassung des § 132
Abs. 1 BAO, der die zitierte Wendung nicht enthielt, hat der
Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass ein Steuerpflichtiger,
der Belege im laufenden Verfahren vernichtet, obwohl der weiß,
dass diese Belege noch benötigt werden, sich nicht auf den Ablauf
der Aufbewahrungsfrist berufen kann (hg. Erkenntnis vom
24. November 1998, Zl. 97/14/0152). Da es hier nur um Verfahren
geht, die frühestens Zeiträume seit 1995 betreffen und vor dem
9. März 2000 eingeleitet wurden, kann sich der Abgabepflichtige
seiner Pflicht nicht dadurch entledigen, dass er Belege aus dem
Rückzahlungszeitraum nicht mehr aufbewahren müsse.
Das Bedenken des Generalanwalts Jacobs in seinem
Schlussantrag (RN 72), die rückwirkende Einführung eines
Nachweiserfordernisses, das zu einer Zeit, als die Beweismittel
hätten erlangt werden können, nicht bestand, würde es einem
Wirtschaftsteilnehmer unmöglich machen oder übermäßig erschweren,
eine Erstattung zu erhalten, wurde vom EuGH in seinem Urteil nicht
geteilt. Zum Zeitpunkt der Einführung der landesgesetzlichen
Bereicherungsbestimmungen war die siebenjährige
Aufbewahrungspflicht jedenfalls noch offen.
In diesem Zusammenhang muss festgehalten werden, dass es hier
nicht um Fälle erhöhter Mitwirkungspflicht bei abgabenrechtlichen
Begünstigungen (siehe beispielsweise hg. Erkenntnis vom
1. September 1999, Zl. 98/16/0232) geht, wie Ehrke a.a.O.
richtig aufzeigt. Die Rückzahlungssperren sind gesonderte
materiell-rechtliche Tatbestände, die das Recht des
Abgabengläubigers beinhalten, eine zu Unrecht erhobene Abgabe
unter bestimmten Voraussetzungen zu behalten; solche Ansprüche des
Abgabengläubigers sind so zu behandeln, wie jene Tatbestände, die
das Recht schaffen, überhaupt eine Abgabe zu erheben.
Die im ersten Verfahrensabschnitt zu klärende Frage der
Überwälzung wird nach diesen Grundsätzen vorrangig anhand der
persönlichen Umstände des Abgabepflichtigen zu lösen sein. Schon
aus der grundsätzlichen Unbegrenztheit der heranzuziehenden
Beweismittel kann es aber auch dem Abgabengläubiger nicht verwehrt
sein, auf makroökonomische Analysen zu verweisen. Diesen Weg hat
auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis
VfSlg. 16.022, Punkt 3.5. aufgezeigt; Lang verweist zu
Recht darauf (a.a.O. IV.3.), dass der EuGH dies nicht
ausgeschlossen hat. Zu fordern ist aber jedenfalls, dass eine aus
solchen Analysen abgeleitete Vermutung auf Erfahrungssätzen
aufbaut; beispielhaft erwähnt sei hier - unvorgreiflich der
behördlichen Beweiswürdigung - das Gutachten von
Lehner/Brandner/Kratena/Smeral/Wüger "Überwälzung der
Getränkesteuer", November 2000 (Wifo-Gutachten). Dort wird
allerdings schon in den Vorbemerkungen betont, dass die Studie nur
allgemeine Feststellungen über die Überwälzungsmöglichkeit der
Getränkesteuer liefert und keine Aussagen über die
einzelbetrieblichen Überwälzungen tätigen kann. Dieses Gutachten
gelangt in seinen Schlussfolgerungen zum Ergebnis, dass "die
Überwälzung der Getränkesteuer bisher in hohem Ausmaß gelungen
sein dürfte". Allerdings wird auch dort darauf verwiesen, dass
sich die Ergebnisse der Studie nicht unmittelbar auf
Einzelbetriebe umlegen lassen und es dazu genauer Daten über die
Zusammensetzung des Getränkeumsatzes nach Produktarten bedürfe,
weil die Rohaufschläge je nach Getränkeart stark voneinander
abwichen.
Winner (Getränkesteuererstattung und Bereicherung: Zur
empirischen Bestimmung der Steuerüberwälzung, ÖStZ. 2001/5) zeigt
auf, dass auch mit der gesicherten Annahme, die Steuerüberwälzung
hänge von den Angebots- und Nachfrageelastizitäten der Güter und
Leistungen ab, die Frage nach der Steuerüberwälzung der
Getränkesteuer nicht gelöst sei. Die Angebots- und
Nachfrageelastizitäten differierten je nach Getränkeart,
Gewerbetyp (Hotel- und Gastgewerbe oder Einzelhandel), Region,
Besteuerungszeitpunkt (Hoch- oder Nebensaison; Winter- oder
Sommertourismus) und schließlich je nach einzelbetrieblichen
Merkmalen (z.B. örtliche Lage, Zusatzangebote etc.). Auch
Lang verweist a.a.O. darauf, dass makroökonomische Analysen
dann im Ermittlungsverfahren eine Rolle spielen können, wenn sie
Aufschlüsse über Überwälzungswahrscheinlichkeiten nach
Getränkearten, Branchen, Regionen, Betriebstypen, Kundenstrukturen
etc. geben.
Aus all dem folgt, dass solche Analysen umso eher als
Beweismittel geeignet sind, je detaillierter sie die einzelnen
Fallgruppen behandeln.
Wesentliche Beweismittel werden - wenn der Abgabepflichtige
seiner Mitwirkungspflicht nachkommt -, dessen
Kalkulationsunterlagen (vgl. N. Arnold, Getränkesteuer:
Rückzahlungssperre gemeinschaftswidrig?, ecolex 2003, 884) und
tatsächlich bezahlten Endverbraucherpreise sein. Derartige
Kalkulationsunterlagen müssen, um die Überwälzungsfrage eindeutig
zu klären, möglichst das gesamte Warenangebot an alkoholischen
Getränken und den gesamten Rückzahlungszeitraum betreffen, um
auszuschalten, dass kurzfristige Preisreduktionen (Aktionen) oder
ein einzelnes Produkt mit besonders geringem Rohaufschlag das
Ergebnis verzerrt. Anhand solcher Kalkulationsunterlagen wird sich
der Rohaufschlag ermitteln lassen, dessen Abweichung von
durchschnittlichen Rohaufschlägen, wie im WIFO-Gutachten
dargestellt, ein Gradmesser für die Überwälzung sein kann.
Während die Höhe durchschnittlicher Rohaufschläge,
differenziert nach den oben aufgezeigten Kriterien, und deren
Auswirkungen auf die Bemessung der Überwälzung durch
makroökonomische Analysen klärbar sein wird, bedarf es
hinsichtlich behaupteter Abweichungen davon neben den
Kalkulationsunterlagen auch anderer Beweismittel, vorzugsweise der
Parteienvernehmung, allenfalls auch Stellungnahmen von
Fremdenverkehrsverbänden oder von Verbraucherschutzorganisationen
bezüglich der tatsächlich verlangten Preise.
Lässt sich so eine Überwälzung ziffernmäßig bestimmt
feststellen, so ist in einem weiteren Schritt die Feststellung
erforderlich, inwieweit die Getränkesteuer allenfalls zu einem
Absatz- und Gewinnrückgang geführt hat. Dabei ist sinnvoller Weise
nicht auf den Zeitpunkt der Einführung der Getränkesteuer
abzustellen (auf Grund des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948),
sondern auf den 1. Jänner 1995. Bei einer Übereinstimmung mit dem
Gemeinschaftsrecht hätte zu diesem Zeitpunkt die Getränkesteuer
auf alkoholische Getränke abgeschafft werden müssen, weshalb zu
untersuchen ist, inwieweit sich eine fiktive Abschaffung der
Steuer und vollständige Weitergabe an den Verbraucher auch noch im
Rückzahlungszeitraum auf den Absatz ausgewirkt hätte; bei einer
teilweisen Überwälzung muss von einer teilweisen Weitergabe
ausgegangen werden. Zu diesem Zweck wird es wohl gleichfalls
unerlässlich sein, zunächst makroökonomische, branchenspezifische
Analysen über das Verbraucherverhalten bei Preissenkungen und die
Nachhaltigkeit dieses Verhaltens einzuholen. Der Abgabepflichtige
wird - allenfalls unter Heranziehung seiner
Umsatzsteuererklärungen - darzulegen haben, wie stimulierend bei
ihm vorgenommene Dauer-Preissenkungen auf den Umsatz gewirkt
haben. Anhand dieser Ergebnisse wird die Behörde in der Lage sein,
Rückschlüsse auf die tatsächlich eingetretene Bereicherung zu
gewinnen.
Bezüglich beider Beweisthemen ist für den Fall, dass trotz
Heranziehung aller zur Verfügung stehenden Beweismittel eine
ziffernmäßige Berechnung des Rückerstattungsanspruches nicht
möglich ist, die in sämtlichen Landesabgabenordnungen vorgesehene
Schätzung als ultima ratio in Betracht zu ziehen. Lang legt
aaO, IV.3., überzeugend dar, dass der Schätzung, wenn sie allen
gesetzlichen Anforderungen entspricht, keine
gemeinschaftsrechtlichen Bedenken entgegenstehen. Der EuGH hat in
seinem Urteil (RN 97) betont, dass sich die zahlreichen Faktoren,
die die kaufmännische Strategie bestimmen, von Fall zu Fall
ändern, sodass es praktisch unmöglich sei, ihren jeweiligen
tatsächlichen Einfluss auf die Abwälzung zu bestimmen. Zur
Erfüllung der die Behörde trotz dieser Schwierigkeiten treffenden
Entscheidungspflicht wird somit möglicherweise im Einzelfall auch
die Ausschöpfung der Schätzungsbefugnis erforderlich sein, dies
allerdings unter strikter Wahrung des rechtlichen Gehörs (siehe
Stoll, BAO-Kommentar, 1945) und der die Behörde in diesem
Zusammenhang treffenden Begründungspflicht (vgl Ritz, BAO-
Kommentar2,. RZ 21 zu § 184; hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1995,
Zl. 95/16/0047).
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde den beschriebenen
Anforderungen an einen effektiven Rechtsschutz auf Grund der
Rechtsauffassung der belangten Behörde nicht entsprochen, weshalb
der Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die
§§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II
Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2.
Wien, am 4. Dezember 2003

RIS-Dokumentnummer: JWT/2003160148/20031204X00