StGN 3/4/2011, 7 ff
Robert Koch
E-Government: Wirksame Bekanntgabe abgabenrechtlicher
Erledigungen bei Landes- und Gemeindeabgaben
Die elektronische Zustellung nach der Bundesabgabenordnung
(BAO)
Allgemeine Anforderungen an „Erledigungen“
Erledigungen
der Abgabenbehörde werden durch deren Bekanntgabe gegenüber dem Empfänger
wirksam, was bei mündlichen Erledigungen durch deren Verkündung und – wegen
der ungleich höheren Häufigkeit weitaus praxisrelevanter – bei schriftlichen
Erledigungen durch Zustellung zu erfolgen hat (§ 97 Abs. 1 Bundesabgabenordnung
– BAO, BGBl. Nr. 194/1961 in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2010).
Abgabenrechtlich bedeutsame Erledigungen sind außerdem als (grundsätzlich
schriftliche) Bescheide zu erlassen (§ 92 Abs. 1 BAO).
Welche inhaltlichen und formalen Bedingungen Erledigungen der Abgabenbehörde
im Allgemeinen und Bescheide im Besonderen zu erfüllen und wann sie schriftlich
zu ergehen haben, ist nicht Thema dieser Untersuchung, weswegen an dieser
Stelle allgemein auf die §§ 91 bis 96 BAO verwiesen werden darf. Für
einige bestimmte Arten von Bescheiden gelten außerdem weitere zusätzliche
Anforderungen (z. B. § 198 Abs. 2 BAO für Abgabenbescheide).
Eine von der Anzahl der Ausfertigungen und von ihrer Auswirkung her äußerst
bedeutsame Form der abgabenbehördlichen Erledigung stellt die (über Art, Höhe
und Zeitpunkt der Zahlungsverpflichtung unterrichtende) Lastschriftanzeige
dar, welche natürlich schriftlich zu ergehen hat. Nachdem die BAO nur subsidiär
gilt, sind sich aus dem materiellrechtlichen Zusammenhang ergebende besondere
(allenfalls auch abweichende) Verfahrensvorschriften mit Anwendungsvorrang
anzuwenden.
Zustellung schriftlicher Erledigungen
Wie bereits erwähnt werden schriftliche Erledigungen durch deren Zustellung als besondere Form der Bekanntgabe wirksam, welche sich nach dem Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, zu richten hat, soweit nicht die BAO besondere Regelungen vorsieht.
Bisheriger Standard: Zustellung schriftlicher Erledigungen auf dem Postwege
Gewöhnliche abgabenrechtliche Erledigungen – wie etwa vierteljährliche „Massen-“Lastschriftanzeigen bezüglich laufender liegenschaftsbezogener Abgaben – werden aus Kostengründen wohl als einfache Postsendungen versendet. Aus § 102a BAO ergibt sich für den Bereich der Landes- und Gemeindeabgaben aus rein verfahrensrechtlicher Sicht, dass ein Zustellnachweis formalrechtlich nie (!) erforderlich ist – nicht einmal beim Vorliegen „wichtiger“ oder „besonders wichtiger“ Gründe (außer eine materiellrechtliche Regelung würde anderes vorsehen). In der Praxis wird jedoch die Abgabenbehörde in bestimmten Einzelfällen, wo es Beweisschwierigkeiten zu vermeiden gilt (etwa bei absehbaren Rechtsmittelverfahren, zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit üblicherweise „knapp“ eingereichter Rechtsmittel, bei wiederholt „am Postweg in Verlust geratenden“ Erledigungen usw), von Vornherein anders vorgehen und diesem Umstand mit „freiwilligem“ Zustellnachweis vorbeugen. In diesem Zusammenhang ist auf die gesetzliche Vermutung in § 26 Abs. 2 erster und zweiter Satz Zustellgesetz – ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2010, hinzuweisen, wonach die Zustellung zwar grundsätzlich am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan als bewirkt gilt, im Zweifel aber die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen hat. Konnte jedoch der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle vom Zustellvorgang nicht rechtzeitig Kenntnis erlangen, gilt die Zustellung erst am Tag nach der Rückkehr an die Abgabestelle als wirksam vorgenommen (§ 26 Abs. 2 dritter Satz ZustG).
Vorbemerkung zu „anderen“ Zustellungsformen schriftlicher Erledigungen
Nach der BAO sind Abgabenbehörden
nie verpflichtet, schriftliche Erledigungen elektronisch zuzustellen.
Es besteht bloß unter den nachfolgend beschriebenen Voraussetzungen die in
der Praxis teilweise sicher Kosten sparende und/oder verwaltungsökonomische
Möglichkeit, elektronisch zuzustellen.
Entschließt sich die Behörde zur elektronischen Zustellung, hat sie die diesbezüglichen
Bestimmungen des ZustG, insbesondere des 3. Abschnittes, einzuhalten.
Elektronische Zustellungsformen ohne ausdrückliche Zustimmung der Partei
Die Abgabenbehörde darf innerhalb von zwei Werktagen nach Einlangen eines Anbringens im Weg automationsunterstützter Datenübertragung oder einer anderen technischen Form ihre Erledigung in derselben Art übermitteln – ausgenommen die Partei hat dieser Übermittlungsart gegenüber der Behörde ausdrücklich widersprochen (§ 97a Z. 2 BAO).
Elektronische Zustellungsformen mit ausdrücklicher Zustimmung der Partei
Schriftliche Erledigungen
dürfen – wenn die Partei zuvor einer bestimmten Übermittlungsart ausdrücklich
zugestimmt hat – gemäß § 97a Z. 1 BAO auch im Wege automationsunterstützter
Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise übermittelt
werden, wobei der Empfänger mit der vorgenannten Zustimmung bereits ex lege
auch die Verantwortung für die Datensicherheit des mitgeteilten Inhalts der
Erledigung im Sinne des Datenschutzgesetzes 2000 übernimmt. Es empfiehlt
sich, die vorerwähnte Zustimmung seitens der Partei schriftlich beibringen
zu lassen (bzw. niederschriftlich festzuhalten), um behaupteten Zustellmängeln
von Vornherein den Wind aus den Segeln zu nehmen. In Frage kämen hier beispielsweise
Zustellungen im Wege der Telefaxsendung, der E-Mail oder im Wege der Übergabe
eines geeigneten Datenträgers (§ 97a Z. 1 BAO).
Weiters gilt die erforderliche Zustimmung als gegeben bzw. als erteilt, wenn
sich der Empfänger bei einem Zustelldienst oder beim elektronischen Kommunikationssystem
der Behörde registriert hat. Wenn sich ein Empfänger für die Zustellung über
das elektronische Kommunikationssystem der Behörde „registriert“ (Anmerkung:
dies ist kein gesetzlicher Begriff), sollte er bei diesem Anmeldevorgang ausdrücklich
und dokumentiert auf die Inhalte und Rechtsfolgen des § 37 Abs. 1 ZustG
(soweit sie die Zustellung über das elektronische Kommunikationssystem der
Behörde und nicht die Zustellungen an einer elektronischen Zustelladresse
betreffen) hingewiesen werden; insbesondere, dass in weiterer Folge eine Zustellung
über das elektronische Kommunikationssystem der Behörde als am dritten Werktag
nach dem erstmaligen Bereithalten (!) des Dokuments als bewirkt gilt.
BAO-Rahmenbedingungen für elektronische Zustellungen
Für Zustellungen nach
der BAO gilt das ZustG (§ 98 BAO). Für Landes-
und Gemeindeabgaben gilt für Zustellungen auch der 3. Abschnitt des Zustellgesetzes
(elektronische Zustellung) – und zwar seit 31. 12. 2010 durch das
Inkrafttreten des neu eingefügten § 98a BAO.
§ 98 Abs. 2 BAO verfügt, dass elektronisch zugestellte
Dokumente als zugestellt gelten, „sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich
des Empfängers gelangt sind“, wobei die Behörde im Zweifel die Tatsache und
den Zeitpunkt des Einlangens amtswegig festzustellen hat. Weiters gilt auch
für elektronische Zustellungen eine Regelung wie oben zu § 26 Abs. 2
dritter Satz ZustG für postalisch zugestellte schriftliche Erledigungen beschrieben.
E-GovG-Rahmenbedingungen?
Das E-Government-Gesetz - E-GovG, BGBl. I Nr. 10/2004 in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2010, definiert in seinen §§ 19 und 20 Eigenschaften und Zweck der Amtssignatur sowie deren zulässige Verwendung und die damit einher gehenden Auswirkungen. Aus dem E-GovG selbst ergibt sich jedoch keinesfalls die Verpflichtung, eine Amtssignatur auf bestimmten (BAO-) Dokumenten aufzubringen.
Amtssignatur für BAO-Erledigungen?
§ 96
dritter Satz BAO besagt, dass mittels automationsunterstützter
Datenverarbeitung erstellte Ausfertigungen weder einer Unterschrift noch einer
Beglaubigung bedürfen und ohne Unterschrift und ohne Beglaubigung als durch
den Leiter der auf der Ausfertigung bezeichneten Abgabenbehörde genehmigt
gelten. Eine Amtssignatur ist daher auf BAO-Erledigungen
auch aus diesem Blickwinkel nicht (!) erforderlich.
Zum Vergleich: Im BAO-Anwendungsbereich existiert
keine mit § 18 Abs. 3 und 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz
1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2010,
vergleichbare Gesetzesbestimmung, welche in diesem Zusammenhang zu beachten
wäre.
SigG-Rahmenbedingungen?
Anbieter von Signier- bzw. Signaturanwendungen erklären verschiedentlich, nicht (original) unterschriebene behördliche Erledigungen und insbesondere Bescheide seien nur dann entsprechend dem Signaturgesetz – SigG, BGBl. I Nr. 190/1999 in der Fassung BGBl. I Nr. 75/2010, als rechtskonform anzusehen, wenn diese eine Amtssignatur aufweisen würden: Dieser Inhalt ist dem SigG jedoch keinesfalls zu entnehmen – und auch anderen Gesetzen nicht...
Arten elektronischer Zustellung ohne Zustellnachweis
Genügt der Behörde eine elektronische Zustellung ohne Zustellnachweis, so sieht das ZustG als Möglichkeiten
Arten elektronischer Zustellung mit Zustellnachweis
Wünscht (oder benötigt) die Abgabenbehörde eine elektronische Zustellung mit Zustellnachweis, so sieht das ZustG die Möglichkeit
Merkmale der einzelnen Formen elektronischer Zustellungen
Unmittelbare elektronische Ausfolgung
Wenn der Empfänger bei
der Antragstellung seine Identität und die Authentizität der Kommunikation
nachgewiesen hat, dürfen versandbereite Dokumente in zeitlich engem Zusammenhang
mit der Antragstellung (im Hinblick auf den vorgenannten Nachweis) auch unmittelbar
elektronisch ausgefolgt werden (§ 37a ZustG).
Damit diese Übermittlungsart als zulässig angesehen werden kann, muss die
Partei zuvor ausdrücklich zugestimmt haben (§ 97a Z. 1 BAO). Wie
in diesem Kontext vorzugehen ist, wenn ein Zustellnachweis erforderlich oder
gewünscht ist, wurde bereits beschrieben.
Zustellung an eine elektronische Zustelladresse
Erfolgen Zustellungen
an eine elektronische Zustelladresse (z. B. E-Mail), gilt die behördliche
Erledigung mit dem Zeitpunkt des Einlangens beim Empfänger als zugestellt.
Im Zweifel hat die Behörde Tatsache und Zeitpunkt des Einlangens beim Empfänger
amtswegig festzustellen (§ 37 Abs. 1 ZustG).
Zur Zulässigkeit dieser Übermittlungsart muss die Partei zuvor ausdrücklich
zugestimmt haben (§ 97a Z. 1 BAO). Diese Form der Zustellung ist
nicht zulässig (bzw. nicht ausreichend), wenn eine Zustellung mittels Zustellnachweis
gesetzlich gefordert (bzw. gewünscht) ist.
Zustellung über das elektronische Kommunikationssystem der Behörde
Unter einem „elektronischen
Kommunikationssystem der Behörde“ hat man sich etwas ähnliches wie FinanzOnline
im Kleinen – z. B. auf Landes- oder Gemeindeebene, möglicherweise beschränkt
auf den Nachrichtenempfang – vorzustellen. Hier gelten behördliche Erledigungen
als am dritten Werktag nach dem erstmaligen Bereithalten der behördlichen
Erledigungen als zugestellt.
Für die Zulässigkeit dieser Übermittlungsart muss die Partei zuvor ausdrücklich
zugestimmt haben (§ 97a Z. 1 BAO).
Auch diese Form der Zustellung ist nicht zulässig (bzw. nicht ausreichend),
wenn eine Zustellung mittels Zustellnachweis gesetzlich gefordert (bzw. gewünscht)
ist.
Achtung: Die Abgabenbehörde darf nur dann eine Zustellung über das elektronische
Kommunikationssystem der Behörde vornehmen, wenn sie zuvor festgestellt hat,
dass der Empfänger nicht bei einem Zustelldienst angemeldet ist bzw. dass
der Empfänger dem Zustelldienst nicht mitgeteilt hat, dass die Zustellung
innerhalb eines bestimmten Zeitraums ausgeschlossen sein soll (§ 37 Abs. 1
und 2 in Verbindung mit § 34 Abs. 1 und ZustG).
Zustellung über einen Zustelldienst
Ist der Empfänger bei
einem Zustelldienst registriert, darf die Abgabenbehörde gemäß § 37 Abs. 2
zweiter Satz ZustG Zustellungen nicht über das elektronische Kommunikationssystem
der Behörde vornehmen sondern muss den Zustelldienst nutzen. Das Bundeskanzleramt
verzeichnet alle nach der Zustelldiensteverordnung – ZustDV,
BGBl. II Nr. 233/2005 in der Fassung BGBl. II Nr. 354/2008,
als elektronische Zustelldienste zugelassenen Zustelldiensteanbieter
im Internet unter der Adresse http://bka.gv.at/zustelldienste;
die Zustelldienste unterliegen auch der Aufsicht durch den Bundeskanzler.
Die Abgabenbehörde, welche eine elektronische Zustellung vornehmen möchte,
muss daher gemäß § 34 ZustG zunächst beim Ermittlungs- und Zustelldienst
(über eine zentrale Stelle, den so genannten „Zustellkopf“) die elektronische
Zustellfähigkeit des Empfängers bei natürlichen Personen anhand des bereichsspezifischen
Personenkennzeichens („bPK“; § 9 E-GovG),
ansonsten anhand der Stammzahl (§ 6 E-GovG)
abfragen. Die Abgabenbehörde erhält dann auf Grund der vorgenannten Anfrage
die Information, welche Dateiformate der Empfänger annimmt sowie erforderliche
Angaben des Empfängers für eine allfällige inhaltliche Verschlüsselung der
zuzustellenden Dokumente. Ist der Empfänger bei mehreren Zustelldiensten registriert,
ist einem Zustelldienst der Vorzug zu geben, dem gegenüber der Empfänger Angaben
über die inhaltliche Verschlüsselung gemacht hat.
Exkurs: Moderne E-Government-Märchen
Unter
die modernen „E-Government-Märchen“ sind daher im Sinne der vorstehenden Ausführungen
Behauptungen aller Art einzuordnen, wonach seit 1. 1. 2011 alle
elektronisch ausgefertigten und/oder zugestellten, somit alle nicht urschriftlich
unterfertigten Dokumente amtssigniert sein müssten.
Auch sämtlichen Versuchen, mit Begriffen wie „duale Zustellung“, „ELAK“ („elektronischer Akt“), „Registered Mail“, „Fire & Forget“ u dgl fest stehende, unumstritten
definierte oder gar gesetzliche Begriffe suggerieren zu wollen, muss mit höchster
Vorsicht begegnet werden – denn maßgeblich für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandels
sind ausschließlich die Inhalte von Gesetzen (und allenfalls Verordnungen).
Unter Beachtung des verfassungsgesetzlichen Legalitätsprinzips der Hoheitsverwaltung
wird es daher beispielsweise auch beim fortschrittlichsten „elektronischen
Akt“ nicht zulässig sein, ein Originalanbringen in Papierform nach dessen
Digitalisierung zu „entsorgen“, sofern nicht ausdrücklich eine entsprechende
Rechtsgrundlage dazu besteht...
Zusammenfassung
Werden elektronische Zustellungen erwogen, ist zuallererst zu unterscheiden, ob ein Zustellnachweis erforderlich ist:
Nachdem in BAO-Angelegenheiten – somit allgemein im Abgabenverfahrensrecht – grundsätzlich kein Zustellnachweis benötigt wird, kommen
Ist ein Zustellnachweis erforderlich,
Robert Koch, 19.4.2011