StGN 3/4/2010, S 14 - 15
Seit 1. 8. 2003: Monatliche Lustbarkeitsabgabe in Höhe von € 700,00 auf bestimmte Unterhaltungsspielapparate
Von Robert Koch
Aktuelles VwGH-Erkenntnis – Ausgangssachverhalt und Rechtsfrage
In den Steirischen Gemeindenachrichten
4/2008, 4 ff, wurde unter dem Titel „Lustbarkeitsabgabe: Der ‚700-Euro-Apparat’“
für Unterhaltungsspielapparate mit der Darstellung optisch oder akustisch
aggressiver Handlungen eindringlich nahe gelegt, die tatsächlichen Geräte-Aufstellungsverhältnisse
jeweils zeitnah rechts- und sachkundig zu erfassen und beweisbar zu dokumentieren,
um unerwünschten Fehlbeurteilungen und in der Folge auch bedeutenden Abgabenausfällen
effektiv vorzubeugen.
Bereits zum damaligen Zeitpunkt verfügte der Steiermärkische Gemeindebund
über eine mehrjährige und intensive Erhebungs- und Dokumentationspraxis,
welche mit ausführlichen Befragungen und Erhebungen bis hin zur Durchführung
von Probespielen und der fotografischen Dokumentation und Analyse der Spielanleitungen
den erfahrungsgemäß besonders „kreativen“ Abreden der
Aufsteller und ihrer Rechtsvertreter begegnen soll (siehe auch die diesbezüglichen
Ausführungen im einleitend erwähnten Artikel).
Kürzlich hat der Verwaltungsgerichtshof in einem Fall, wo Mitarbeiter des Steiermärkischen Gemeindebundes derartige Erhebungen durchgeführt und niederschriftlich dokumentiert sowie die Bescheide einer südsteirischen Stadtgemeinde im Rechtsmittelverfahren entworfen haben, ausgesprochen, das von einem vereideten Organ des Steiermärkischen Gemeindebundes durchgeführte Beweis- und Beweiswürdigungsverfahren sowie die rechtliche Einordnung des Gerätes samt seiner abgabenrechtlichen Beurteilung seien mängelfrei und sei daher die Beschwerde des Aufstellers abzuweisen (VwGH 2009/17/0191 vom 4. 11. 2009).
Einwendungen der Partei
Der anwaltlich vertretene Aufsteller konnte sich mit seinen Abreden, begründenden Sichtweisen und Argumenten,
vor dem Höchstgericht nicht durchsetzen.
Allgemeiner Hinweis des VwGH zu Vorstellungsverfahren mit Verfahrensmängeln
Interessant ist –
und zwar für Vorstellungsverfahren generell – der ausdrückliche
Hinweis des VwGH, die Vorstellungsbehörde könne bei von ihr festgestellten
Verfahrensmängeln des bei ihr bekämpften Gemeindebescheides für
die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides auch selbst Beweise
aufnehmen, um die Wesentlichkeit der Mängel festzustellen, was der VwGH
unter bestimmten Voraussetzungen aus verfahrensökonomischen Gründen
sogar für geboten hält; wörtlich:
„Nach der hg. Rechtsprechung ist es zwar der Vorstellungsbehörde
grundsätzlich nicht verwehrt, selbst Beweise aufzunehmen, soweit dies für
die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des bei ihr bekämpften Gemeindebescheides
erforderlich ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 8. März 1991, Zl. 90/17/0503,
oder vom 19. März 2001, Zl. 2000/17/0260; insbesondere kann eine derartige
Beweisaufnahme im Zusammenhang mit der Beurteilung der Wesentlichkeit eines
Verfahrensmangels aus verfahrensökonomischen Gründen geboten sein,
weil damit die Aufhebung wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften uU vermieden
werden kann; dazu allgemein Hauer, a.a.O., Rn 150). Diese Vorgangsweise ist
jedoch nur dann geboten, wenn tatsächlich relevante Verfahrensmängel
des gemeindebehördlichen Verfahrens festgestellt werden und zur Beurteilung
der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Gemeindebehörde (wenn
die Vorstellungsbehörde eine Aufhebung wegen Verfahrensmangels vermeiden
möchte) eine Ergänzung des Sachverhalts unumgänglich ist.“
Beurteilung des VwGH
Entgegen den oben dargestellten
Einwendungen der Partei war der VwGH vielmehr der Ansicht, dass die Gemeindebehörden
auf Grund der Feststellungen des Überprüfungsorgans (Mitarbeiter des
Steiermärkischen Gemeindebundes) auf der Grundlage einer ausreichenden
Sachverhaltsermittlung zu Recht davon ausgingen, dass die von ihnen als aggressiv
eingestuften Spiele („1942“, „Phoenix“, „Alien
Attack“, „Peng“, „Bomb Jack“, „Asteroid“
und „More Ducks“) tatsächlich auf dem Spielapparat installiert
waren und die Schlussfolgerungen der Gemeindebehörden (aufrufbare und dokumentierte
Spielanleitungen bedeuten spielbare Spiele usw) schlüssig seien und den
Denkgesetzen entsprechen und dass daher die Abgabenvorschreibung durch die Gemeindebehörden
berechtigt erfolgte.
Der VwGH schließt
sich daher im Ergebnis der Sichtweise an, dass Spiele zu Recht als aggressiv
nach § 4 Abs. 5 Z. 3 Lustbarkeitsabgabegesetz 2003 einzustufen seien, wenn
durchaus auch der Belustigung und Unterhaltung dienende Spiele zwar Geschicklichkeit
und Reaktionsschnelligkeit erfordern, in diesen Spielen aber z. B. feindliche
Aliens so schnell wie möglich abzuschießen sind, um den nächsten
Level zu erreichen. Aus den Spielanleitungen der in Rede stehenden Actionspiele
sei abzuleiten, dass sehr wohl Kampfhandlungen gegen Ziele stattfänden,
wobei als „Ziel“ alles zu verstehen sei, was verletzt, getötet
oder vernichtet werden könne und daher unter den Begriff „optisch
oder akustisch aggressiver Handlungen“ zu subsumieren sei.
Entsprechend dem VwGH-Erkenntnis 95/17/0144 vom 26. 5. 1995 fallen auch utopische
oder verfremdete derartige Darstellungen unter „aggressive Handlungen“
im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung.
Der VwGH verweist in diesem Zusammenhang auch auf seine Erkenntnisse zu §
6 Abs. 4 Wiener Vergnügungssteuergesetz, wo der Begriff der aggressiven
Handlung ebenfalls durch die demonstrative Anführung von Verhaltensweisen
erläutert wird, ausgelegt wurde (VwGH 87/17/0375 vom 23. 11. 1990; 93/17/0270
vom 14. 10. 1993 und 2000/15/0180 vom 12. 9. 2002).
Ergebnis
Die Gemeinde konnte ihre
Rechtsposition aber nur durchsetzen, weil die maßgeblichen Umstände
(über die nachweisliche Installation der Spiele bis hin zu dokumentierten
Probespielen und Fotos der Spielanleitungen mit aggressivem Inhalt) rechtzeitig
– hier sogar zwei Mal zu unterschiedlichen Zeitpunkten – durch Mitarbeiter
des Steiermärkischen Gemeindebundes erhoben und niederschriftlich festgehalten
wurden.
Die daher im Verwaltungsakt befindlichen Unterlagen überzeugten den VwGH
von der Rechtmäßigkeit eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens,
welches bei der eindeutigen Rechtslage ein weiteres Ermittlungsverfahren (ergänzende
Beweisaufnahmen, Parteieneinvernahmen) nicht mehr notwendig erscheinen und die
entsprechenden Behauptungen der beschwerdeführenden Partei als Schutzbehauptung
zur Vermeidung von Abgabefolgen erkennen ließ.
Diese hohe Besteuerung der vorangeführten Unterhaltungsspielapparate mit einem monatlichen Betrag von € 700,00 steht auch in keinem Zusammenhang mit der bekanntlich in Ausarbeitung befindlichen Neuordnung des so genannten kleinen Glücksspiels (Geldspielapparate und deren hinkünftige Konzessionierung und Besteuerung) und lohnt es sich daher zu jeder Zeit und auch weiterhin, in den Gemeinden mit oder ohne Bewilligung aufgestellte Unterhaltungsspielapparate (z. B. „P Spirit“, „Photoplay“, „Silverball“ usw) durch Mitarbeiter des Steiermärkischen Gemeindebundes aufnehmen, dokumentieren und beurteilen zu lassen: Gemeinden beugen damit erheblichen Einnahmenausfällen vor und unterstützen gesetzeskonform eine seit August 2003 vom Landesgesetzgesetzgeber beabsichtigte und meines Erachtens vollkommen gerechtfertigte Lenkungsfunktion, wonach im öffentlichen Raum auch für Jugendliche zugängliche Unterhaltungsspiele mit der Darstellung optisch oder akustisch aggressiver Handlungen schlichtweg unerwünscht sind.
Robert Koch, 7.4.2010