StGN 1/2/2010,
S ... f
BAO:
Neue Verzinsungspflicht für „alte“ unverzinst zugestandene
Zahlungserleichterungen?
Von
Robert Koch
Angenommene Ausgangssituation
und Fragestellung; Auswirkungen der Beurteilung
Für die Entrichtung
einer Gemeindeabgabe wurde auf Grund eines schriftlichen Antrages eine Zahlungserleichterung
(Stundung oder Ratenzahlung) bereits vor 1.1.2010 bescheidmäßig zuerkannt.
Der entsprechende Bewilligungsbescheid beruht auf § 161 Steiermärkische
Landesabgabenordnung (LAO) in der bis zum 31.12.2009 anzuwenden Fassung (LGBl
158/1963 in der Fassung LGBl 68/2008) und ist in Rechtskraft erwachsen.
Die gewährte Zahlungserleichterung
wirkt vom Zahlungsplan her zumindest (auch) bis ins Jahr 2010.
Weiters wurde im Spruch
des Bewilligungsbescheides entweder keinerlei Aussage über eine etwaige
Verpflichtung zur Entrichtung von Stundungszinsen (Zinsen für Ratenzahlungen
und Stundungen) getätigt oder es wurde ausgesprochen, dass keine Verzinsung
des aushaftenden Betrages erfolgt; die bisher geschilderte Situation wird nachfolgend
immer nur kurz als „Beispielsfall“ umschrieben.
Die daran anknüpfende
Frage lautet nun, ob für den ab 1.1.2010 noch bzw weiter aushaftenden Abgabenbetrag
nach den neu anzuwendenden Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, BGBl 194/1961
in der Fassung BGBl I 52/2009 (BAO), Stundungszinsen anfallen und daher festgesetzt
werden müssen.
Ergänzend stellt
sich die Frage, ob in den erwähnten Bewilligungsbescheid wegen der geänderten
Rechtslage in Bezug auf die Verzinsung formal eingegriffen werden kann oder
muss.
Im Ergebnis ist die Beurteilung
dieser Fragen auch wirtschaftlich bedeutend, da typischerweise gerade höhere
Abgabenbeträge (zB Kanalanschlussbeiträge, Bauabgabe, Kommunalsteuernachzahlungen
nach Prüfungen) von sich über mehrere Jahre erstreckenden Zahlungserleichterungen
betroffen sind und die in Rede stehende Verzinsung von 6 % pro Jahr Finanzmittel
in durchaus nennenswerter Dimension bedeuten können.
Rechtslage bis
31.12.2009
Nach § 161 LAO hätte
die Abgabenbehörde im Beispielsfall in Bezug auf die Verzinsung von der
Kann-Bestimmung des § 161 Abs 2 erster Satz LAO Gebrauch machen können:
Danach hätte im Spruch des Zahlungserleichterungsbescheides grundsätzlich
verfügt werden können, dass für aushaftende Abgabenschuldigkeiten
(wenn sie € 436,00 übersteigen) Stundungszinsen zur Anrechnung gelangen
werden. Dieser Zinssatz hätte 4 % über dem Basiszinszinssatz betragen,
hätte aber der Höhe nach (sowohl wie vorbeschrieben als auch dem konkreten
Gesamtzinssatz nach) nicht ausdrücklich angeführt werden müssen,
da er insoweit ohnehin gesetzlich geregelt ist (war).
Im zu untersuchenden eingangs
skizzierten Beispiel wurde – im Ergebnis gleichwertig – im Spruch
des Bescheides über die Gewährung einer Zahlungserleichterung entweder
über eine Verpflichtung zur Entrichtung von Stundungszinsen überhaupt
nichts ausgesagt oder es wurde ausdrücklich ausgesprochen, dass die Zahlungserleichterung
ohne Verrechnung einer Verzinsung des aushaftenden Betrages gewährt wird:
Nachdem die Abgabenbehörde nicht bereits im Bewilligungsbescheid ausgesprochen
hat, dass sie vom Recht einer bloß fakultativen Verzinsung Gebrauch machen
wird bzw dass die Gewährung der Zahlungserleichterung mit dieser Bedingung
verbunden ist, fallen in dieser Konstellation bis zum 31.12.2009 unzweifelhaft
keine Stundungszinsen für die tatsächlich erfolgte Inanspruchnahme
einer Zahlungserleichterung an.
Rechtslage ab 1.1.2010
Die Abgabenbehörde
kann gemäß § 212 Abs 1 BAO für vollstreckbare oder vollstreckbar
werdende Abgaben auf Ansuchen des Abgabepflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen
Zahlungserleichterungen gewähren.
Gemäß §
212b BAO sind bei Landes- und Gemeindeabgaben für Abgabenschuldigkeiten,
welche den Betrag von insgesamt € 200,00 übersteigen, ab dem Einlangen
eines Zahlungserleichterungsansuchens und für die Dauer der Inanspruchnahme
einer gewährten Zahlungserleichterung – nunmehr zwingend –
Stundungszinsen in der unveränderlichen Höhe von sechs Prozent pro
Jahr festzusetzen, sofern die sich derart errechnenden Stundungszinsen zumindest
den Betrag von zehn Euro erreichen.
Weitergeltung der
vor 1.1.2010 gewährten Zahlungserleichterung
§ 323a Abs 1 Z 2
BAO verfügt, dass „abgabenrechtliche Begünstigungen, Berechtigungen
oder Befreiungen von Pflichten, welche am 1. Jänner 2010 nach bisherigem
Recht zuerkannt waren, ..., sofern sie nicht mangels Vorliegens der nach diesem
Bundesgesetz erforderlichen Voraussetzungen durch Bescheid widerrufen werden“,
aufrecht bleiben.
Für eine vor 1.1.2010
auf Basis der LAO ohne Verzinsung gewährte Zahlungserleichterung fallen
wegen der inhaltlich übereinstimmenden Voraussetzungen für die Gewährung
einer Zahlungserleichterung keine nach der BAO „erforderlichen Voraussetzungen“
weg: Wesentlich war bzw ist in diesem Zusammenhang sowohl nach der LAO als auch
nach der BAO der vom Zahlungserleichterungswerber in seinem Anbringen aus eigenem
überzeugend darzulegende Umstand, dass die sofortige oder die sofortige
volle Entrichtung der Abgaben für den Abgabepflichtigen mit erheblichen
Härten verbunden wäre und dass die Einbringlichkeit der Abgaben durch
den eintretenden Zahlungsaufschub nicht gefährdet wird.
Kein Widerruf einer
vor 1.1.2010 unverzinst gewährten Zahlungserleichterung
Im Sinne der vorerwähnten
Bestimmung wäre ein Ausspruch über eine zwingend vorzunehmende Verzinsung
oder die Beurteilung des ausdrücklichen Ausspruchs einer ab nun nicht mehr
unterbleibenden Verzinsung im Zusammenhang der „erforderlichen Voraussetzungen“
wohl kein denkmöglicher Inhalt und käme dies einer (vom Gesetzgeber
grundsätzlich nicht beabsichtigten und aus finanzverfassungsrechtlichen
Gründen auch nicht zulässigen) inhaltlichen Rückwirkung von BAO-Inhalten
vor 1.1.2010 „ins LAO-Verfahrensrecht“ gleich: Die Widerrufsmöglichkeit
des § 323a Abs 1 Z 2 BAO rechtfertigt somit keinen bescheidmäßigen
Widerruf einer auf Basis der nach bisherigem Recht zuerkannten zinsenfrei gewährten
Zahlungserleichterung.
Sichtweise „Verzinsungspflicht“
ab 1.1.2010
Wie im Abschnitt „Rechtslage
ab 1.1.2010“ geschildert fallen für ab 1.1.2010 von einer Zahlungserleichterung
betroffene aushaftende Abgaben Stundungszinsen an, welche bei einer nachträglichen
Herabsetzung der Abgabenschuld amtswegig rückwirkend berichtigt werden
müssen (§ 212b Z 1 und 2 BAO).
- Lässt man nun
– zurück kommend auf den Beispielssachverhalt – zumindest
den (ab 1.1.2010 potentiell bestehenden) Widerspruch der auf einer bestehenden
Rechtsnorm beruhenden zulässigen und bestandskräftigen Individualisierung
durch ohne Verzinsung bescheidmäßig zuerkannten Zahlungserleichterung
mit dem neu ab 1.1.2010 geltenden Gesetzeswortlaut der Verzinsungspflicht
von Landes- und Gemeindeabgaben, soweit diese von gewährten und in Anspruch
genommenen Zahlungserleichterungen betroffen sind, vorerst außer Acht,
könnte auf den ersten Blick tatsächlich eine Verzinsungspflicht
der aushaftenden Beträge be- oder entstehen, auch soweit diese auf „alten“
nach der LAO bescheidmäßig zinsenfrei erteilten Zuerkennungen von
Zahlungserleichterung beruhen.
- Bei der weiteren Beurteilung
dieser Frage kommt aber der diesbezüglichen Bestimmung des 9. Abschnitts
der BAO, den Übergangs- und Schlussbestimmungen sowie deren Auslegung
entscheidende Bedeutung zu: Nach § 323a Abs 1 Z 6 gilt in diesem Zusammenhang
für Landes- und Gemeindeabgaben, dass 212b Z 1 erster Satz BAO (somit
Stundungszinsen in Höhe von sechs Prozent pro Jahr für Abgabenschuldigkeiten
von insgesamt mehr als € 200,00) „in der Fassung des Bundesgesetzes
BGBl. I Nr. 20/2009, ... erstmals auf Abgaben anzuwenden“ ist, „für
die der Abgabenanspruch nach dem 31. Dezember 2009 entsteht.“
Misst man nun der vorgenannten Übergangsbestimmung eine solche Bedeutung
bei, dass unter „nach dem 31. Dezember 2009 entstehenden Abgabenansprüchen“
die bei Aushaftung einer auf Grund einer bestehenden bewilligten Zahlungserleichterung
laufend anfallenden Stundungszinsen (und nicht die der Verzinsung zugrunde
liegenden Abgaben!) gemeint sind, würde dies für eine Verzinsungspflicht
auch „alter“ nach dem LAO-Abgabenverfahrensrecht unverzinst zugestandener
Zahlungserleichterungen für Aushaftungen ab 1.1.2010 sprechen. Dieser
Sichtweise müsste man als ab 1.1.2010 maßgeblicher bundesgesetzlicher
Regelung im Vollzug jedenfalls auch zum Durchbruch verhelfen, wenn sie oder
ein entsprechender Inhalt sich im Gesetz auch hinreichend klar und eindeutig
niedergeschlagen hätte.
- Für diese Sichtweise
der „Verzinsungspflicht“ bzw „Verzinsungsberechtigung“
könnte auch eine einfache Auslegung des Willens des Gesetzgebers sprechen,
wenn man diese – vorerst weiters unreflektiert – aus dem Besonderen
Teil der Erläuterungen der Regierungsvorlage zum Abgabenverwaltungsreformgesetz
– AbgVRefG, darunter in Artikel I zu Z 85, bezogen auf § 323a BAO,
abzulesen versucht:
„§ 323a Abs. 1 Z 6 BAO betrifft vor allem am 1. Jänner 2010
aufrechte Zahlungserleichterungen und Aussetzungen der Einhebung. Die Höhe
der Stundungszinsen und der Aussetzungszinsen richtet sich, soweit der Zahlungsaufschub
die Zeit vor dem 1. Jänner 2010 betrifft, nach den jeweils maßgeblichen
landesrechtlichen Vorschriften. Soweit der Zahlungsaufschub die Zeit ab 1.
Jänner 2010 umfasst, richtet sich die Höhe der Zinsen nach §
212b BAO.“ Unterstellt man dieser Erläuterung, dass sich der dritte
Satz (Zinsenregelung ab 1.1.2010 nach § 212b BAO) auch auf den im ersten
Satz geschilderten Sachverhalt (nach den LAO zuerkannte Zahlungserleichterungen)
bezieht, hätte der Gesetzgeber tatsächlich beabsichtigt, in bestehende
Zahlungserleichterungen auch inhaltlich – im zu untersuchenden Beispiel
mit dem Wirksamwerden der BAO-Verzinsung per 1.1.2010 zum Vorteil der Abgabenbehörden
und zum Nachteil der Abgabepflichtigen – und somit doch in bestehende
(„aufrechte“) Zuerkennungen abgabenrechtlicher Bewilligungen einzugreifen.
- Diese „Verzinsungspflicht“
findet sich auch bereits in den BAO-Kommentaren (Ritz – Rathgeber
– Koran, Abgabenordnung neu; Kamhuber – Mühlberger
– Pilz, Die neue Abgabenordnung) und übernimmt damit die für
die Gesetzesauslegung sicherlich maßgeblichen Ausführungen der
Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Abgabenverwaltungsreformgesetzes
– AbgVRefG), welches Verständnis der in § 323a Abs 1 Z 6 BAO
normierten Übergangsbestimmung speziell zu nach 31.12.2009 „weiter
laufenden“ Zahlungserleichterungen – nach Ansicht aller Autoren
wohl auch unter angemessener Beachtung des Bestimmung des § 323a Abs
1 Z 2 BAO und eines allfälligen Vertrauensschutzes des Bescheidadressaten
des bestandskräftigen Bescheides über die zinsenlose Zuerkennung
einer Zahlungserleichterung – beizumessen sei. Auch Schuszter –
Muskovich übernehmen in BAO – Bundesabgabenordnung lediglich
die oa Erläuterungen zur Regierungsvorlage des AbgVRefG im Wortlaut.
- Möchte eine Gemeinde
in Fällen wie im Beispielsfall eine Verzinsung von Zahlungserleichterungen
vornehmen, kann sie sich wohl auf die vorgenannten Kommentarmeinungen und
auf die Ausführungen in der Erläuterungen zur Regierungsvorlage
des AbgVRefG beziehen.
Sichtweise „keine
Verzinsungspflicht“ ab 1.1.2010
- Misst man der vorerwähnten
für Landes- und Gemeindeabgaben maßgeblichen Übergangsbestimmung
in § 323a Abs 1 Z 6 BAO, wonach „212b Z 1 erster Satz“ BAO
(somit Stundungszinsen in Höhe von sechs Prozent pro Jahr für Abgabenschuldigkeiten
von insgesamt mehr als € 200,00) „in der Fassung des Bundesgesetzes
BGBl. I Nr. 20/2009, ... erstmals auf Abgaben anzuwenden“ ist, „für
die der Abgabenanspruch nach dem 31. Dezember 2009 entsteht“, jedoch
eine solche Bedeutung bei, dass mit dem Begriff der nach 31.12.2009 vom Abgabenanspruch
her entstehenden „Abgaben“ nicht die Stundungszinsen selbst sondern
nur die der Verzinsung zugrunde liegenden und von der Zahlungserleichterung
betroffenen Abgaben gemeint sind, gelangt man im Beispielsfall allerdings
zum genau gegenteiligen Ergebnis: Eine Verzinsungsmöglichkeit (und Verzinsungspflicht)
nach der BAO wäre insoweit ausgeschlossen, als der Abgabenanspruch der
(einer Zahlungserleichterung zugrunde liegenden!) Abgabe vor 1.1.2010 entstanden
ist. „Alte“ nach LAO-Rechtslage rechtskonform unverzinst gewährte
Zahlungserleichterungen, welche über den 31.12.2009 hinaus fortwirken,
könnten demnach nie unter eine Zinsenverpflichtung nach der BAO zu subsumieren
sein, weil „Abgaben ... für die der Abgabenanspruch nach dem 31.
Dezember 2009 entsteht“, allein schon aus zeitlichen Gründen (noch)
nie Gegenstand einer bescheidmäßig zuerkannten LAO-Zahlungserleichterung
sein konnten...
- Außerdem wird
in den gesamten §§ 212 und 212b BAO, wenn von „Abgaben“
die Rede ist, begrifflich ausnahmslos (!) auf die der Zahlungserleichterung
zugrunde liegenden Abgaben und niemals auf die „Stundungszinsen als
Abgaben“ Bezug genommen: Demzufolge dürften allein schon aus diesem
Zusammenhang nur nach dem 31. Dezember 2009 entstehende einer Zahlungserleichterung
zugrunde liegende Abgabenansprüche (und nicht die Stundungszinsen selbst!)
als „Abgaben“ verstanden werden. Es wäre widersinnig, dem
Begriff der „Abgaben“ in der Übergangsbestimmung zu §
212b erster Satz BAO, welche sich auf die Anwendung des § 212 BAO auf
Landes- und Gemeindeabgaben bezieht, plötzlich eine andere Bedeutung
in als der betreffenden Gesetzesstelle selbst, auf welche sich die Übergangsbestimmung
bezieht, beizumessen.
- Für diese für
den Abgabepflichtigen günstigere Sichtweise würde weiters auch sprechen,
dass die Verzinsung – etwa im Bundesland Steiermark – ausdrücklich
eine Kann-Bestimmung war. Ein rechtskräftiger Bescheid, welcher die (unverzinste)
Bewilligung einer „späteren“ Abgabenentrichtung – also
eine ohne Zinsenfolge bleibende Verschiebung von einem oder mehreren Fälligkeitszeitpunkten
– meist wohl unter bestimmten Bedingungen rechtskonform, jedenfalls
rechtswirksam zuerkannt hat, rechtfertigt im Vertrauen auf die Bestandskraft
solcher Bescheide (rechtskräftige Verfügungen) wohl auch einen besonderen
Vertrauensschutz in der Disposition nach einer im Einzelfall erfolgten und
bescheidmäßig zum Ausdruck gekommenen Ermessenübung der Behörde.
- Dass dem Bundesgesetzgeber
ein derartiger Gedanke des Schutzes bestehender, ausdrücklich zuerkannter
inhaltlicher Rechtspositionen, des Vertrauensschutzes in Bezug auf nicht nur
kurzfristige Dispositionen des Abgabepflichtigen und der Kontinuität
des grundsätzlichen Verständnisses des (wenn bisher auch auf verschiedenen
Ebenen geregelten) österreichischen Abgabenverfahrensrechts nicht fremd
war und er ihm auch entsprechende Bedeutung beigemessen wissen wollte, gelangt
wohl auch mit der Übergangsbestimmung des § 323a Abs 1 Z 2 BAO zum
Ausdruck. Dies auch vollkommen außerhalb der Rechtsfrage, inwieweit
die Bestandskraft (Rechtskraft) von Bescheiden eine solche ausdrückliche
Bestimmung nicht sogar überflüssig erscheinen lassen könnte.
- Die Auslegung der Übergangsbestimmung
des § 323a Abs 1 Z 2 letzter Halbsatz BAO würde bedeutsam, wenn
man der Ansicht wäre, im Beispielsfall läge die „Voraussetzung“,
weiterhin eine unverzinste Zahlungserleichterung gewähren bzw aufrecht
erhalten zu können, auf Basis der ab 1.1.2010 anzuwendenden BAO nun nicht
mehr vor: Dann müsste (!) die zinsenlose Zahlungserleichterung (zumindest
der Umstand der zugebilligten Zinsenfreiheit der Kapitalaushaftung) bescheidmäßig
widerrufen werden. Es besteht aber kein Grund für die Annahme, dass der
Bundesgesetzgeber eine neue – ab 1.1.2010 wirksam werdende geänderte
– Rechtslage als „nachträglich weggefallene Voraussetzung“
einer auf Basis „alter“ Rechtslage rechtskonform erfolgten Ermessensübung
bzw rechtskonform und rechtskräftig zuerkannten Bewilligungen verstanden
wissen und derart in bestehende Rechtsverhältnisse eingegriffen wissen
will.
- Bei Zustellung eines
derartigen Widerrufsbescheides oder – falls ein solcher nicht als notwendig
erachtet würde – in Fällen, wo nach Ablauf der Zahlungserleichterung
gleich unmittelbar ein Zinsenbescheid zugestellt wird, ist allerdings damit
zu rechnen, dass im allenfalls anschließenden höchstgerichtlichen
Beschwerdeverfahren verfassungsrechtliche Bedenken (Recht auf Unversehrtheit
des Eigentums) angesichts des Eingriffs in auf bestandskräftigen Bescheiden
beruhende Rechte auftauchen könnten – und zwar gerade weil sogar
der maßgebliche Gesetzeswortlaut der Übergangsbestimmung („Abgaben“
iSd § 323a Abs 1 Z 6 BAO?) unklar bleibt.
Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der allenfalls beabsichtigten
Veränderung der Rechtslage, welche dann doch Eingriffe in bescheidmäßig
(und rechtskräftig) zuerkannte Rechte bewirken würde, dürfte
auch von Bedeutung sein, ob und inwieweit der Abgabepflichtige bei der Rechtsauslegung
einen Vertrauensschutz auf den bestandskräftigen Bescheid in Zusammenschau
mit der Übergangsbestimmung des § 323a Abs 1 Z 2 BAO genießt
und bzw oder ob ihm zuzumuten war oder ist, dass er bei Inkrafttreten der
derzeit vorletzten BAO-Novelle (BGBl I 20/2009) die Rechtsfolge der (ab 1.1.2010
wider die rechtskräftig aufrechte bescheidmäßige Zuerkennung
einer unverzinsten Zahlungserleichterung) eintretenden Verzinsung nach der
BAO-Bestimmung erkennen musste und ob er dieser (Zinsen-) Folge in seinem
wirtschaftlichen Handeln mit angemessenen Mitteln rechtzeitig begegnen bzw
ausweichen konnte oder musste.
- Unter dem Aspekt, dass
Gegenstand dieser „weiter laufenden“ Zahlungserleichterungen jeweils
vor 1.1.2010 entstandene Abgabenaushaftungen betreffen, für welche Landes-
und Gemeindeabgaben der Bundesgesetzgeber auch hinsichtlich der Verfahrensregelungen
einschließlich der Zinsenregelung (noch) keine Regelungsbefugnis innehat,
scheint dieser Eingriff in bestehende zuerkannte zinsenlose Zahlungserleichterungen
zusätzlich bedenklich.
Zusammenfassung
- Hätte der Bundesgesetzgeber
eine durchgängige Verzinsung der Inanspruchnahme von Zahlungserleichterungen
ab 1.1.2010 auch hinsichtlich rechtkräftig zugestandener zinsenfrei aushaftender
Abgabenrückstände beabsichtigt gehabt, hätte er wohl §
212b Z 1 BAO anders formuliert bzw besser auf die Übergangsbestimmung
des § 323a Abs 1 Z 6 in der vorliegenden Form verzichtet. Durch die Einwirkung
zeitlich auf LAO-regelungsrelevante Sachverhalte bzw auf durch rechtskräftige
Bescheide zuerkannte Positionen würden aber trotzdem finanzverfassungsrechtliche
bzw verfassungsrechtliche Bedenken nicht von Vornherein ausgeräumt sein
können.
-
Ein Widerrufsbescheid iSd § 323a Abs 1 Z 2 BAO des Inhalts, dass die
zinsenfreie Aushaftung einer auf Basis des seit 1.1.2010 nicht mehr anwendbaren
LAO-Rechts rechtskräftig zuerkannten Zahlungserleichterung nunmehr im
Sinne der BAO verzinst weiter läuft, dürfte nicht im Sinne des Gesetzgebers
sein, da er unter den weg gefallenen „Voraussetzungen“ die betreffende
inhaltlich abweichende neue Gesetzesregelung wohl kaum umfasst wissen wollte,
was ja einem rückwirkenden (und allein schon von der zeitlichen Anwendbarkeit
des BAO-Verfahrensrechts her nicht zulässigen) Eingriff in individuell
zuerkannte bestandskräftige Rechte gleichkäme.
- Ein Stundungszinsenbescheid
für ab 1.1.2010 weiterhin aushaftende Landes- und Gemeindeabgaben könnte
– von der Annahme ausgehend, dass auf bis 31.12.2009 zinsenfrei gewährte
Zahlungserleichterungen seit 1.1.2010 die Bestimmung des § 212b Z 1 BAO
Anwendung fände – geeignet sein, auch ein Rechtsmittelverfahren
bis zu den Höchstgerichten nach sich zu ziehen, von welchem eine endgültige
Klärung der Fragestellung zu erwarten ist. In dem Punkt hilfreiche Aussagen
eines Höchstgerichts könnten auch in einem Verfahren nach dem vorstehend
skizzierten Widerrufsbescheid zu erwarten sein.
- Wenn nach der LAO vor
1.1.2010 zeitlich über den 31.12.2009 hinaus reichende Zahlungserleichterungen
bescheidmäßig ohne Verzinsung zuerkannt wurden, ist im Sinne der
Überlegungen dieses Artikels zum jetzigen Zeitpunkt (dh vorbehaltlich
anders lautender höchstgerichtlicher Rechtsprechung) als Ergebnis festzuhalten,
dass bis 31.12.2009 verfügte rechtskräftig gewordene zinsenfrei
gewährte Zahlungserleichterungen auch nach 1.1.2010 unverzinst belassen
zu sind.
- Diese Sichtweise scheint
nicht nur rechtlich begründbar und vertretbar, sondern dürfte auch
einer verfassungskonformen Auslegung der Übergangsbestimmung des §
323a Abs 1 Z 6 BAO wesentlich besser entsprechen, welche in Bezug auf Zahlungserleichterungen
im Zusammenhang mit der erstmaligen Anwendbarkeit auf nach 31.12.2009 entstehende
Ansprüche von „Abgaben“ damit nicht die Stundungszinsen selbst
sondern wohl eher die der Zahlungserleichterung zugrunde liegenden Abgabenansprüche
verstanden wissen will.
Robert Koch, 31.1.2010