StGN 1/2/2010, S ... f

BAO: Neue Verzinsungspflicht für „alte“ unverzinst zugestandene Zahlungserleichterungen?

Von Robert Koch

 

Angenommene Ausgangssituation und Fragestellung; Auswirkungen der Beurteilung

Für die Entrichtung einer Gemeindeabgabe wurde auf Grund eines schriftlichen Antrages eine Zahlungserleichterung (Stundung oder Ratenzahlung) bereits vor 1.1.2010 bescheidmäßig zuerkannt. Der entsprechende Bewilligungsbescheid beruht auf § 161 Steiermärkische Landesabgabenordnung (LAO) in der bis zum 31.12.2009 anzuwenden Fassung (LGBl 158/1963 in der Fassung LGBl 68/2008) und ist in Rechtskraft erwachsen.

Die gewährte Zahlungserleichterung wirkt vom Zahlungsplan her zumindest (auch) bis ins Jahr 2010.

Weiters wurde im Spruch des Bewilligungsbescheides entweder keinerlei Aussage über eine etwaige Verpflichtung zur Entrichtung von Stundungszinsen (Zinsen für Ratenzahlungen und Stundungen) getätigt oder es wurde ausgesprochen, dass keine Verzinsung des aushaftenden Betrages erfolgt; die bisher geschilderte Situation wird nachfolgend immer nur kurz als „Beispielsfall“ umschrieben.

Die daran anknüpfende Frage lautet nun, ob für den ab 1.1.2010 noch bzw weiter aushaftenden Abgabenbetrag nach den neu anzuwendenden Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, BGBl 194/1961 in der Fassung BGBl I 52/2009 (BAO), Stundungszinsen anfallen und daher festgesetzt werden müssen.

Ergänzend stellt sich die Frage, ob in den erwähnten Bewilligungsbescheid wegen der geänderten Rechtslage in Bezug auf die Verzinsung formal eingegriffen werden kann oder muss.

Im Ergebnis ist die Beurteilung dieser Fragen auch wirtschaftlich bedeutend, da typischerweise gerade höhere Abgabenbeträge (zB Kanalanschlussbeiträge, Bauabgabe, Kommunalsteuernachzahlungen nach Prüfungen) von sich über mehrere Jahre erstreckenden Zahlungserleichterungen betroffen sind und die in Rede stehende Verzinsung von 6 % pro Jahr Finanzmittel in durchaus nennenswerter Dimension bedeuten können.

 

Rechtslage bis 31.12.2009

Nach § 161 LAO hätte die Abgabenbehörde im Beispielsfall in Bezug auf die Verzinsung von der Kann-Bestimmung des § 161 Abs 2 erster Satz LAO Gebrauch machen können: Danach hätte im Spruch des Zahlungserleichterungsbescheides grundsätzlich verfügt werden können, dass für aushaftende Abgabenschuldigkeiten (wenn sie € 436,00 übersteigen) Stundungszinsen zur Anrechnung gelangen werden. Dieser Zinssatz hätte 4 % über dem Basiszinszinssatz betragen, hätte aber der Höhe nach (sowohl wie vorbeschrieben als auch dem konkreten Gesamtzinssatz nach) nicht ausdrücklich angeführt werden müssen, da er insoweit ohnehin gesetzlich geregelt ist (war).

Im zu untersuchenden eingangs skizzierten Beispiel wurde – im Ergebnis gleichwertig – im Spruch des Bescheides über die Gewährung einer Zahlungserleichterung entweder über eine Verpflichtung zur Entrichtung von Stundungszinsen überhaupt nichts ausgesagt oder es wurde ausdrücklich ausgesprochen, dass die Zahlungserleichterung ohne Verrechnung einer Verzinsung des aushaftenden Betrages gewährt wird:
Nachdem die Abgabenbehörde nicht bereits im Bewilligungsbescheid ausgesprochen hat, dass sie vom Recht einer bloß fakultativen Verzinsung Gebrauch machen wird bzw dass die Gewährung der Zahlungserleichterung mit dieser Bedingung verbunden ist, fallen in dieser Konstellation bis zum 31.12.2009 unzweifelhaft keine Stundungszinsen für die tatsächlich erfolgte Inanspruchnahme einer Zahlungserleichterung an.

 

Rechtslage ab 1.1.2010

Die Abgabenbehörde kann gemäß § 212 Abs 1 BAO für vollstreckbare oder vollstreckbar werdende Abgaben auf Ansuchen des Abgabepflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen Zahlungserleichterungen gewähren.

Gemäß § 212b BAO sind bei Landes- und Gemeindeabgaben für Abgabenschuldigkeiten, welche den Betrag von insgesamt € 200,00 übersteigen, ab dem Einlangen eines Zahlungserleichterungsansuchens und für die Dauer der Inanspruchnahme einer gewährten Zahlungserleichterung – nunmehr zwingend – Stundungszinsen in der unveränderlichen Höhe von sechs Prozent pro Jahr festzusetzen, sofern die sich derart errechnenden Stundungszinsen zumindest den Betrag von zehn Euro erreichen.

 

Weitergeltung der vor 1.1.2010 gewährten Zahlungserleichterung

§ 323a Abs 1 Z 2 BAO verfügt, dass „abgabenrechtliche Begünstigungen, Berechtigungen oder Befreiungen von Pflichten, welche am 1. Jänner 2010 nach bisherigem Recht zuerkannt waren, ..., sofern sie nicht mangels Vorliegens der nach diesem Bundesgesetz erforderlichen Voraussetzungen durch Bescheid widerrufen werden“, aufrecht bleiben.

Für eine vor 1.1.2010 auf Basis der LAO ohne Verzinsung gewährte Zahlungserleichterung fallen wegen der inhaltlich übereinstimmenden Voraussetzungen für die Gewährung einer Zahlungserleichterung keine nach der BAO „erforderlichen Voraussetzungen“ weg: Wesentlich war bzw ist in diesem Zusammenhang sowohl nach der LAO als auch nach der BAO der vom Zahlungserleichterungswerber in seinem Anbringen aus eigenem überzeugend darzulegende Umstand, dass die sofortige oder die sofortige volle Entrichtung der Abgaben für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden wäre und dass die Einbringlichkeit der Abgaben durch den eintretenden Zahlungsaufschub nicht gefährdet wird.

 

Kein Widerruf einer vor 1.1.2010 unverzinst gewährten Zahlungserleichterung

Im Sinne der vorerwähnten Bestimmung wäre ein Ausspruch über eine zwingend vorzunehmende Verzinsung oder die Beurteilung des ausdrücklichen Ausspruchs einer ab nun nicht mehr unterbleibenden Verzinsung im Zusammenhang der „erforderlichen Voraussetzungen“ wohl kein denkmöglicher Inhalt und käme dies einer (vom Gesetzgeber grundsätzlich nicht beabsichtigten und aus finanzverfassungsrechtlichen Gründen auch nicht zulässigen) inhaltlichen Rückwirkung von BAO-Inhalten vor 1.1.2010 „ins LAO-Verfahrensrecht“ gleich: Die Widerrufsmöglichkeit des § 323a Abs 1 Z 2 BAO rechtfertigt somit keinen bescheidmäßigen Widerruf einer auf Basis der nach bisherigem Recht zuerkannten zinsenfrei gewährten Zahlungserleichterung.

 

Sichtweise „Verzinsungspflicht“ ab 1.1.2010

Wie im Abschnitt „Rechtslage ab 1.1.2010“ geschildert fallen für ab 1.1.2010 von einer Zahlungserleichterung betroffene aushaftende Abgaben Stundungszinsen an, welche bei einer nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld amtswegig rückwirkend berichtigt werden müssen (§ 212b Z 1 und 2 BAO).

 

Sichtweise „keine Verzinsungspflicht“ ab 1.1.2010

 

Zusammenfassung

Robert Koch, 31.1.2010