StGN 7/8/2009, S 10 ff

Herabsetzung und Nichtfestsetzung von Säumniszuschlägen gemäß § 165 Abs 6 LAO (Teil 3)
Von Robert Koch

In den Nummern 2/2009 und 3/2009 der Steirischen Gemeindenachrichten wurde eingehend erläutert, dass im Falle einer nicht fristgerechten Zahlung „grobes Verschulden“ des Abgabepflichtigen ausschließt, dass Säumniszuschlag-Nichtfestsetzungs- und Herabsetzungsanträgen entsprochen werden darf.
In welchen Fällen nun davon auszugehen ist, dass den Abgabepflichtigen tatsächlich kein Verschulden trifft und wann doch, wird anhand der nachfolgend zusammen gestellten UFS- und VwGH-Rechtsprechung erläutert, welche nach den von den Abgabepflichtigen immer wieder vorgebrachten Argumentationen gruppiert ist.
Abschließende Praxisüberlegungen dürften die Verwaltungspraxis auf mittlere und lange Sicht jedoch ohne Weiteres bewältigbar erscheinen lassen, sodass nochmals ein gesetzeskonformer (und wirklich möglichst lückenloser) Vollzug der Festsetzung von Säumniszuschlägen empfohlen werden muss.

 

UFS: Sonstiges abgabenrechtlich relevantes Wohlverhalten des Abgabepflichtigen

 

VwGH und UFS: Verzögerungen in der Zahlungsabwicklung (Bank, Telebanking, Gutschriften, vermutete Guthaben, ...)

 

VwGH und UFS: Beurteilungskriterien bei Zahlungsschwierigkeiten

 

Nicht fristgerechte Entrichtung von Selbstbemessungsabgaben bei vertretbarer Rechtsansicht

 

Beispiele häufig auftauchender Begründungen für verspätete Zahlungen (Praxisfälle) und deren Lösungen:

Begründungen für verspätete Zahlungen (Praxisfälle)
Lösung, rechtliche Beurteilung
Dem Mitarbeiter ist ein Fehler passiert, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht.     Grundsätzlich kein grobes Verschulden, sofern glaubhaft dargestellt ist, dass der Mitarbeiter sonst verlässlich ist und dass den Dienstgeber kein grobes Auswahl- und Überwachungsverschulden trifft. Die Büroorganisation muss dem Mindesterfordernis einer sorgfältigen Organisation entsprechen; dazu gehört die Vormerkung von Fristen und die Vorsorge durch entsprechende Kontrollen, dass Unzulänglichkeiten zufolge menschlichen Versagens voraussichtlich auszuschließen sind. Das Fehlen von Kontrollmaßnahmen in der Büroorganisation wäre als ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden anzusehen.
Die Bank hat nur ein Mal eine Überweisung verspätet durchgeführt.   Diesbezüglich liegt unterschiedliche UFS-Rechtsprechung vor – siehe oben (kein grobes Verschulden, wenn die Bank ansonsten verlässlich ist und die Überweisung trotz rechtzeitigen Auftrages und trotz ausreichenden Kontostandes verspätet durchgeführt wurde; aber auch: Der Abgabepflichtige hat jedenfalls für eine ausreichend rechtzeitige Überweisung dieser Bringschuld Sorge zu tragen).
Der Abgabepflichtige ist seinen Zahlungsverpflichtungen bislang immer pünktlich nachgekommen.  

Die Tatsache, dass Abgaben sonst immer pünktlich bezahlt wurden, rechtfertigt – über den Ausnahmetatbestand des § 169 Abs. 1 LAO hinaus gehend – nicht, dass der Säumniszuschlag als die objektive Säumnisfolge allein deswegen nicht anfiele.

Das umfangreiche tägliche Arbeitspensum und die große Papierflut brachten es mit sich, dass die Zahlung übersehen wurde.  

Wenn das „tägliche Arbeitspensum und die große Papierflut“ – also ein geschilderter Dauerzustand – zu Fehlleistungen führen, sind diese ja gewissermaßen ständig zu befürchten und liegt ein grobes Verschulden (zumindest Organisations- und Personalmangel, …) vor.

Die zuständige Mitarbeiterin war auf Urlaub und die zum Zeitpunkt der Überweisung etwas kränkliche Vertretung hat die Freigabe der Zahlungen übersehen.  

Nachdem von einer durchschnittlichen Urlaubsdauer von 1 bis 4 Wochen auszugehen ist, tauchen bestimmte (teils nur monatlich anfallende) Vorgänge während dieser Zeit für die Vertretung auch wohl nur ein Mal auf und erfordern daher schon grundsätzlich eine besonders genaue Anleitung und Überwachung der Vertretung; nochmals verstärkt dadurch, wenn auch diese Vertretung infolge des geschilderten angeschlagenen Gesundheitszustandes absehbar nicht voll leistungsfähig oder unkonzentriert sein könnte.

Die Belastung der um 8 Tage verspäteten Zahlung mit einem 2%igen Säumniszuschlag entspricht einem Zinssatz von über 90 %.

  Die bei zeitlich nur wenig verspäteter Abgabenentrichtung durch den Säumniszuschlag bewirkte rechnerisch hohe „Verzinsung“ des geschuldeten Abgabenbetrages ist sachlich nicht unbillig (VwGH 92/13/0256 vom 9. 11. 1994).

 

Praxiserfahrungen und abschließende Empfehlung

Seit der LAO-Novellierung durch LGBl. Nr. 68/2008 ist die Behandlung von Säumniszuschlag-Nichtfestsetzungs- und Herabsetzungsanträgen des Abgabepflichtigen im Einzelfall vorzunehmen und bedeutet – zumindest anfangs – einigen ungewohnten und angesichts der teils in Rede stehenden Beträge oft wohl auch unangemessen hoch erscheinenden Aufwand.
Dies darf jedoch die Abgabenbehörde keinesfalls davon abhalten, die Maßnahme der lückenlosen Einforderung eines Säumniszuschlages – eine zwingend objektiv eintretende Säumnisfolge – innerhalb der Verjährungsfrist (weiterhin) konsequent nachträglich einzufordern, zumal bei der Einforderung bzw. Festsetzung des Säumniszuschlages die oben beschriebenen Prüfungen und Beurteilungen überhaupt nicht (!) statt zu finden haben: Eine nicht fristgerechte Zahlung bedeutet weiterhin eine nachträgliche Belastung mit 2 % Säumniszuschlag – und erst nach einem etwaigen späteren Nichtfestsetzungs- oder Herabsetzungsantrag werden die in diesem Artikel geschilderten Erwägungen, ob (bzw. inwieweit) denn einen Abgabepflichtigen kein grobes Verschulden an einer nicht fristgerecht eingelangten Zahlung trifft oder nicht, bedeutsam.
Gemeinden, welche diese Bestimmung konsequent umzusetzen begonnen haben, berichten von einer deutlich bemerkbar verbesserten Zahlungsmoral, weil die Abgabepflichtigen den Säumniszuschlag als unausweichlich und als „unnötige Zusatzbelastung“ empfinden und den vielleicht auch ins Kalkül gezogenen Zinsengewinn als vollkommen verloren zu erkennen beginnen. Schließlich werden auch nur die wenigsten Herab- oder Nichtfestsetzungsanträge erfolgreich sein können – und auf Grund der sachlichen Voraussetzungen sicherlich kaum öfter als ein Mal...
Nachdem von den Gemeinden gesetzte Grenzen („erfolglose Anträge“) auch auf Seiten der Abgabepflichtigen wahr genommen werden, sollte sich dann die Anzahl der Herabsetzungs- oder Nichtfestsetzungsanträge nach einer gewissen Zeit auch wieder reduzieren.
Außerdem verringern grundsätzlich sämtliche Maßnahmen, welche zu einer zeitnäheren Einbringung von Abgaben führen, tendenziell das Ausfallsrisiko von Abgabenschulden und sind daher auch aus diesem Blickwinkel absolut gerechtfertigt – abgesehen von der gesetzlichen Verpflichtung, Nebengebühren wie den Säumniszuschlag einheben zu müssen, wenn die sachlichen Voraussetzungen (verspäteter Zahlungseingang) dafür vorliegen.


Robert Koch, 18.8.2009