StGN 5/6/2009, S 10
f
Herabsetzung
und Nichtfestsetzung von Säumniszuschlägen gemäß §
165 Abs 6 LAO
(Teil 2)
Von Robert Koch
Grundlegende Fragestellung
In den Steirischen Gemeindenachrichten
3/4/2009 wurde dargelegt, dass die Abgabenbehörden seit 22. 7. 2008 bei
allen Abgaben nach der LAO für die Erledigung von Säumniszuschlag-Nichtfestsetzungs-
und Herabsetzungsanträgen des Abgabepflichtigen im Einzelfall die eher
umständliche Frage zu klären haben, inwieweit den Abgabepflichtigen
im Einzelfall „kein grobes Verschulden“ an der eingetretenen Säumnis
im Sinne einer nicht fristgerechten Zahlung trifft: Liegt grobes Verschulden
vor, ist die beantragte Nichtfestsetzung bzw die beantragte Herabsetzung des
Säumniszuschlages (insoweit) nicht möglich. Die grundsätzliche
Beurteilung im Einzelfall kann anhand der folgenden Zusammenstellung der bisherigen
Begriffsbestimmungen und anhand der VwGH- und UFS-Rechtsprechung zur sinngleichen
BAO Bestimmung erfolgen. Stark vereinfacht zusammen gefasst ist dabei eine substantiierte
und konkrete Darstellung des fehlenden Verschuldens auf Seiten des Abgabepflichtigen
erforderlich, bloße Schutzbehauptungen („Ausreden“) und die
Darstellung der Umstände, die zur nicht fristgerechten Entrichtung der
Abgabe(n) geführt haben, reichen nicht.
Kein grobes Verschulden
- Nur leichte Fahrlässigkeit
(somit ein minderer Grad des Versehens) ist kein grobes Verschulden.
- Eine (lediglich) leichte
Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich
auch ein sorgfältiger Mensch begeht (z. B. VfGH 24. 2. 1998, B 2290/96,
G 176/96; VwGH 95/17/0112 vom 22. 11. 1996; 97/09/0134 vom 13. 9. 1999).
- Kein Verschulden liegt
vor, wenn Handlungen (z. B. einer unrichtigen Selbstberechnung) oder Unterlassungen
eine vertretbare Rechtsansicht zu Grunde liegt.
- Ein über den minderen
Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden liegt nicht vor, wenn der Ausspruch
in einem Zahlungserleichterungsbescheid, wonach Gutschriften nicht in die
zu leistenden Raten einzurechnen seien, dahin verstanden wird, dass Gutschriften
(auch) nicht zur Abdeckung des von der Zahlungserleichterung umfassten Abgabenrückstandes
herangezogen werden können, und damit bei der Entrichtung der laufenden
Abgaben Berücksichtigung finden müssten.
- Einen Abgabepflichtigen
kann kein Verschulden an einer Säumnis treffen, wenn in Wahrheit gar
keine Säumnis eingetreten ist und der Säumniszuschlag lediglich
durch einen Irrtum der Behörde erwirkt wurde. Vom Abgabepflichtigen,
welcher eine Gutschrift auf Grund einer Umbuchung erwartet, kann nicht verlangt
werden, die Abgabe zusätzlich vorsorglich durch Zahlung zu entrichten,
um der Gefahr einer Gegenverrechnung mit später zu entrichtenden Zahllasten
auf dem Abgabenkonto, von dem der Betrag umgebucht werden soll, zu entgehen.
Von den Gegenverrechnungen kann der Umbuchungsberechtigte naturgemäß
keine Kenntnis haben. Andernfalls würde die Möglichkeit der Entrichtung
durch Umbuchung immer zu Lasten des Berechtigten gehen. Nach Meinung des UFS
sei ausschlaggebend, dass im Zeitpunkt der Antragstellung ein ausreichendes
Guthaben bestanden hat.
- In einem Fall hat die
Abgabenbehörde irrtümlicherweise bescheidmäßig eine Zahlungsfrist
eingeräumt, die vom Abgabepflichtigen nur bei genauerer Betrachtung als
Nachfrist für die Nachforderung erkennbar gewesen wäre. Kein grobes
Verschulden im Sinne des § 217 Abs. 7 BAO kann vom UFS erblickt werden,
wenn dies nicht erkannt wird und daher Säumnisfolgen eintreten.
Grobes Verschulden –
z. B. durch die Verletzung von Sorgfaltspflichten
- Extremes Abweichen
von der gebotenen Sorgfalt ist subjektiv vorwerfbar – dies ist eine
ungewöhnliche und auffallende Sorgfaltsvernachlässigung.
- Auffallende Sorglosigkeit:
Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für
die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen
Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt (VwGH 99/01/0189
vom 12. 5. 1999).
- Der Verwaltungsgerichtshof
hat schon wiederholt ausgesprochen, dass die Büroorganisation dem Mindesterfordernis
einer sorgfältigen Organisation entsprechen muss. Dazu gehört insbesondere
die Vormerkung von Fristen und die Vorsorge durch entsprechende Kontrollen,
dass Unzulänglichkeiten zufolge menschlichen Versagens voraussichtlich
auszuschließen sind. Das Fehlen jeglicher Kontrollmaßnahmen in
der Büroorganisation sei als ein über den minderen Grad des Versehens
hinausgehendes Verschulden anzusehen.
- In einem vom UFS zu
entscheidenden Fall forderte das Finanzamt den Abgabepflichtigen auf, darzulegen,
wie sein Büro organisiert ist bzw. welche Vorkehrungen getroffen wurden,
um Fristversäumnisse grundsätzlich zu vermeiden. In den dazu abgegebenen
Stellungnahmen wurde nicht konkret dargetan, dass überhaupt und auf welche
Art und Weise der Abgabepflichtige bzw. sein gesetzlicher Vertreter der oben
dargelegten Kontrollpflicht nachgekommen wäre. Vielmehr wurde ausgeführt,
dass die Büroorganisation in der betreffenden Abteilung so „umgestellt“
worden sei, dass „in Zukunft“ grundsätzlich eine termingerechte
Abgabe von Steuererklärungen gewährleistet sei. Es sei ein Personalwechsel
erfolgt und „zusätzlich die Abteilungsleitung als Überwachungsfunktion
in diese Belange eingeschaltet“ worden. Dass bereits zuvor wirksame
Kontrollmechanismen zur Terminüberwachung bestanden hätten bzw.
wie diese konkret ausgestaltet gewesen wären, wurde nicht dargelegt.
Damit war aber von einem über den minderen Grad des Versehens hinausgehenden
Verschulden auszugehen. Auch hätte gerade die ins Treffen geführte
Installierung einer völlig neuen EDV-Soft- und Hardware samt den damit
naturgemäß verbundenen Umstellungsschwierigkeiten ein erhöhtes
Maß an Sorgfalt bei der Überwachung von Terminen (insbesondere
auch der Fälligkeitstermine von Abgabenschuldigkeiten) bedurft.
- Nach den Ausführungen
eines Abgabepflichtigen kommt es aus dem Blickwinkel des § 217 Abs. 7
BAO nicht auf ein Verschulden an der verspäteten Entrichtung der nicht
in die Stundung einbezogenen Abgabenschuldigkeiten, sondern vielmehr darauf
an, ob der Abgabepflichtige auffallend sorglos handelte, indem er die vom
Terminverlust betroffene Steuerzahlung verspätet entrichtete. Aus der
Sicht des UFS ist diese Frage zu bejahen, zumal die Verständigung über
den Eintritt des Terminverlustes den ausdrücklichen Hinweis darauf enthält,
dass die durch den Terminverlust ausgelösten Säumnisfolgen im Falle
einer Entrichtung der auf dem Abgabenkonto zahlbar gestellten Abgabenschuldigkeiten
bis zu einem bestimmten Termin vermieden werden könnten. Weiters wurde
der Abgabepflichtige darauf aufmerksam gemacht, dass ein allenfalls innerhalb
dieser Frist eingebrachtes neuerliches Ansuchen um Zahlungserleichterungen
als rechtzeitig gilt. Der Abgabepflichtige hat keinen Grund dafür angeführt,
weshalb er von diesen Möglichkeiten zur Vermeidung eines Säumniszuschlages
keinen Gebrauch machte. Die dem Abgabepflichtigen zumutbare Sorgfaltspflicht
hätte aber die Beachtung der in der Verständigung gemäß
§ 230 Abs. 5 BAO enthaltenen Hinweise erfordert.
Frage des Verschuldens Dritter
(Arbeitnehmer, Vertreter, Boten)
- Das (grobe) Verschulden
des Vertreters ist dem Verschulden des Vertretenen gleichzuhalten (siehe auch
Judikatur zu § 308 BAO; z. B. VwGH 99/15/0118 vom 25. 11. 1999; 2000/14/0006
bis 2000/14/0008 vom 26. 4. 2000).
- Das (grobe) Verschulden
von Organen juristischer Personen ist dem Verschulden der Vertretenen gleichzuhalten
(VwGH 90/15/0134 vom 8. 10. 1990).
- Das grobe Verschulden
eines Boten, dessen sich der Abgabepflichtige bedient, ist dann schädlich,
wenn den Abgabepflichtigen grobes Verschulden trifft – insbesondere
Auswahlverschulden oder Verletzung der nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht
(VwGH 90/11/0177 vom 9. 10. 1990).
- (Grobes) Verschulden
von Arbeitnehmern des Abgabepflichtigen (oder des Parteienvertreters) ist
nicht schädlich. Entscheidend ist diesfalls (ebenso wie bei der Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand), ob dabei dem Abgabepflichtigen selbst (bzw. dem Parteienvertreter)
grobes Verschulden (insbesondere grobes Auswahl- oder Kontrollverschulden)
anzulasten ist. Dies gilt auch bei Verschulden eines Boten. Der Umfang der
zumutbaren Überwachungs- und Kontrollpflicht ist stets nach den Umständen
des Einzelfalles zu beurteilen. Diese Pflichten dürfen nicht überspannt
werden; eine Überwachung „auf Schritt und Tritt“ ist nicht
nötig. Beispielsweise ist einem Parteienvertreter eine regelmäßige
Kontrolle der Kuvertierung durch eine verlässliche Kanzleikraft nicht
zumutbar. Ebenso ist dem Vorstand einer Aktiengesellschaft nicht zumutbar,
die zeitgerechte Durchführung aller Abgabenentrichtungen stets persönlich
zu kontrollieren.
- Von einem Kontrollverschulden
wird bei einer wiederholten Nichteinhaltung von Zahlungsterminen auszugehen
sein. In einem Berufungsfall lag zwar bereits einmal eine Säumnis vor,
jedoch handelte es sich diesbezüglich nicht um eine monatliche Zahlung
von Selbstberechnungsabgaben, sondern um den Sonderfall einer Nachzahlung
und der Betrag stellte für den Konzern eine äußerst geringfügige
Zahlung dar. Dem Vorbringen des Abgabepflichtigen, dass die gegenständlichen
Versäumnisse lediglich als Fehlleistungen einer ansonsten zuverlässigen
Mitarbeiterin zu werten sind, wurde vom UFS Glauben geschenkt.
- Ein Abgabepflichtiger
hat die Säumnis damit gerechtfertigt, dass eine langjährige Mitarbeiterin
zusätzlich zu ihrem bisherigen Aufgabenbereich „Recht und Steuern“
in der Abteilung Rechnungswesen auch die Leitung des Controllings bei der
GmbH übernommen hat, weshalb sie bis zur Einstellung und Einschulung
der neuen Mitarbeiterin für zwei Geschäftsbereiche zuständig
gewesen wäre. Der Abgabepflichtige hätte nach Ansicht des UFS damit
eingestanden, dass die langjährige Mitarbeiterin in diesem Zeitraum offenbar
überlastet war. Die in dieser Situation geforderte Konsequenz wäre
eine ausreichende verstärkte Überwachung und Unterstützung
seitens der Geschäftsführung gewesen, die solche Fehler verhindern
hätte können.
- Das Vorbringen des
Abgabepflichtigen, dass die Buchhalterin längere Zeit krank gewesen ist,
die Firma ansonsten immer rechtzeitig ihre Zahlungen getätigt hat und
die Auftragslage sehr schlecht ist, ist nach Ansicht der UFS nicht geeignet,
ein grobes Verschulden an der Verzögerung der Abgabenentrichtung auszuschließen.
Es wäre Aufgabe des Abgabepflichtigen gewesen, im Fall der Krankheit
der Buchhalterin den Terminkalender daraufhin zu überprüfen, ob
irgendwelche termingebundenen Aufgaben zu erledigen sind bzw. versäumt
werden könnten.
- In einem anderen Fall
wurde festgestellt, dass die in Rede stehende Umsatzsteuervoranmeldung fristgerecht
an die Abgabenbehörde übermittelt wurde. Laut Schreiben des Abgabepflichtigen
löste ein Tippfehler des Sachbearbeiters im Telebanking-Verfahren, der
bei der Eingabe der Fälligkeit der Überweisung irrtümlich statt
der Jahreszahl 2003 die Jahreszahl 2004 eingegeben habe, den Säumniszuschlag
aus. Dieses Verhalten ist zwar als fahrlässig einzustufen. Ein Auswahl-
oder Überwachungsverschulden des Abgabepflichtigen hinsichtlich des genannten
Sachbearbeiters, welches als grobes Verschulden im Sinne des § 217 Abs.
7 BAO zu werten wäre, ist nach Ansicht des UFS angesichts der glaubhaft
gemachten Fehlerquote im Zahlungsverkehr des Abgabepflichtigen von annähernd
Null nicht zu erblicken, zumal ansonsten den Zahlungsverpflichtungen immer
pünktlich nachgekommen wurde.
Im folgenden und abschließenden
Teil dieser Artikelserie zur Herabsetzung und Nichtfestsetzung von Säumniszuschlägen
werden weitere konkrete Sichtweisen des UFS und des VwGH zu den "üblichen"
bzw. gängigsten Argumentationslinien der Abgabepflichtigen und deren Vertreter
in diesem Zusammenhang dargestellt und wird versucht, trotz aller Komplexität
der angesprochenen Rechtsfrage eine verhältnismäßig einfache
und durchaus praktikable wie bewährte Praxisempfehlung für das Verwaltungshandeln
abzugeben.
Robert Koch, 30.6.2009