StGN 6/2008, S ...
Gastronomie-Getränkeabgabeverfahren
sind (von wenigen Ausnahmen abgesehen) abgeschlossen
Von Robert Koch
Die in drei Etappen – nämlich per 1. 1. 2000, per 9. 3. 2000 und mit Ablauf des 31. 12. 2000 – abgeschaffte Getränkeabgabe beschäftigt die Gemeindeabgabenverwaltung zum Teil immer noch recht intensiv: Inhaltlich und rechtlich fordern diese Verfahren mit europarechtlichem Hintergrund mit inzwischen veränderter Rechts- und Auslegungslage die Abgabenbehörden sehr, was auch erklärt, dass zeitlich gesehen längst schon rekordverdächtig lange dauernde Erledigungszyklen bestehen – sind doch in aller Regel Abgabenansprüche aus den Jahren 1995 bis 1999 verfahrensgegenständlich (u. a. siehe auch Steirische Gemeindenachrichten 6/2007, 9 f).
Kurzdarstellung der Rechtsprechung 2000 bis 2006
Aus der Zusammenschau
des EuGH-Urteils C-437/97 vom 9. 3. 2000 mit der österreichischen höchstgerichtlichen
Definition des Begriffes des „rechtzeitigen Rechtsbehelfs“ (siehe
VwGH 2000/16/0296 vom 19. 6. 2000 und Folgejudikatur) wurde vorerst auch in
der Gastronomie ein Anlass gesehen, die Verweigerung der Getränkesteuerrückzahlung
auf die so genannten „Bereicherungsverbote“ (z. B. § 186 Abs.
3 Steiermärkische Landesabgabenordnung – LAO, LGBl. Nr. 158/1963
in der Fassung LGBl. Nr. 69/2001) zu stützen.
Entsprechend den Vorgaben sowohl des VfGH (B 1735/00 vom 29. 11. 2000) als auch
des VwGH (2003/16/0148 vom 4. 12. 2003) wurden die Bereicherungsverbote konsequent
als in der LAO enthaltene eigenständige auf § 8 Abs. 1 F-VG 1948 basierende
materiellrechtliche Abgabennormen des Landesgesetzgebers vollzogen.
In weiterer Folge wurde auch die rückwirkende Inkraftsetzung der Bereicherungsverbote
als Ergebnis einer Vorabentscheidungsanfrage an den EuGH im Urteil C-147/01
vom 2. 10. 2003 als gemeinschaftsrechtskonform beurteilt.
Nach Bekanntwerden des EuGH-Urteils C-491/03 vom 10. 3. 2005 (Frankfurt am Main),
wonach eine (deutsche) Getränkesteuer auf überwiegend als Dienstleistung
anzusehende Lieferungen, auch wenn dabei alkoholische Getränke verabreicht
werden, als gemeinschaftsrechtskonform anzusehen ist, stellte sich die Frage,
inwieweit diese Judikatur auch auf österreichische Gastronomie-Rechtsbehelfsfälle
anwendbar sei, was der VwGH ausführlich und überzeugend im Erkenntnis
2005/16/0217 vom 27. 4. 2006 als auch für Österreich anwendbar erklärte.
Umsetzung der Judikatur aus 2005 und 2006
Daraufhin hat der Steiermärkische
Gemeindebund sehr rasch reagiert und den Gemeinden Anfang Juni 2006 landesweit
in Informationsveranstaltungen ausdrücklich dringendst empfohlen, allfällig
noch offene Bereicherungsverbots-Berufungsverfahren im Hinblick auf diese Entwicklungen
unverzüglich abzuschließen: In den dazu für die verschiedenen
Verfahrenssituationen bereit gestellten Musterbescheide wurde – verkürzt
dargestellt – eine rein „innerstaatliche“ Auslegung der materiellrechtlich
angewendeten Bereicherungsverbote unter deutlichen Hinweis auf das „Frankfurt-Urteil“
und vor dem Hintergrund der daher im Bereich der Gastronomie ohnehin als gemeinschaftsrechtskonform
zu betrachtenden Getränkeabgabe auf alkoholische Getränke skizziert.
Heute lässt sich rückblickend sagen, dass damit wohl beinahe alle
Gastronomiefälle des Bundeslandes Steiermark im Sinne der Gemeinden abgeschlossen
und (durch rechtskräftig gewordene Bescheide) Rückzahlungen rechtssicher
ausgeschlossen werden konnten.
Geänderte Judikaturlinie 2007
Dass diese Gastronomiefälle derart abgeschlossen werden konnten, ist gerade aus heutiger Sicht als sehr verfahrensökonomisch anzusehen, da der Verwaltungsgerichtshof die Anwendung der Bereicherungsverbote als gesonderte materiellrechtliche Abgabennormen nach vorher rechtskräftig abgeschlossenen Getränkeabgabeverfahren ohne Besteuerung alkoholischer Getränke nunmehr in seiner neuesten aus September/Oktober 2007 eingeschlagenen Judikaturlinie (2007/16/0078, 2007/16/0079, 2007/16/0123, 2007/16/0136, 2007/16/0137) als unzulässige weitere Abgabenfestsetzung ansieht, welche die vorbeschriebene im Frühsommer 2006 eingeschlagene Vorgangsweise als nicht ganz unproblematisch erkennen zulässt.
Lösungsmöglichkeiten in ausnahmsweise noch offenen Gastronomie-Verfahren
Allgemein ist für heute noch unerledigte Getränkeabgabeverfahren voraus zu schicken, dass dem Thema der möglichen Verjährung jedenfalls entsprechendes Augenmerk zu schenken ist (siehe auch StGN 6/2007, 9 f).
a) Sofern parallel noch „echte“ – d. h. eigentliche – Getränkeabgabeverfahren in der Gastronomie als unerledigte Anbringen, Berufungen oder Vorlageanträge offen sind, ist eine Besteuerung (auch) alkoholischer Getränke ohne Weiteres auf Basis der für diese Fälle weiterhin aktuellen Judikatur (EuGH C-491/03 vom 10. 3. 2005; VwGH 2005/16/0217 vom 27. 4. 2006) vollkommen unproblematisch und rechtlich einwandfrei möglich. Die Anwendung des Bereicherungsverbotes ist in diesen Fällen nicht (mehr) notwendig; entsprechende Verfahren können zum gegebenen Zeitpunkt „abgebaut“ werden.
b) In jenen Fällen, wo die Getränkeabgabeverfahren ohne Besteuerung alkoholischer Getränke rechtskräftig abgeschlossen und nur mehr Rechtsmittelverfahren in der Anwendung des Bereicherungsverbotes offen sind, könnte – sofern aus dem Berufungsvorbringen nicht bereits anderes geboten ist! – aus verwaltungsökonomischen Gründen weiterhin die innerstaatliche Anwendung des Bereicherungsverbotes vorgenommen werden. Schließlich besteht bereits auf breiter Basis eine hohe Akzeptanz und die Einsicht, dass sich die Getränkeabgabe in der Gastronomie auch auf alkoholische Getränke letztendlich als gemeinschaftsrechtskonform erwiesen hat. Daher kann derzeit auch hier weiterhin eine bedeutende Rechtskraftquote erwartet werden.
c) In Verfahrenskonstellationen mit rechtskräftig abgeschlossenen Getränkeabgabeverfahren ohne Besteuerung alkoholischer Getränke, wo die vorbeschriebene Vorgangsweise aus welchen Gründen auch immer nicht in Betracht kommt, kann entweder das Bereicherungsverbot im Sinne des § 186 Abs. 3 LAO rein verfahrensrechtlich angewendet und die Rückzahlungsverweigerung bloße auf die erfolgte (seitens der Behörde nachzuweisende) Überwälzung der gutgeschriebenen Getränkeabgabe auf alkoholische Getränke gestützt werden oder
d) es kann – sofern die Bemessungsverjährung noch nicht eingetreten ist – das („eigentliche“) Getränkeabgabeverfahren auf Basis der Rechtsgutachten von Ehrke-Rabel und von Lang amtswegig wieder aufgenommen und können dabei alkoholische Getränke besteuert werden. Die Zulässigkeit der Wiederaufnahme an sich ist allerdings strittig; ein vom Steiermärkischen Gemeindebund unterstützter Fall einer oststeirischen Stadtgemeinde ist bereits beim VwGH unter der Zahl 2008/16/0012 beschwerdeanhängig.
Gastronomiebetriebe mit Lieferungsumsätzen
Für unerledigte Fälle
von Gastronomiebetrieben, welche neben Dienstleistungsumsätzen auch Lieferungsumsätze
(z. B. Shoperlöse neben Tankstellencafés, Kombination Gasthaus und
Kaufhaus usw) erzielt haben und welche bisher weder verfahrensrechtlich-inhaltlich
noch im Vereinbarungswege lösbar waren, wird es vorerst unerlässlich
sein, im Bereich der alkoholischen Getränke die entsprechenden Umsatzanteile
(Dienstleistungen; Lieferungen) festzustellen. Im Bedarfsfall übernehmen
die Mitarbeiter unserer Prüfungsabteilung diese Umsatzermittlungen, ebenso
wie Umsetzung Ihrer allfälligen Vereinbarungsziele bei den Abgabepflichtigen
und deren Vertreter bis hin zur Konzipierung erforderlicher rechtskraftfähiger
Erledigungen im Einzelfall.
Für den ermittelten Anteil der Dienstleistungsumsätze (mit Veräußerung
alkoholischer Getränke) ist eine geeignete verfahrensrechtliche Lösung
im Sinne der vorbeschriebenen Möglichkeiten zu finden, wobei Anfang Mai
2008 auf Bundesebene durch Abschluss einer entsprechenden Rahmenvereinbarung
auch ein möglicher vereinfachter Umgang mit den Lieferungsumsätzen
gefunden wurde, weswegen auch in diesen Fällen einer „Gesamtlösung“
nichts mehr im Wege stehen sollte.
Robert Koch, 6.5.2008