StGN 5/2008, S 6-8
Die
Abschreibung von Landes- und Gemeindeabgaben
durch „Löschung“ und deren Widerruf
Von Robert Koch
Abschreibung von Abgaben
Die LAO kennt zwei Möglichkeiten
der „Abschreibung“ von Abgaben – nämlich die Löschung
im Sinne des § 182 Steiermärkische Landesabgabenordnung (LAO), LGBl.
Nr. 158/1963 i. d. F. LGBl. Nr. 69/2001, und die Nachsicht im Sinne des §
183 LAO. Die Löschung erfolgt von Amts wegen, während die Nachsicht
lediglich auf Antrag des Abgabepflichtigen erfolgen kann.
Ein Verfahrensrecht, welches derartige Maßnahmen nicht vorsehen würde,
wäre realitätsfremd und würde die Vollzugsorgane von Vornherein
in unlösbare Rechtskonflikte stürzen, denn die Erfahrung zeigt seit
jeher, dass öffentliche Abgabenansprüche letztendlich nicht immer
zur Gänze einbringlich sind.
Den verantwortlichen Personen und Gremien kann in diesem sensiblen Bereich –
gerade auch aus dem Blickwinkel der Interessenvertretung – unter Bedachtnahme
auf in ferner Zukunft nicht abschätzbare Entwicklungen einzelner Fälle
und des allgemeinen Umfeldes nur geraten werden, genau nach den Gesetzen vorzugehen
(siehe auch StGN 7/2003, 6 f, mit dem Dokumentationsvorschlag zum Schutz des
Bürgermeisters zur vielleicht auch in diesem Zusammenhang bereits im Vorfeld
verfügten Aussetzung der Einbringung).
Zuständigkeit für die Löschung
„Die gänzliche
oder teilweise Abschreibung … uneinbringlicher Forderungen öffentlicher
oder privatrechtlicher Natur“ fällt gemäß § 44 Abs.
1 lit. c Steiermärkische Gemeindeordnung 1967 – GemO, LGBl. Nr. 1967/115
in der Fassung LGBl. Nr. 49/2004, in den Wirkungskreis des Gemeindevorstandes.
Dieselbe Zuständigkeit gilt – sofern im Einzelfall von den Voraussetzungen
her wirksam werdend – auch für den Widerruf der Abschreibung durch
Löschung.
Voraussetzung für die Löschung
Inhaltliche Voraussetzung
für die Löschung ist eine nicht nur vorübergehende, sondern voraussichtlich
auch in Hinkunft nicht gegebene Uneinbringlichkeit von Abgaben.
Bei bloß vorübergehend anzunehmender Uneinbringlichkeit von Abgaben
kann die Aussetzung der Einbringung verfügt werden (§ 79 LAO; siehe
auch Steirische Gemeindenachrichten 7/2003, 6).
Löschung unter Widerrufsvorbehalt
Im Hinblick auf den möglichen
späteren Widerruf einer Abschreibung in Form der Löschung empfiehlt
es sich grundsätzlich, bereits im Löschungsbescheid ausdrücklich
sachlich gerechtfertigte Widerrufsvorbehalte auszusprechen: Der VwGH hält
dies eindeutig für unbedenklich und zulässig (VwGH 91/14/0163 vom
10. 12. 1991 und 90/14/0049 vom 8. 3. 1994).
Der VwGH erachtet jedoch als wirksamen Widerrufsvorbehalt nur eine inhaltlich
determinierte Aussage in einem Bescheid, welche erkennen lässt, unter welchen
Umständen ein Widerruf tatsächlich in Betracht kommt. Die Zurücknahme
bedürfe daher zureichender sachlicher Gründe, welche im kausalen Zusammenhang
mit der ursprünglichen Erlassung des Bescheides (!) stehen (VwGH 93/13/0072
vom 17. 9. 1997).
Im Hinblick auf vielleicht viele Jahre später geänderte Verhältnisse
bedeutet dies, dass beim Löschungsbescheid die Darstellung jener Gründe,
welche zur Löschung führen, zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt
noch elementar bedeutungsvoll werden kann! Daher sind auch Löschungsbescheide
– wenngleich vorerst kaum mit einer Berufung durch den begünstigten
Bescheidadressaten zu rechnen ist – in der Begründung jeweils weit
voraus schauend und mit großer Sorgfalt zu erlassen.
Löschungen sind bescheidmäßig zu verfügen
Dass § 217 LAO im
Zusammenhang mit dem Widerruf der Löschung von einer „Änderung
oder Zurücknahme eines Bescheides, der Begünstigungen, Berechtigungen
oder die Befreiung von Pflichten betrifft“, ausdrücklich von Bescheiden
spricht, ist weder Zufall noch Versehen, sondern nach der LAO-Systematik (siehe
auch § 69 LAO!) darin begründet, dass die Abschreibungsform der Löschung
auch nach höchstgerichtlicher Ansicht mit Löschungsbescheid zu erfolgen
hat (z. B. VwGH 84/15/0058, 0059 vom 30. 6. 1986).
Der Begriff der „Abschreibung“ ist dabei lediglich die buchungstechnische
Bezeichnung bzw die buchhalterische Abbildung der Löschung einer Abgabe
bzw. des Löschungsbescheides (siehe nochmals VwGH 84/14/0058, 0059 vom
30. 6. 1986).
Auswirkung der Löschung
§ 182 Abs. 2 LAO sieht ausdrücklich vor, dass der Abgabenanspruch durch die verfügte Abschreibung erlischt und nach Abs. 3 leg. cit. im Falle des Widerrufs (der Abschreibung durch Löschung) wieder auflebt.
Gibt es eine „Löschung ohne Bescheid“?
Nein. Wenn auch vielleicht bisher in Gemeinden Abschreibungen durch Löschung nicht bescheidmäßig vermeintlich „verfügt“ wurden , so ist in rechtlicher Hinsicht dazu Folgendes festzustellen:
Inhaltliche Voraussetzungen für den Widerruf der Löschung
Im Bedarfsfall erfolgt der Eingriff in eine (rechtskonform bescheidmäßig) verfügte Löschung durch Widerruf der Löschung: Maßnahmen im Sinne des § 217 LAO (darunter gemäß § 182 Abs. 3 LAO auch ausdrücklich der Widerruf der Abschreibung durch Löschung) sind Ermessensmaßnahmen („Eine … Zurücknahme eines Bescheides … ist … zulässig …“), welche nach Abs. 1 der letzterwähnten Gesetzesbestimmung unter folgenden Voraussetzungen zum Tragen kommen können:
Wichtig ist aber, dass
stets eine Änderung der tatsächlichen (für die seinerzeitige
Entscheidung verfügte Abschreibung Ausschlag gebenden) Verhältnisse
notwendige Voraussetzung ist, während eine nachträgliche Änderung
der Rechtsansicht über die Zulässigkeit der Abschreibung durch Löschung
keinen Eingriff in den Löschungsbescheid rechtfertigen würde!
Die in § 217 Abs. 1 lit. a und b LAO angeführten Fälle sind allerdings
bereits für sich zureichende sachliche Gründe für einen möglichen
Widerruf (VwGH 95/15/0091 vom 20. 2. 1997) – auch außerhalb von
allenfalls ausgesprochenen spezifischen Widerrufsvorbehalten.
§ 217 Abs. 2 würde sogar eine Änderung oder Zurücknahme
einer Löschung mit rückwirkender Kraft ermöglichen, wenn der
Bescheid durch wissentlich unwahre Angaben oder durch eine strafbare Handlung
herbeigeführt worden wäre.
Zeitliche Grenzen für den Widerruf der Löschung
§ 223 LAO gestattet
u. a. den Widerruf der Abschreibung durch Löschung „nur bis zum Ablauf
der Verjährungsfrist“. Eine BAO-Kommentarmeinung geht davon aus,
dass damit Bemessungs- und Einhebungsverjährungsfrist gemeint sind (Ritz,
Bundesabgabenordnung Kommentar, Orac, Wien, 1999). Damit würde der Abschreibungswiderruf
– sofern bis dahin entsprechende Verjährungsunterbrechungshandlungen
gesetzt wurden – auch der 15-jährigen (nur für die Bemessungsverjährung
maßgeblichen) „absoluten“ Verjährung unterliegen.
Es ist aber auch die Meinung vertretbar, dass § 223 LAO für den Widerruf
der Abschreibung durch Löschung auf die Bemessungsverjährungsfrist
nicht Bezug nimmt, da die Löschung und deren Widerruf reine Maßnahmen
im Bereich der Einhebung von Abgaben ohne jeglichen Bezug zur Abgabenfestsetzung
darstellen und dass daher in diesem Zusammenhang nur die Einhebungsverjährungsfrist
maßgeblich ist: Die Einhebungsverjährungsfrist wäre aber durch
Maßnahmen im Sinne des § 185 Abs. 2 LAO zeitlich unbegrenzt –
also auch über 15 oder 30 Jahre hinaus! – verlängerbar.
Praxistipp für erfolgte Löschungen
Ein Widerruf der Löschung
ist unter den beschriebenen Voraussetzungen – auch unter Beachtung der
oa restriktiven Kommentarmeinung – zumindest 15 Jahre lang möglich.
Bereits diese Zeitspanne ist im Hinblick auf mögliche Änderungen der
wirtschaftlichen Situation eines Abgabenschuldners (Änderung der Einkommensverhältnisse,
Erbschaften, …) im Vorhinein schwer einschätzbar. An diese Erkenntnis
schließt ein wichtiger allgemeiner Hinweis für den Umgang mit erfolgten
Löschungen: Der Rückstandsausweis als „gewöhnlicher Exekutionstitel“
im LAO-Verfahren gilt für sich jedenfalls auch nur 5 Jahre ab Ende des
Ausstellungsjahres und muss auch dessen Verjährung – um länger
„wirken“ zu können – stets rechtzeitig durch nach außen
erkennbare zur Durchsetzung des Abgabenanspruches unternommene Einhebungsmaßnahmen
unterbrochen werden!
Folgt man Ritz, wonach ein Widerruf der Löschung auch an die Grenze der
Bemessungsverjährung gebunden wäre, wäre in diesen Fällen
nach 15 Jahren ab Entstehen des Abgabenanspruches das zeitliche Ende der (Einhebungs-)
Verfolgbarkeit von Abgabenansprüchen gegeben; ansonsten – d. h.,
solange die höchstgerichtliche Judikatur nicht eine gegenteilige Betrachtung
gebietet – könnte man durchaus auch davon ausgehen, dass ein Widerruf
der Löschung innerhalb der beliebig verlängerbaren Einhebungsverjährungsfrist
möglich ist: Schließlich wird der Gesetzgeber jemandem, der inzwischen
als zahlungsunfähig eingeschätzt wurde oder es auch war (und weswegen
die Löschung verfügt wurde) gegenüber jenem Schuldner, der inzwischen
fortlaufend „verfolgt“ wurde und dem gegenüber Einhebungsverjährung
nach 15 Jahren noch nicht eingetreten wäre, wohl kaum durch Zugestehen
einer kürzeren Verjährungsfrist einen Vorteil zubilligen wollen.
Einkommenserzielung oder Vermögenserwerb nach Konkurs
Auch im Falle eines nach
Verteilung des Massevermögens aufgehobenen Konkurses und der folgenden
Abschreibung des die Verteilungsquote übersteigenden Betrages ist der Widerruf
der Abschreibung durch Löschung zu einem späteren Zeitpunkt immer
noch ohne Einschränkungen möglich, wenn der Abgabepflichtige wiederum
über entsprechende Mittel verfügt – und zwar so lange, wie die
Einhebungsverjährung noch nicht eingetreten ist (Ausnahmen: abgeschlossener
Ausgleich, Zwangsausgleich, Schuldenregulierungsverfahren).
Wird eine Forderung in einem Insolvenzverfahren unbestritten in das Anmeldungsverzeichnis
(§ 61 Konkursordnung, § 54 Ausgleichsordnung) eingetragen, gilt die
Forderung als in eine „Judikatsobligation“ umgewandelt, deren Verjährungsfrist
sogar automatisch 30 Jahre beträgt (OGH 2 Ob 59/88 vom 6. 12. 1988).
Vom Widerruf der Löschung ausgeschlossene Fälle
Vom späteren Wiederaufleben der Abgabenschuld durch Widerruf der Löschung sind jene insolvenzrechtlichen Vorgänge inhaltlich bereits von Vornherein ausgeschlossen, welche mit einer Entschuldung des Verpflichteten (somit Ausgleich, Zwangsausgleich, Schuldenregulierungsverfahren [„Privatkonkurs“]) endeten, sofern die entsprechenden in Rede stehende Gemeindeabgaben vom betreffenden Insolvenzverfahren umfasst waren und der quotenmäßige Zahlungsplan fristgerecht und vollständig bedient wurde.
Durchführung und Ausmaß des Löschungswiderrufs
Über den allfälligen
Widerruf der Löschung ist ebenfalls ein Bescheid auszufertigen: Dieser
ist mit Berufung anfechtbar (§ 189 LAO).
Die Zurücknahme oder Änderung eines Löschungsbescheides (es können
Abgaben auch nur teilweise gelöscht werden) hat im Sinne des § 217
LAO zu erfolgen – beispielsweise bei maßgeblicher Besserung der
Wirtschaftslage des Abgabepflichtigen (siehe VwGH 95/15/0042 vom 19. 3. 1998).
Folgen einer widerrufenen Löschung
Bei Widerruf (Zurücknahme oder Änderung) der Löschung lebt der Abgabenanspruch mit der ursprünglichen Fälligkeit wieder auf und ist dies auch durch eine entsprechende kontenmäßige Verbuchung abzubilden (der offene Betrag kann wieder eingebucht und dem Abgabepflichtigen als Sollstellung angelastet werden),
§ 182 Abs. 3 LAO
sieht daraufhin eine Nachfrist von zwei Wochen für die Abgabenentrichtung
vor; danach bedarf es in diesem Fall zur Vollstreckung keiner Mahnung (§
175 Abs. 4 lit. f LAO).
Innerhalb der oa Zweiwochenfrist gilt die zwangsweise Einbringung der Abgabe
unter Beachtung des § 178 Abs. 2 LAO als gehemmt – es sei denn, die
Gemeinde erlässt einen Vollstreckungsbescheid (§ 178 Abs. 7 LAO),
etwa weil während dieser Zeit Umstände hervorkommen, welche die Einbringung
der Abgabe gefährden oder zu erschweren drohen. Die Gefährdungs- oder
Erschwerungsgründe bezüglich der Einhebung sind im (ebenso rechtsmittelfähigen)
Vollstreckungsbescheid konkret anzugeben.
Exkurs: Sonstige Eingriffe in den Löschungsbescheid
Wenn die jeweils entsprechenden formellen und materiellen Voraussetzungen dazu gegeben sind, kann – abgesehen vom bereits ausführlich erörterten Widerruf – in einen erlassenen Löschungsbescheid gegen den Willen der Partei auch durch die Maßnahmen
eingegriffen werden. Von der Häufigkeit her sind diese Vorgänge weniger praxisbedeutsam und wäre im Zusammenhang mit dem Thema dieser Abhandlung nur zu ergänzen, dass für die Wiederaufnahme an sich die (in der BAO bereits 1992 bzw 1994 vom VfGH aufgehobene) in § 225 LAO normierte Grenze der Verjährungsfrist gilt, während Berichtigungsbescheide auch noch ein Jahr nach Eintritt der Rechtskraft des zu berichtigenden Bescheides erlassen werden dürfen.
Zusammenfassung
Die Abschreibung durch
Löschung ist bescheidmäßig vom Gemeindevorstand zu verfügen
und – gerade auch im Hinblick auf einen möglichen späteren Widerruf
– sorgfältig zu begründen, wobei entsprechende sachlich gerechtfertigte
wohlüberlegte Widerrufsvorbehalte ausgesprochen werden können und
sollten.
Ein Widerruf der Abschreibung durch Löschung ist innerhalb der Verjährungsfrist
möglich und wäre vom Gemeindevorstand bescheidmäßig zu
verfügen. Er bewirkt, dass der Abgabenanspruch wieder auflebt und binnen
zwei Wochen zur Zahlung fällig wird (ausgenommen der Abgabepflichtige ist
mittlerweile durch das Ergebnis eines mit Ausgleich abgeschlossenen Insolvenzverfahrens
„entschuldet“).
Ein Widerruf der Löschung kann durchaus auch noch nach 15 Jahren erfolgen
– etwa weil sich die wirtschaftliche Lage des Abgabepflichtigen unerwartet
gebessert hat: Daher ist der Unterbrechung der Einhebungsverjährungsfrist
auch bei bereits abgeschriebenen Gemeindeabgaben (!) im Zuge der Organisation
der laufenden Abgabenverwaltung entsprechende Bedeutung beizumessen.
Robert Koch, 31.3.2008