StGN 12/2007, S 5f

VwGH zur Getränkeabgabe (Steiermark):
Der Getränkeverkauf stellt auch im Selbstbedienungsrestaurant überwiegend eine „Dienstleistung“ dar

Von Robert Koch

Für die – unserem Wissenstande nach – relativ wenigen noch anhängigen Getränkeabgabeverfahren der Gastronomie und der „Mischbetriebe“ (zB Tankstelle mit Handel, Ausschankbetriebe mit niedrigerer Dienstleistungskomponente) hat der Verwaltungsgerichtshof eine weitere von uns stets vertretene Rechtsbeurteilung (siehe StGN 10/2006, 6 ff; StGN 8/9/2007, 8), wonach die gemeindliche Nachweisführung für das Überwiegen der Dienstleistungskomponente bei Getränkeumsätzen der Gastronomiebetriebe nicht überstrapaziert werden darf, neuerdings eindeutig ausdrücklich geteilt und im Ergebnis sehr positiv für die Gemeinden beurteilt.

Das Höchstgericht hat im Ende Oktober 2007 veröffentlichten VwGH-Erkenntnis 2007/16/0004 vom 18.9.2007 zu einem steirischen Musterfall ausgeführt, dass die Abgabe von Getränken in einem Selbstbedienungsrestaurant im Sinne des EuGH-Urteils vom 10.3.2005 (Hermann / Stadtgemeinde Frankfurt am Main) gemeinschaftsrechtskonform mit Getränkeabgabe besteuert werden darf:

„Wenn auch bekanntermaßen das Ausmaß der Dienstleistungen bei der Abgabe von Getränken in einem Selbstbedienungsrestaurant weit geringer sind als in anderen Restaurants, dann darf nicht übersehen werden, dass nach dem bereits zitierten Urteil des EuGH vom 2. Mai 1996, Rs C-231/94, Restaurationsumsätze, die in der Abgabe von Speisen und Getränken zum sofortigen Verzehr bestehen, keine Lieferungen von Gegenständen im Sinne von Art. 5 der Sechsten Richtlinie 77/388, sondern Dienstleistungen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie sind. Werden die Getränke in einem Selbstbedienungsrestaurant zum sofortigen Verzehr abgegeben, erfolgte dies im Sinne des zitierten Urteils im Rahmen einer Dienstleistung und es liegen damit "Restaurationsumsätze" vor, auf die nach den Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts Getränkeabgabe erhoben werden darf. Bei der Abgabe von Getränken in Selbstbedienungsrestaurants steht dem Konsumenten die gesamte Infrastruktur eines "Restaurants" samt seinen Einrichtungen auch während der Konsumation der Getränke zur Verfügung (vgl. die zu einem weiteren Betrieb der beschwerdeführenden Partei in einem obiter dictum des Erkenntnisses vom 29. März 2007, Zl. 2006/16/0138, festgehaltene Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes für das dort fortgesetzte Verfahren). Dass die Getränke nicht zum sofortigen Verzehr abgegeben wurden, wurde von der beschwerdeführenden Partei nicht behauptet. Im Übrigen ist entgegen der Behauptung in der Beschwerde in den Auflagen der erteilten Konzessionen auch eine gratis benützbare Toiletteanlage zwingend vorgeschrieben. Das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Garderobe ist nicht entscheidungserheblich.
Aus diesen Erwägungen erweist sich die Vorschreibung der Getränkeabgabe auch für die im Selbstbedienungsrestaurant abgegebenen alkoholischen Getränke aus den von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen als nicht rechtswidrig.“

Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu Folgendes begründend erwogen: „Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 27. April 2006, Zl. 2005/16/0217, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH entschieden, dass die Einhebung der Getränkesteuer auf die Abgabe von alkoholischen Getränken im Rahmen einer Dienstleistung nicht gemeinschaftsrechtswidrig ist.
Im Beschwerdefall ist strittig, ob solche Dienstleistungen vorlagen.
Das Vorliegen einer Dienstleistung ist aus einer Gesamtbetrachtung zu ermitteln und in jedem Beschwerdefall für jeden besteuerten Umsatz festzustellen (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 27. April 2006, Zl. 2005/16/0217, mit den Entscheidungsgründen des Urteils des EuGH vom 10. März 2005, Rs C-491/03).“

Im weiteren zitiert der VwGH den Leitsatz sowie die Punkte 12 bis 14 der Entscheidungsgründe des EuGH-Urteils in der RS C-231/94 vom 2. Mai 1996 (Faaborg-Gelting Linien A/S, Slg. 1996, I-02395), wonach das Wesen bestimmter Umsätze darüber entscheidet, ob die Lieferung von Gegenständen oder Dienstleistungen vorliegen. Dies sei im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu ermitteln, wobei die Abgabe von Speisen und Getränken zum sofortigen Verzehr als Ergebnis einer Reihe von Dienstleistungen vom Zubereiten bis zum Darreichen der Speisen anzusehen sei.
Die dem Gast zur Verfügung gestellte organisatorische Gesamtheit (Speisesaal, Nebenräume, Garderobe, Mobiliar, Geschirr, Gedeck auflegen, Beratung des Gastes, Erklärung der Speisen und Getränke, Servieren, Abräumen der Tische, …) kennzeichne somit den Restaurationsumsatz durch eine Reihe von Vorgängen, von denen nur ein Teil in der Lieferung von Nahrungsmitteln bestehe, während die Dienstleistungen bei weitem überwiegen.
Etwas anderes gelte hingegen, wenn sich der Umsatz auf Nahrungsmittel „zum Mitnehmen“ beziehe und daneben keine Dienstleistungen erbracht werden, die den Verzehr an Ort und Stelle in einem geeigneten Rahmen ansprechend gestalten sollen.
Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall zunächst auf den Inhalt der erteilten (gastgewerblichen) Konzession verwiesen und danach die Art und Weise der Abgabe der Getränke im Selbstbedienungsrestaurant dargestellt und sei dabei zum Ergebnis gekommen, die Getränkeabgabeeinhebung auf alkoholische Getränke erfolge auch im vorliegenden Selbstbedienungsrestaurant auf Dienstleistungen und sei somit gemeinschaftsrechtskonform erfolgt.
Der VwGH ist dieser Ansicht im vorliegenden Fall – bemerkenswerterweise einer Filiale einer bekannten amerikanischen Fastfood-Kette – uneingeschränkt gefolgt, wenngleich er auch zutreffend festhält, dass in einem Selbstbedienungsrestaurant die Dienstleistungskomponente wesentlich geringer als in anderen Restaurants ist.

Zusammenfassend beurteilt der VwGH auch die in einem Selbstbedienungsrestaurant zum sofortigen Verzehr abgegebenen Getränke auch als im Rahmen einer Dienstleistung verabreichte Getränke, welche als Restaurationsumsätze gemeinschaftsrechtskonform mit Getränkesteuer belastet werden dürfen.
Es kann damit davon ausgegangen werden, dass auch die übrigen in der Steiermark anhängigen Getränkeabgabefälle der Gastronomie unter Berufung auf das erwähnte „Frankfurt-Urteil“ des EuGH (mit unseren Musterbescheiden) gelöst werden können, wenn auch die Dienstleistungskomponente im Einzelfall branchentypisch gesehen nur „unterdurchschnittlich“ ausgeprägt sein sollte – wie dies etwa bei Buffets, SB-Restaurants, Thekenbetrieben, Tankstellencafés Jausenstationen und dergleichen der Fall sein könnte.

Robert Koch, 5.11.2007

Korrektur nach Redaktionsschluss:
Beim vorliegenden Fall handelt es sich nicht um eine "Filiale einer bekannten amerikanischen Fastfood-Kette" sondern um ein Selbstbedienungsrestaurant einer (ehemaligen) genossenschaftlich organisierten Lebensmittel-Einzelhandelskette.
Robert Koch, 21.11.2007