StGN 6/2007, S 9-10
Ernster Zeithorizont bei offenen Getränke- und Speiseeisabgabe-Verfahren
Von Robert Koch
1. Entscheidungspflicht (6 Monate), Verjährung (5 Jahre)
Typischer Weise sind Getränke-
und Speiseeisabgabe-Verfahren für Abgabenzeiträume ab 1.1.1995 Gegenstand
inhaltlicher und verfahrensrechtlicher Auseinandersetzungen aus dem Grunde behaupteter
und teilweise erwiesener Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Abgabe.
Als offene Getränkeabgabeverfahren sind dabei solche Konstellationen anzusehen,
wo noch unerledigte Anbringen (zB Rückzahlungsanträge, Festsetzungsanträge
und Rechtsmittel wie Berufungen oder Vorlageanträge) im Zusammenhang mit
der Getränke- und Speiseeisabgabe oder im Zusammenhang mit der Anwendung
des Bereicherungsverbotes (§ 186 Abs 3 LAO) vorliegen. Abgesehen von der
in § 232 LAO normierten Verpflichtung, über Anbringen der Parteien
stets ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden, sprechen auch Motive der
grundsätzlich 5-jährigen (unterbrechungsfähigen) Bemessungs-
und/oder Einhebungsverjährung dafür, sich diesen allfällig noch
offenen Rest-Verfahren verfahrensrechtlich und inhaltlich ehest in einem möglichst
geordneten Verwaltungsablauf zu stellen.
2. Absolute Verjährung (15 Jahre)
Nachdem das Recht der Partei auf
Erledigung eines Anbringens nicht untergeht, droht nämlich – ganz
abgesehen von der Möglichkeit zur Einbringung einer Säumnisbeschwerde
durch die Partei (allenfalls nach Devolutionsantrag, wenn auch die Abgabenbehörde
erster Instanz noch nicht entschieden hat) – die so genannte „absolute“
Verjährung (§ 158 Abs 3 LAO), wonach nach 15 Jahren seit der Entstehung
des Abgabenanspruches sämtliche Festsetzungs- und Einbringungsmaßnahmen
ausgeschlossen sind. Die absolute Verjährungsfrist kann in ihrem Lauf weder
durch Hemmung noch durch Unterbrechung je verlängert werden.
Wenn es die Behörde (unter Einrechnung aller Verjährungsunterbrechungen)
bis zu diesem Zeitpunkt nicht „geschafft“ hat, eine Abgabe auf Grund
geeigneter Festsetzung einzuheben, kann sie nach diesem Zeitpunkt keinesfalls
mehr Abgaben einheben. (Daran ändert nach Eintritt der absoluten Verjährung
auch die Bestimmung des § 158a LAO nichts, wonach eine in einer Berufungsentscheidung
vorzunehmende Abgabenfestsetzung auch außerhalb der Bemessungsverjährung
zulässig wäre.)
3. Rückforderungsbedrohung (30 Jahre)
Wenn es die Behörde innerhalb der 15-jährigen absoluten Verjährungsfrist nur nicht „geschafft“ hat, die Abgabe (etwa abweichend von einer Nullerklärung oder in Erledigung eines Rückzahlungsantrages) festzusetzen, den ursprünglichen „Abgabenbetrag“ aber teilweise oder zur Gänze eingenommen hat, würde ein allfälliger Rückzahlungsanspruch (zB als Rückforderung der Zahlung einer Nichtschuld) laut VwGH 85/17/0048 vom 14.3.1986 allerdings erst nach 30 Jahren erlöschen; auch Abrechnungsbescheide – so der VwGH im erwähnten Erkenntnis weiter – können innerhalb der 30-jährigen Verjährungsfrist (§ 1478 ABGB) beantragt werden.
Dazu ein konkretes Beispiel:
Der Getränkeabgabe-Anspruch des Monats Jänner
1995 entstand gemäß § 10 Abs 1 Getränke- und Speiseeisabgabegesetz
1993, LGBl 1994/19, (bei Fakturenversteuerung) durch den Einkauf bzw (bei Erlösversteuerung)
durch die Lieferung von Getränken zwischen 1.1. und 31.1.1995. Mit
Ablauf des Jänner 2010 – somit in nur mehr zweieinhalb Jahren! –
tritt hinsichtlich dieses typischer Weise ersten
Teilzeitraums bereits die absolute Verjährung ein:
Hat es die Behörde bis dorthin nicht geschafft, die hierauf entfallende
Abgabe einzuheben, darf sie die Abgabe (trotz allenfalls ausreichender Handlungen
zur Unterbrechung der Einhebungsverjährung) nicht mehr einheben!
Hat die Behörde bis dahin keine Abgabenfestsetzung vorgenommen, den Betrag
aber bereits eingehoben, wäre die Behörde einer möglichen Rückforderung
der bezahlten Abgabe bis 30 Jahre nach Zahlung der Abgabe schutzlos ausgeliefert.
Angesichts unseres Erfahrungswertes, dass die noch unerledigten Getränkeabgabeverfahren
einerseits meist betragsmäßig bedeutsam und anderseits auch inhaltlich
eher kompliziert sind, spricht dies sehr massiv für eine möglichst
straffe Fortführung unerledigter Verfahren.
4. Gastronomie-Rechtsmittelverfahren weitestgehend abgeschlossen
Die noch offen gewesenen Gastronomie-Verfahren
konnten in der Regel – wie von uns im Frühsommer 2006 bei den diesbezüglichen
Informationsveranstaltungen dargelegt – durch Anwendung des EuGH-Urteils
C-491/03 vom 10.3.2005 (Hermann/Stadt Frankfurt am Main) und des VwGH-Erkenntnisses
2005/16/0217 vom 27.4.2006 (Anwendbarkeit des vorerwähnten EuGH-Urteils
auf österreichische Gastronomiefälle, Besteuerungsrecht von Lieferungen
und Dienstleistungen) erledigt werden.
In jenen Fällen, wo seitens der Unternehmer bzw seitens deren Parteienvertreter
in den materiellrechtlich verschiedenen Bereicherungsverbot-Verfahren die Nicht-Anwendbarkeit
dieser Getränkeabgabe-Judikatur wegen rechtskräftiger Beendigung der
„eigentlichen, echten“ Getränkeabgabeverfahren (im Sinne des
EuGH-Urteils C-437/97 vom 9.3.2000 ohne Besteuerung alkoholischer Getränke)
ins Treffen geführt wurde, war bzw ist eine amtswegige Wiederaufnahme der
Getränkeabgabeverfahren auf Basis der Rechtsgutachten von Ehrke-Rabel und
Lang innerhalb der Bemessungsverjährungsfrist möglich, um dem „Frankfurt-Urteil“
rechtlich zum Durchbruch zu verhelfen.
Wenn und wo dies (zB bei „Mischbetrieben“ mit einem Handelsteil)
nicht oder nicht zur Gänze möglich ist, wäre leider – zumindest
zum Teil – das Bereicherungsverbot in seiner unangenehmen und aufwändigen
Form zu bemühen.
5. Rechtsmittelverfahren der Handelsbetriebe in der Endphase
Zur Auslegung des Bereicherungsverbotes
der „noch im Rennen“ befindlichen Rechtsbehelfs-Zeiträume der
Handelsbetriebe ist zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses dieser Ausgabe der
Steirischen Gemeindenachrichten noch ein Beschwerdeverfahren eines Linzer Handelsbetriebes,
der „U HandelsgmbH & Co KG in T, einer Supermarktkette in der Art
eines Billiganbieters“, unter der Zahl 2005/16/0247 vor dem VwGH anhängig;
eine Entscheidung wird im Frühsommer 2007 erwartet.
Es handelt sich dabei um das Folgeverfahren des VwGH-Erkenntnisses 2004/16/0226
vom 10.3.2005, wo die Stadtgemeinde Linz nach einem entsprechenden Ermittlungs-,
Vorhalte- und Beweiswürdigungsverfahren von einer weitestgehend erfolgten
Überwälzung der auf alkoholische Getränke entfallenden Getränkeabgabe
auf den Konsumenten und demnach von einer Rückerstattungsquote im einstelligen
Bereich ausgegangen ist.
Der VwGH konnte dieser rechtlichen Beurteilung allerdings nicht folgen, weil
er die Umstände des konkreten Einzelfalls im Sinne seiner ausdrücklich
zitierten Vorjudikatur (VwGH 2003/16/0148, 2004/16/0128 und 2004/16/0199) nicht
ausreichend berücksichtigt fand und dass „dieser Bescheid ergänzungsbedürftig
ist bzw. von nicht nachvollziehbaren Annahmen ausgeht“.
Nachdem dem Ausgang des folgenden „nachgebesserten“ Verfahrens wesentliche
Indizwirkung für andere Handelsbetriebe zukommen dürfte, haben Städte-
und Gemeindebund in einer Ende April bzw Anfang Mai 2007 an alle Mitgliedsgemeinden
ergangenen gemeinsamen Aussendung dringend empfohlen, inzwischen keine „Vergleichsverträge“
abzuschließen.
Vom weiteren Verlauf dieser Angelegenheit werden wir unsere Mitgliedsgemeinden
zeitnah auf dem Laufenden halten.
Robert Koch, 3.5.2007