StGN 10/2006, Seite 6 bis 8

Getränkeabgabepflicht in der Gastronomie für bis 8.3.2000 erfolgte Lieferungen alkoholischer Getränke

Von Robert Koch

Übersicht:

 

Veränderte Ausgangslage

Der EuGH (Fünfte Kammer) hat die österreichische Getränkesteuer auf alkoholfreie Getränke und Speiseeis im Urteil C-437/97 vom 9.3.2000 in Rz 29 ausdrücklich als mit Artikel 3 Absatz 3 der Verbrauchsteuerrichtlinie vereinbar beurteilt. Bei seiner weiteren Beurteilung – nämlich hinsichtlich der alkoholischen Getränke – hat er allerdings keine Differenzierung in Handels- und Dienstleistungsumsätze vorgenommen (obwohl er in Rz 12 beim Erstbeschwerdeführer ausdrücklich von einem Gastronomiebetrieb auszugehen hatte) und in weiterer Folge die Getränkeabgabe auf alkoholische Getränke undifferenziert und pauschal als mit Artikel 3 Absatz 2 der Verbrauchsteuerrichtlinie unvereinbar befunden.
Die Erste Kammer des EuGH hat hingegen im Urteil C-491/03 vom 10.3.2005 (Ottmar Hermann als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Volkswirt Weinschänken GmbH gegen Stadt Frankfurt am Main) die Besteuerung von alkoholischen Getränken im Rahmen des Ausschanks als zulässige Besteuerung von Dienstleistungen angesehen.

 

Steuerpflicht alkoholischer Getränke eindeutig gegeben

Wie in unseren regionalen Informationsveranstaltungen im Juni 2006 dargelegt, ist die Besteuerung von (wenn auch vom Gesetz- und/oder Verordnungsgeber als „Lieferungen“ bezeichneten) Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Veräußerung alkoholischer Getränke – somit der „Restaurationsumsätze“, also dem Getränkeverkauf mit überwiegender Dienstleistungskomponente im Entgelt – vor allem im Hinblick auf die Verbrauchsteuerrichtlinie europarechtlich unbedenklich und daher zulässig.
Diese Rechtsansicht und ihre Geltung auch für österreichische Gastronomie-Rechtsbehelfsfälle gründet sich auf das oa EuGH-Urteil C-491/03 vom 10.3.2005 und auf das VwGH-Erkenntnis 2005/16/0217 vom 27.4.2006 - dies allerdings in teilweiser Abkehr zum EuGH-Urteil C-437/97 vom 9.3.2000 und in vollkommener Abkehr zum VwGH-Erkenntnis 2000/16/0675, 0676 vom 26.4.2001.

 

Ist nun das Überwiegen der Dienstleistungskomponente für jedes einzeln verkaufte alkoholische Getränk zu prüfen?

Nein, denn grundsätzlich liefern Art der Gewerbeberechtigung und die tatsächliche Betriebsführung einfache, aber verlässliche und ausreichend aussagekräftige Anhaltspunkte für den Einzelfall, um von einer „Bewirtungstätigkeit“ und damit bei einer normalen (nicht extrem niedrigen) Preisgestaltung vom Überwiegen der Dienstleistungskomponente im Getränkeentgelt ausgehen zu können.
Daher erachten wir die vereinzelt in Berufungen und sonstigen Anbringen der Parteien und ihrer Vertreter als grundsätzlich notwendig aufgestellte Forderung einer Nachweisführung wie in der Überschrift angeführt angesichts der eindeutigen Aussagen des EuGH und des VwGH als unbegründet sowie als eine verzichtbare und eindeutig überzogene Forderung: Der VwGH hat ja in seinem Erkenntnis 2005/16/0217 vom 27.4.2006 direkt einen der Leitsätze des EuGH-Urteils C-231/94 vom 2.5.1996 (Faaborg-Gelting Linien A/S) übernommen: "Restaurationsumsätze, die in der Abgabe von Speisen und Getränken zum sofortigen Verzehr bestehen, stellen keine Lieferungen von Gegenständen im Sinne von Artikel 5 der Sechsten Richtlinie 77/388 dar, sondern sind als Dienstleistungen im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 dieser Richtlinie anzusehen. Solche Umsätze sind nämlich durch eine Reihe von Vorgängen gekennzeichnet, von denen nur ein Teil in der Lieferung von Nahrungsmitteln besteht, während die Dienstleistungen bei weitem überwiegen."

Dass allerdings in besonderen Einzelfällen eine Prüfung einzelner Umsatzteile eines Unternehmens sehr wohl angebracht sein kann, soll andererseits auch nicht von Vornherein in Abrede gestellt werden, da bei bestimmten Verkaufskonstellationen Umsatzteile ohne Überwiegen der Dienstleistungskomponente bewirkt worden sein könnten – dazu nachfolgend einige möglicherweise untersuchenswerte Beispiele: Gastronomiebetrieb mit einem angeschlossenen Kaufhaus, Gasthaus mit durch Aufzeichnungen nachgewiesenem und erheblich preisreduziertem über-die-Gasse-Verkauf, Tankstellenbuffet mit Ladenverkauf (zB Selbstbedienungs-Flaschenverkauf zum Mitnehmen aus dem Kühlschrank), in Ausnahmefällen bei Vorliegen entsprechend nachprüfbarer Aufzeichnungen und Kalkulationen erheblich preisreduzierte Paketpreise („1/2 Hendl und 1 Bier“).

Sogar bei Selbstbedienungsrestaurants, einfachen Buffets und ähnlichen Betrieben ist jedoch keinesfalls von Vornherein gesagt, dass nicht auch hier bei der Abgabe alkoholhaltiger Getränke an Kunden im Rahmen einer (unter anderem durch Bestellvorgang und Herausgabe eines Getränks gekennzeichneten) Bewirtungstätigkeit dem überwiegenden und damit maßgeblichen Charakter nach „Dienstleistungen“ vorliegen würden: Schließlich ist die „Abgabe von Getränken das Ergebnis einer Reihe von Dienstleistungen“, welche „nach ihrem Wesen ... im Rahmen einer Gesamtbetrachtung“ zu beurteilen ist, so ausdrücklich EuGH und VwGH (EuGH C-231/94 vom 2.5.1996; VwGH 2005/16/0217 vom 27.4.2006). Letztendlich ist in diese Betrachtung des Getränkeverkaufs als „Dienstleistung“ oder als „Lieferung“ unter der vom VwGH geforderten Beachtung des Kostenäquivalenzprinzips nicht nur das Servieren oder das Bedienen selbst gemeint, sondern es sind wohl auch hier alle „mit dem Servieren des Getränkes verbundenen Dienstleistungskosten“ (VwGH) – somit die gesamte gastronomische Infrastruktur – mit einzubeziehen, weswegen sich ja auch der Verkaufsreis eines alkoholischen Getränks im Selbstbedienungs-Gastronomiebetrieb immer noch erheblich von jenem eines Handelsbetriebes unterscheidet. Der VwGH hat dazu (beispielhaft) schon ausdrücklich von folgenden über ein Verkaufsregal hinaus gehenden zu berücksichtigenden Dienstleistungskomponenten gesprochen: „Zurverfügungstellung einer Infrastruktur, die einen möblierten Speisesaal mit Nebenräumen (Garderobe, Toiletten usw.) umfasst, … die Beratung und Information der Kunden hinsichtlich der servierten Getränke, … die Darbietung der Getränke in einem geeigneten Gefäß, … die Bedienung bei Tisch und schließlich … das Abdecken der Tische und die Reinigung nach dem Verzehr“, somit ein „Bündel von Elementen und Handlungen …, von denen die Lieferung des Gegenstands selbst nur einen Bestandteil darstellt und bei denen die Dienstleistungen überwiegen“.

Betriebe, welche auch bisher ein "Bedienungsgeld" von der Bemessungsgrundlage der Getränkeabgabe abgezogen hatten, liefern allerdings selbst ein starkes zusätzliches Merkmal dafür, dass bei den in Rede stehenden Umsätzen sehr wohl Dienstleistungen vorlagen.
Wenn bzw inwieweit letztendlich die Dienstleistungskomponente im Einzelfall des offenen Rechtsbehelfsfalles doch nicht überwiegen sollte, wird allerdings seitens der Gemeinden wiederum insoweit, als von einer Überwälzung der Getränkeabgabe auszugehen ist, dennoch keine Rückzahlung von Abgaben(teil)beträgen zu erfolgen haben, weil die als gemeinschaftsrechtskonform und als verfassungskonform bestätigte Bestimmung des § 186 Abs 3 LAO („Bereicherungsverbot“) dies ausschließt.

 

Übersicht über die Steuerpflichten im Jahr 2000

Alkoholfreie Getränke, Aufgussgetränke und Speiseeis sind bis zum Auslaufen der Getränkeabgabe – somit bis zum 31.12.2000 – abgabepflichtig.
Dies gilt sowohl für den Handel als auch für die Gastronomie.

Alkoholische Getränke: Im Handel besteht die Getränkeabgabepflicht auf alkoholische Getränke nur für Lieferungen bis 31.12.1999, wobei diese in rechtzeitigen Rechtsbehelfsfällen im Wege des Bereicherungsverbotes insoweit durchzusetzen ist, als die Überwälzung der Steuer seitens der Gemeinde unter Mitwirkung des Abgabepflichtigen nachgewiesen werden kann.
Anders aber in der Gastronomie: Bereits wiederholt haben wir darauf hingewiesen, dass bis einschließlich 8.3.2000 bewirkte entgeltliche Lieferungen alkoholischer Getränke (europarechtlich: „Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Abgabe alkoholischer Getränke im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit“) ebenfalls noch steuerbar sind.
Die auf bis 8.3.2000 bewirkte Lieferungen (Dienstleistungen) entfallende Getränkeabgabe ist daher in Abgabenerklärungen noch zu erklären und abzuführen.

 

Widerspruch zum Erlass der Landesregierung?

Die Fachabteilung 7A des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung hat allerdings am 28.10.2002 einen Erlass bzw eine Information (GZ.: FA7A-482-101/95-207) heraus gegeben, wonach für Zeiträume nach Dezember 1999 eine Getränkeabgabe auf alkoholische Getränke nicht mehr eingehoben werden könne.
Der Steiermärkische Gemeindebund hat diese Information unter Bedachtnahme auf das später ergangene EuGH-Urteil C-491/03 vom 10.3.2005 und unter Bedachtnahme auf das VwGH-Erkenntnis 2005/16/0217 vom 27.4.2006 für die Gastronomie danach gegenüber der FA 7A ausdrücklich als "ergänzungsbedürftig" eingestuft, weil die Besteuerung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Bewirtungstätigkeit mit alkoholischen Getränken (auch in Rechtsbehelfsfällen) mittlerweile als gemeinschaftsrechtskonform zu betrachten und daher auch zwingend zu vollziehen ist:
Basis der Abgabenerhebung sind das Getränke- und Speiseeisabgabegesetz 1993, LGBl 1994/19 in der (immer noch geltenden) Fassung LGBl 62/2001, bzw § 14 Abs 1 Z 8 Finanzausgleichsgesetz 1997 (FAG 1997) in Verbindung mit § 15 Abs 3 Z 2 leg cit in der bis zum 8.3.2000 geltenden Fassung (BGBl 201/1996 bis zur Fassung BGBl I 130/1997) unter Beachtung des § 23 Abs 3c FAG 1997, BGBl 201/1996 in der Fassung BGBl I 106/1999.
Seitens der Landesregierung wird dazu mitgeteilt, die Rechtslage werde absolut übereinstimmend beurteilt (Steuerpflicht alkoholischer Getränke in der Gastronomie bis 8.3.2000), doch sei das Schriftstück der FA 7A vom 28.10.2002 nicht zwingend als „Erlass“, sondern nur als bloße Empfehlung anzusehen, aus welcher sich keine verbindlichen Rechtswirkungen ableiten würde.
Aber auch wenn man dem Schriftstück Erlasscharakter beimesse, entfalte die in Rede stehende (als „amtsinterner Erlass“) anzusehende Ausfertigung vom 28.10.2002 keine Rechtswirkungen mehr, weil nach einem Erlass der Organisationsabteilung des Landes Steiermark (FA1A-24.00-49/99-27; Erlass FA1A - 7/2005 vom 31.10.2005) auch ein solcher Getränkeabgabe-Erlass aus 2002 (mangels Wiederverlautbarung nach drei Jahren) mittlerweile durch Zeitablauf automatisch außer Kraft getreten sei.
Daher ist die aufgezeigte mit der aktuellen Rechtsprechung überein stimmende Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde zu beachten, wonach auch in Gastronomie-Rechtsbehelfsfällen eine Getränkeabgabe auf alkoholische Getränke bis 8.3.2000 einzuheben ist bzw war.

 

Durchsetzung gemeindlicher Ansprüche auch in rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren (amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens)

Unter der Voraussetzung, dass zB im Zuge einer Nachschau im Sinne des § 118 LAO Gründe für eine amtswegige Wiederaufnahme eines bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens (wie etwa Fehler in der Berechnung der Getränke- und Speiseeisabgabe; § 224 Abs 3 LAO) auftauchen, kann das „Frankfurt-Urteil“ durchaus auch sozusagen „in einem zweiten Anlauf“ direkt im eigentlichen Getränkeabgabeverfahren angewendet werden, ohne dass es jedweder Diskussion um Überwälzungstatbestände oder Anwendungsausmaß des § 186 Abs 3 LAO („Bereicherungsverbot“) bedarf.
Solche Nachschauen sind auch heute immer noch möglich, zumal der Abgabepflichtige – wie der VwGH ausdrücklich festgestellt hat – Aufzeichnungen bei laufenden Verfahren auch nach Ablauf der 7-jährigen Aufbewahrungsverpflichtung von Aufzeichnungen weiterhin aufzubewahren hat.
Ein dem § 148 Abs 3 BAO entsprechendes Verbot eines neuerlichen Prüfungsauftrages (wiederholte Außenprüfung, Wiederholungsprüfung) ist in der LAO nicht enthalten und könnte daher sogar wiederholt eine Nachschau durchgeführt werden: Diese Vorgangsweise wurde bereits von unserer Prüfungsabteilung für die Gemeinde Lafnitz in einem besonderen Bedarfsfall abgetestet und erfolgreich vor dem VwGH abgeschlossen (VwGH 2005/16/0256 vom 26.1.2006).
Wichtig: Dennoch merken wir ausdrücklich an, dass diese zwar rechtsmögliche Vorgangsweise nach der leidlich bekannten Vorgeschichte der Getränkeabgabeverfahren derzeit keinesfalls (!) eine generelle Empfehlung darstellen soll und kann – vielmehr soll dies nur als eine besonderen und anderweitig nicht vernünftig lösbaren Einzelfällen vorbehaltene absolute „Not- und Ausweichlösung“ angesehen werden, wo etwa aus Gründen der Abgabengerechtigkeit besonders unbillige Ergebnisse auf andere Art und Weise nicht mehr ausgeschlossen oder vermieden werden könnten.
Zudem kann natürlich auch nicht von Vornherein unterstellt werden, jede Nachschau (oder jede wiederholte Nachschau) würde einen ausreichenden, haltbaren Wiederaufnahmsgrund zutage fördern.

 

Weiteres „Zuwarten“ in Gastronomiefällen wäre kontraproduktiv

Nachdem nun – wie in unseren einleitend erwähnten Informationsveranstaltungen im Frühsommer dargestellt – speziell die mit der Gastronomie in Zusammenhang stehenden Rechtsfragen der Getränkeabgabeverfahren als abschließend geklärt betrachtet werden können, sollten die in den Gemeinden allenfalls noch offenen (bzw noch offen gewesenen) Verfahren seitdem abgeschlossen worden sein.
Eine von uns Ende August bzw Anfang September 2006 in 30 Gemeinden durchgeführte stichprobenartige Erhebung hat dies eindrucksvoll bestätigt: Mit den neuesten seit Mai 2006 zur Verfügung stehenden Erledigungen (allem voran Musterbescheid 380) wurde eine Quote neu rechtskräftig abgeschlossener Fälle von mehr als 80 % der Fälle erreicht, womit diese weitaus überwiegende Mehrzahl der Verfahren nun endgültig erledigt ist. Seitens der Gemeinden sind keine Rückzahlungen zu leisten; seitens der Abgabepflichtigen sind allfällig noch bestehende Abgabenrückstände endgültig zu begleichen.
Nachdem die in letzter Zeit ergangene für die Gemeinden günstige Judikatur allgemein noch recht präsent ist, würde jede spätere Erledigung – abgesehen von allfällig zusätzlich auftauchenden Festsetzungs- und Einhebungsverjährungsproblemen – diese derzeit einigermaßen akzeptable Rechtskraftquote sicherlich nicht steigern und wäre daher ein weiteres Zuwarten nur kontraproduktiv.

Wo in vereinzelten Gastronomie- und generell in den Rechtsbehelfsfällen des Handels unvermeidlich das „Bereicherungsverbot“ anzuwenden ist, wäre der Ausgang eines weiteren bereits anhängigen unter der Zahl 2005/16/0247 protokollierten VwGH-Musterverfahrens abzuwarten. Insbesondere hinsichtlich des Handels gilt daher unsere Empfehlung zur formellen Aussetzung der Entscheidung zur Hintanhaltung von Säumnisbeschwerden noch weiterhin (Musterbescheid 183).

Robert Koch, 8.9.2006