StGN 2/2006, Seite 9

Unbekannte Zustelladresse und Zustellnachweis im LAO-Abgabenverfahren

Von Robert Koch

In der Mai-Ausgabe 2005 der Steirischen Gemeindenachrichten wurde geschildert, was die Behörden in AVG-Verfahren zu unternehmen haben, wenn schriftliche Erledigungen bei unbekannter Zustelladresse, ohne dass ein Zustellbevollmächtigter bestellt ist, zuzustellen sind. Die im erwähnten Artikel angeführten maßgeblichen AVG- und Zustellgesetz-Bestimmungen sind sinngemäß auch in der Steiermärkischen Landesabgabenordnung (LAO), LGBl 158/1963 in der Fassung LGBl 69/2001, enthalten, sodass auch in Abgabenverfahren ausgesandte und nicht behobene Bescheide nicht ohne Weiteres als „zugestellt“ gelten müssen, sondern vielmehr Ermittlungen anzustellen sind und zum ordnungsgemäßen Abschluss eines Verfahrens – je nach Sachlage – sogar auch die Bestellung eines Abwesenheitskurators notwendig sein kann.

 

Anhängige Verfahren und wiederkehrend zu erhebende Abgaben

Eine Partei hat während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, eine Änderung ihrer bisher bekannt gegebenen Abgabestelle der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Wenn diese Mitteilung unterlassen wird und falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann, ist die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen (§ 80 LAO).
Für diesen Versuch der Feststellung einer zulässigen LAO-Abgabestelle dürften Meldeauskünfte, Anfragen beim allenfalls bekannten Dienstgeber, bei leicht greifbaren Familienangehörigen, bei Sozialversicherungsträgern und Standesvertretungen jedenfalls ausreichen.

 

Zustellungen an Personen mit „unbekannter Abgabestelle“

Zustellungen an Personen, deren Abgabestelle unbekannt ist, können, wenn es sich nicht um ein Strafverfahren handelt, kein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist und nicht gemäß § 80 LAO vorzugehen ist (siehe oben), durch Anschlag an der Amtstafel der Behörde, dass ein zuzustellendes Schriftstück bei der Behörde liegt, vorgenommen werden. Holt der Empfänger das Schriftstück nicht ab, gilt die Zustellung zwei Wochen nach dem Anschlag an der Amtstafel als bewirkt, wobei die Behörde die öffentliche Bekanntmachung in anderer geeigneter Weise ergänzen kann (§ 85 Abs 2 und 3 LAO).
Die höchstgerichtliche Rechtsprechung geht allerdings bei dieser als letztes Mittel einer zulässigen Zustellform nur und erst dann von einer „unbekannten Abgabestelle“ (und von einer wirksamen Zustellung) aus, wenn die Behörde soweit möglich und zumutbar zuvor von Amts wegen erfolglos versucht hat, die Abgabestelle einer Person ausfindig zu machen, weswegen neben durchzuführenden meldebehördliche Anfragen auch Personen, bei denen eine Kenntnis über den Aufenthaltsort vorausgesetzt werden kann (nahe Angehörige, Dienstgeber und andere Personen, die in einem engen persönlichen oder geschäftlichen Kontakt mit der betroffenen Person stehen), über den Verbleib der Person mit unbekannter Abgabestelle zu befragen sind (VwGH 22. 10. 1991, 91/14/0156).
Im einleitend erwähnten Artikel wurde der nach der Meldeauskunft „ohne Adressenangabe nach Jugoslawien verzogen“ gegebene Fall vom VwGH derart eingestuft, dass die Behörde hier sehr wohl weitere Erhebungen über den Aufenthaltsort des Adressaten durchzuführen gehabt hätte und dass daher auch die durch öffentliche Bekanntmachung erfolgte „Zustellung“ unwirksam war.

 

Bestellung eines Abwesenheitskurators in „wichtigen Angelegenheiten“

Wenn gegen eine Person unbekannten Aufenthalts eine Amtshandlung vorzunehmen ist, kann die Abgabenbehörde – wenn es die Wichtigkeit der Sache erfordert – zudem die Bestellung eines Kurators auf Kosten des zu Vertretenden beim zuständigen Bezirksgericht beantragen (§ 59 Abs 1 LAO).
Dieses Ermessen ist nach VwGH-Ansicht so zu handhaben, dass eine Kuratorbestellung als erforderlich (!) anzusehen ist, wenn die bevorstehende behördliche Erledigung rechtsbegründend, rechtsändernd oder feststellend ist, also die Rechtssphäre der Partei wesentlich zu berühren vermag (VwGH 27. 6. 1991, 91/13/0002).
Auch bei Wegfall einer juristischen Person (zB Beendigung einer GmbH) wäre eine zu erfolgende Abgabenfestsetzung eine derart wichtige Sache, die eine Kuratorbestellung erfordert (VwGH 26. 9. 1990, 89/13/0265, 90/13/0094).

 

Zustellung beim Vorliegen „wichtiger Gründe“

„Wenn wichtige Gründe hiefür vorliegen, hat die Abgabenbehörde die schriftlichen Ausfertigungen mit Zustellnachweis zuzustellen“ (§ 78 erster Satz LAO; im Gesetzestext keine Hervorhebungen; „RSb“).
Die herrschende Meinung geht daher davon aus, dass „wichtige Gründe“ vorliegen und die Behörde daher immer dann mit Zustellnachweis zustellen muss, wenn eine Fallfrist (zB Rechtsmittelfrist) ab der erfolgten Zustellung zu laufen beginnt oder in anderer Weise Rechte oder rechtliche Interessen des Empfängers von der erfolgten Zustellung abhängen.

 

Zustellung beim Vorliegen „besonders wichtiger Gründe“

„Bei Vorliegen besonders wichtiger Gründe, ist die Zustellung zu eigenen Handen des Empfängers zu bewirken“ (§ 78 zweiter Satz LAO; im Gesetzestext keine Hervorhebungen; „RSa“).
Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist das Vorliegen „besonders wichtiger Gründe“ nicht nur an der Höhe des Abgabenbetrages zu messen (VwGH 9. 6. 1980, 3255/79, 3256/79), sondern daran, ob die mit der Erledigung verbundenen Rechtsfolgen im Vergleich mit anderen Bescheiden in ihrer Bedeutung und Gewichtung über dem Durchschnitt liegen (VwGH 21. 2. 1990, 89/02/0201; VwGH 27. 5. 1997, 96/04/0250).
Eine Ladung zu einer mündlichen Berufungsverhandlung (BAO-Verfahren, in der LAO nicht vorgesehen) dürfte etwa nur zu eigenen Handen zugestellt werden (VwGH 31. 7. 1996, 92/13/0020).
Eine Zustellung zu eigenen Handen ist zudem in den gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Fällen immer als solche vorzunehmen – etwa für Vorladungen (§ 68 LAO).

 

Robert Koch, 9.1.2006