Die Getränkeabgabe auf dem Prüfstand des EuGH -
und die Getränkeabgabe muß den Gemeinden auf jeden Fall erhalten bleiben!
Von Robert Koch

Wie früher oder später zu erwarten hat nun der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß 97/16/0221 und 97/16/0021 vom 18.12.1997 die Beurteilung der Konformität der Getränkeabgabe mit Gemeinschaftsrecht, welche in verschiedenen Verfahren vor dem VwGH in drei Punkten bezweifelt und angefochten wird, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in Form von drei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union ist dem Verwaltungsgerichtshof auch die Sicherung der Konformität der österreichischen Verwaltung mit unmittelbar anwendbarem Gemeinschaftsrecht übertragen und hat er weiters in anhängigen Verfahren Fragen der Auslegung von Gemeinschaftsrecht dem EuGH vorzulegen. Ein innerstaatliches Höchstgericht bräuchte nämlich eine gemeinschaftsrechtsbezogene Frage dem EuGH nur dann nicht vorlegen, wenn die Auslegung der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung nicht entscheidungserheblich oder bereits vom EuGH entschieden oder die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig wäre, daß „für einen vernünftigen Zweifel mit Gewißheit keinerlei Raum“ bleibt, was der VwGH in diesem Fall für nicht gegeben erachtet.

Der VwGH hat in dieser Sache folgende drei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ob Art 33 Abs 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1997 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: Einheitliche steuerliche Bemessungsgrundlage (77/388/EWG - „Mehrwertsteuerrichtlinie“) und

2. ob Art 3 Abs 2 beziehungsweise Abs 3 zweiter Satz der Richtlinie des Rates vom 25. Februar 1992, 92/12/EWG (Verbrauchsteuerrichtlinie) der Beibehaltung der Getränkeabgabe entgegensteht; ferner

3. ob Art 92 Absatz 1 EGV einer der Getränkesteuerbefreiung des Ab-Hof-Verkaufes von Wein entgegensteht.

 

Zur ersten Frage ist festzustellen, daß eine Steuer nach der Rechtsprechung des EuGH dann aus der Sicht der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht zulässig ist, wenn es sich um eine allgemeine, auf allen Stufen des Produktions- und Verteilerprozesses erhobene Steuer handelt, der Mehrwert berücksichtigt wird und ein Vorsteuerabzug besteht.

Die zweite Frage geht davon aus, daß in der Gastronomie (eventuell auch im Handel!) trotz der Steuerfreiheit des Bedienungsgeldes Dienstleistungen besteuert werden und dies unter den Voraussetzungen der Systemrichtlinie im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren nur dann zulässig wäre, wenn einerseits mit dem Grenzübertritt keine Formalitäten verbunden sind und es sich nicht um Steuern handelt, die den Charakter von Umsatzsteuern haben und andererseits eine indirekte Steuer „mit besonderer Zielsetzung“ vorläge.

Bei der dritten Frage geht der VwGH davon aus, daß die Befreiung des Ab-Hof-Verkaufes von Wein zum ersten bereits von der Europäischen Kommission im Amtsblatt der EG vom 14.3.1997, C 82/9, als eine gegen Art 92 ff EGV verstoßende staatliche Beihilfe im Sinne des Art 92 Abs 1 des Vertrages qualifiziert wurde und nach Ansicht der Kommission zum zweiten darüber hinaus gegen die Bestimmungen der gemeinsamen Marktorganisation für bestimmte im Anhang II des Vertrages aufgeführte Erzeugnisse verstoße, weswegen die Kommission das Verfahren gegen die Befreiung von der Getränkesteuer gemäß Art 93 Abs 2 EGV bereits eröffnet hat.

 

Wie dieses Vorabentscheidungsverfahren, welches kaum vor 1999 entschieden sein dürfte, inhaltlich ausgehen wird, vermag niemand mit Gewißheit vorherzusagen; jedoch haben die Gemeinden, der Steiermärkische und der Österreichische Gemeindebund anläßlich des EU-Beitrittes Österreichs die Zusicherung vom damaligen Finanzminister nicht vergessen, die Getränkeabgabe - zweitwichtigste gemeindeeigene Einnahmenquelle - sei EU-konform und bleibe daher den Gemeinden erhalten; in weiterer Folge haben ja auch die Gemeinden deren Finanzpläne mit Recht auf diese Zusage erstellt.
Sobald die Republik Österreich vom EuGH zur Stellungnahme zu den Vorabentscheidungsfragen aufgefordert wird, wird der Gemeindebund eine alle Meinungen der Landesverbände repräsentierende Stellungnahme abgeben, die der Bund in seine Stellungnahme einarbeiten und über diese weitergeben soll.

Robert Koch, 1.2.1998