Behauptete EU-Widrigkeit
der Getränkeabgabe -
eine Betrachtung möglicher verfahrensrechtlicher Konstellationen
Von
Robert Koch
I. Vorbemerkung
In letzter Zeit werden Gemeinden leider häufig mit der behaupteten EU-Widrigkeit der Getränkeabgabe seit dem 1.1.1995 (Zeitpunkt des EU-Beitrittes Österreichs) konfrontiert. Inhaltlich - zur Behauptung der EU-Widrigkeit der Getränkeabgabe - gibt es seitens des Steiermärkischen Gemeindebundes wie bereits vor längerem deponiert, eine gesonderte ausführliche Information zu diesem Thema. Die nachfolgende kurze Betrachtung widmet sich daher ausschließlich der verfahrensrechtlichen Seite, indem verschiedene Situationen und deren rechtliche Würdigung dargestellt werden, wobei stets davon ausgegangen wird, daß keine rechtskräftige Abgabenfestsetzung vorliegt:
1. Die Getränkeabgabe wird ordnungsgemäß bezahlt und - soweit erforderlich - erklärt; es wird jedoch die EU-Widrigkeit der Abgabe behauptet
Die Einreichung zutreffender Abgabenerklärungen setzt die Abgabe im Sinne des § 153 Abs 1 der Steiermärkischen Landesabgabenordnung, LGBl 1963/158 in der geltenden Fassung (LAO) im gesetzeskonformen Ausmaß fest, sodaß ein Abgabenbescheid nicht erlassen werden darf und die Behörde nur dem Abgabepflichtigen - bei inhaltlicher Behandlung der vorgebrachten Argumente - zu antworten hätte, sie hielte die Getränkeabgabe nicht für EU-widrig und würde daher das geltende Gesetz (beziehungsweise die Verordnung) zu vollziehen haben.
2. Die Getränkeabgabe wurde ganz/teilweise/gar nicht bezahlt; es langen (ursprünglich oder berichtigend) Nullerklärungen mit der Begründung der behaupteten EU-Widrigkeit ein
Die Einreichung unzutreffender Abgabenerklärungen zwingt die Behörde dazu, die Abgabe im Sinne des § 153 Abs 2 erster Satz LAO im zutreffenden Ausmaß mittels Abgabenbescheid für den unrichtig erklärten Zeitraum festzusetzen. Dazu muß die Behörde natürlich auch die Bemessungsgrundlagen der Abgabenfestsetzung kennen (beziehungsweise mittels Vorhalt ermitteln oder im Zuge einer Abgabenkontrolle feststellen).
3. Die Getränkeabgabe wurde ganz/teilweise/gar nicht bezahlt; es langen mit der Begründung der behaupteten EU-Widrigkeit keine Abgabenerklärungen, die hätten eingereicht werden müssen, mehr ein
Auch fehlende Abgabenerklärungen zwingen die Behörde dazu, die Abgabe bescheidmäßig festzusetzen (§ 153 Abs 2 erster Satz LAO).
4. Die Getränkeabgabe wurde ganz oder teilweise bezahlt; zutreffende Abgabenerklärungen liegen vor - es wird jedoch wegen behaupteter EU-Widrigkeit für einen bestimmten Zeitraum ein Feststellungsbescheid über die Abgabepflicht begehrt
Der Abgabepflichtige ist schriftlich aufzufordern, binnen angemessener Frist (etwa zwei bis vier Wochen) den Antrag dahingehend zu präzisieren, welche Art von Feststellungsbescheid beantragt wird:
a) Feststellungsbescheid über die Getränkeabgabepflicht an sich (mit dem Hinweis, daß derartige Bescheide bei Selbstbemessungsabgaben nicht vorgesehen sind und ein entsprechendes Ansuchen bescheidmäßig als unzulässig zurückgewiesen werden müßte);
b) Abgabenbescheid über die Höhe der Getränkeabgabe des Antragszeitraumes (mit dem Hinweis, daß ein Abgabenbescheid unter der Voraussetzung einer eingereichten zutreffenden Abgabenerklärung, welche die Abgabe festsetzt, seitens der Behörde nicht erlassen werden darf und dieses Ansuchen daher ebenfalls bescheidmäßig als unzulässig zurückzuweisen wäre);
c) Abrechnungsbescheid der für den Antragszeitraum geleisteten Getränkeabgabezahlungen (nur sinnvoll, falls diese unklar, strittig oder abzustimmen sein sollten - aber immer möglich).
5. Rückzahlungsantrag über geleistete Getränkeabgabe
Nach ständiger Rechtsprechung der Höchstgerichte sind (auch in vorbeschriebenen Fällen zusätzlich enthaltene) Rückzahlungsanträge bei Selbstbemessungsabgaben als Anträge auf bescheidmäßige Festsetzung überhöht selbstbemessener Abgaben und weiters als Anträge auf Rückzahlung sich allfällig ergebender Guthaben anzusehen, sodaß in diesem Fall die Behörde ebenfalls einen Bescheid zu erlassen hat, der einerseits die Abgabe festsetzt und andererseits den Rückzahlungsantrag als unbegründet abweist (sofern nicht aus anderen Gründen ein Getränkeabgabeguthaben besteht).
6. Berufung gegen die eigene Getränkeabgabeerklärung oder „gegen die Getränkeabgabe“ wegen behaupteter EU-Widrigkeit, ohne daß ein Bescheid erlassen wurde
Nachdem Abgabepflichtigen nur gegen Bescheide der Behörde das Rechtsmittel der Berufung offensteht, sind Berufungen in solchen Fällen mangels eines tauglichen Berufungsgegenstandes in Bescheidform als unzulässig zurückzuweisen.
II. Sonstiges
a) Sofern berufsmäßige Parteienvertreter unter Verweis auf eine Vollmacht einschreiten, kann sich die Behörde diese übermitteln lassen und/oder sich zumindest über den Umfang der Vertretungsvollmacht Kenntnis verschaffen - insbesondere, ob die Vollmacht auch eine Zustellvollmacht beinhaltet.
b) Nachdem vorbeschriebene Fallkonstellationen großteils Verhaltensweisen darstellen, die dazu geeignet sind, im Sinne des § 13 Getränke- und Speiseeisabgabegesetz 1993, LGBl 1994/19, die Getränkeabgabe zu verkürzen oder der Verkürzung auszusetzen, stellen sie auch Verwaltungsübertretungen dar, welche nach Mitteilung der Gemeinde an die zuständige Bezirkshauptmannschaft durch diese mit der abgabeberechtigten Gemeinde zufließenden Geldstrafen bis zum Zweifachen des Betrages, um den die Abgabe verkürzt oder der Verkürzung ausgesetzt wurde (höchstens jedoch mit S 300.000,00) bestraft werden.
c) Etliche beim Verfasser dieses Artikels bereits seit längerem aufliegende Abgabenakte in dieser Sache werden - soweit noch nicht erledigt - in nächster Zeit durch Übermittlung entsprechender Erledigungsentwürfe in Angriff genommen.
III. Zusammenfassung
Die Abgabenbehörde hat bei Selbstbemessungsabgaben dafür Sorge zu tragen, daß in jedem Fall eine zutreffende Abgabenfestsetzung zustandekommt und dadurch Fälligkeit und Vollstreckbarkeit der Abgaben - nicht zuletzt auch aus Gleichbehandlungsgründen - begründet werden können. In Fällen mit zutreffender Abgabenfestsetzung sollte der Abgabenanspruch auch umgehend realisiert werden (ausgenommen Fälle, wie unter I. 5. beschrieben). Nachdem die vorbeschriebenen Handlungsweisen gegen Bestimmungen des Getränke- und Speiseeisabgabegesetzes 1993 verstoßen, könnte die zuständige Bezirkshauptmannschaft angeregt werden, den jeweiligen Sachverhalt als Verwaltungsstrafbehörde in Prüfung zu nehmen.
Robert Koch, 23.7.1997