AVG und LAO in Frage und Antwort
(Teil 5 von 11)
Ideen und Lösungen, aufbereitet in einer neuen Serie für den Praktiker auf Gemeindeebene - eine Einleitung

LAO-Teil von Robert Koch

 

 

Was bedeutet die Institution des Parteiengehörs nach der LAO grundsätzlich?

Im vorigen Teil dieser Serie haben Sie im AVG-Abschnitt das Parteiengehör als ein weiteres bedeutsames Parteienrecht angekündigt erhalten und in der heutigen Folge nähergebracht bekommen.
Nach dem Selbstverständnis der LAO ist jedoch das Parteiengehör weniger als Parteienrecht sondern sogar wesentlich eher als Behördenpflicht anzusehen, deren amtswegige Wahrnehmung - also ohne Geltendmachung dieses Rechtes durch die Partei - zum Zustandekommen eines formell ordnungsgemäßen Verfahrens erforderlich ist.

 

Parteienrecht, Behördenpflicht oder Parteienrecht auf Erfüllung der Behördenpflicht; Behördenrecht?

Eine strikte Abgrenzung zwischen Parteienrechten und Behördenpflichten ist in einem Verfahren einerseits nicht immer bis ins letzte möglich und andererseits auch nicht sinnvoll, da jede Behördenpflicht auch das Recht einer Partei darstellt, von der handelnden Behörde befolgt zu werden (Legalitätsprinzip nach Art 18 Abs 1 B-VG - s auch StGN 1/1996, 6).

a) „Reine“ Parteienrechte wären solche, welche die Partei in Anspruch nehmen kann (aber nicht muß) und deren Nichtgewährung durch die Behörde, falls sie durch die Partei nicht explizit beansprucht wurden, keinen Verfahrensmangel darstellen. Ausgesprochene, „reine“ Parteienrechte, welche nicht auch zugleich Behördenpflicht wären, können somit nur antragsbedingte Rechte sein. Darunter fielen im Bereich der LAO etwa

b) Behördenpflichten im Sinn von Behördenrechten, deren Nichteinhaltung keine Partei relevieren könnte, sofern damit keine ausdrückliche gesetzwidrige Handlung verbunden ist, wären nach dieser Betrachtungsweise etwa sämtliche (zwar begründungspflichtigen) Ermessensentscheidungen innerhalb des gesetzlichen Rahmens, die Aussetzung der Entscheidung, die Stundung von Abgaben oder die Bestellung eines Kurators in bestimmten Fällen.

c) In typisierender Betrachtungsweise könnte man beispielsweise beim „Parteiengehör“ von Behördenpflichten sprechen, welche mit Parteienrechten in direktem Zusammenhang stehen oder welche die Behörde zur Wahrung der Parteienrechte verpflichten.

d) Behördenrechte berechtigen die Behörde zu bestimmten Verfahrenshandlungen, deren typische in der LAO im Abschnitt 4 lit C (§§ 117 bis 124) angeführt sind.

 

Wozu dient die Wahrung des Parteiengehörs in der Praxis?

Theoretisch dient die Wahrung des Parteiengehörs dazu, daß ein Verfahren formell den Verfahrensanforderungen entspricht.

Doch wo liegt der dahinterstehende wahre praktische Grund oder Nutzen? Primär soll durch die vorgesehene Wahrung des Parteiengehörs der Normunterworfene vor Willkür geschützt werden, indem auch er anzuhören ist. In der Folge hat sich ja ein ordnungsgemäßes Verfahren im Zuge der Beweiswürdigung mit den allfällig anläßlich der Wahrung des Parteiengehörs vorgebrachten Umständen (Anträgen usw) auseinanderzusetzen oder zu begründen, warum dies verzichtbar sei. Weiters sprechen auch verfahrensökonomische Gründe für einen rechtzeitigen „Meinungsaustausch“ zwischen Behörde und Partei, womit im Idealfall bestehende Mißverständnisse ausgeräumt werden können oder ein Ermittlungsverfahren zum richtigen Ergebnis gelangt und damit beispielsweise eine Berufung vermieden werden kann, da die Behörde noch rechtzeitig berücksichtigungswürdige Argumente erfährt usw.

 

Ist denn nicht immer das Parteiengehör zu wahren?

Das Abgabenverfahren ist fast durchgehend vom Amtswegigkeitsprinzip geprägt. Im Bereich der LAO ergibt sich die Pflicht zur Wahrung des Parteiengehörs vor allem schon aus § 93, wonach die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln haben, welche für Abgabepflicht und Abgabenverwaltung wesentlich sind, wobei den Parteien (immer!) „Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben“ ist und die Abgabenbehörden „Angaben der Abgabepflichtigen“ (und amtsbekannte Umstände) - selbstverständlich auch zugunsten der Abgabepflichtigen - zu prüfen und zu würdigen haben - all dies bis zur Entscheidung der Behörde, auch sogar noch nach Ablauf einer an sich maßgeblichen Frist!

 

Wie und wann im speziellen ist das Parteiengehör zu wahren?

Nach der Rechtsprechung des VwGH genügt es dazu, daß kein Verfahrensmangel vorliegt, wenn die Abgabenbehörde dem Abgabepflichtigen das Ergebnis ihrer Nachforschungen mitteilt - ohne daß der Abgabepflichtige dazu in der Folge Stellung zu nehmen hat (VwGH 11.3.1983, 3875/80).

Enthält eine Behörde der Partei Beweismittel vor und nimmt sie ihr dadurch die Möglichkeit zur Stellungnahme, hat sie allein dadurch das Parteiengehör verletzt (VwGH 15.2.1980, 2353/79, 2509/79, 2510/79).

Dem Grundsatz des Parteiengehörs ist genügt, wenn Sachverhaltsteile in der Berufungsvorentscheidung bekannt gegeben werden (VwGH 27.9.1963, 1561/62).

Die Rechtsmittelbehörde ist nicht verpflichtet, die Ergebnisse der von ihr vorgenommenen Beweiswürdigung vorzuhalten (VwGH 28.1.1964, 1873/62).Der Grundsatz des Parteiengehörs verlangt, daß der Entscheidung der Behörde keinerlei Beweise zugrunde gelegt werden, zu denen sich die Partei vorher nicht äußern konnte (VwGH 8.2.1967, 316/66).

Der Partei müssen immer dann, wenn das Parteiengehör zu wahren ist, auch in öffentlichen Urkunden beurkundete Tatsachen vorgehalten werden, da diese nicht schlechthin allgemein bekannten Tatsachen gleichzusetzen sind (VwGH 22.5.1969, 700/68).

Selbst wenn das bei der Abgabenfestsetzung verwendete Zahlenmaterial aus Aufzeichnungen des Abgabepflichtigen stammt, ist die Behörde verpflichtet, dem Abgabepflichtigen Gelegenheit zu geben, sich zum Ermittlungsergebnis zu äußern (VwGH 18.11.1971, 1065/70).

Dem Abgabepflichtigen muß Gelegenheit gegeben werden, sich zum Inhalt eines Aktenvermerks, der eine Grundlage der Entscheidung bildet, äußern zu können (VwGH 18.11.1971, 1065/70).

Nimmt eine Partei das ihr zustehende Recht auf Akteneinsicht nicht in Anspruch, wo ist das Parteiengehör dennoch von Amts wegen zu wahren (VwGH 23.1.1970, 1442/69).

Die telefonische Mitteilung des Inhaltes der Berufungsentscheidung dient nicht der Wahrung des Parteiengehörs im Sinne der Steiermärkischen LAO (VwGH 23.6.1994, 92/17/0106).

Hat der Abgabepflichtige in einem über fünf Jahre lang dauernden Verfahren aktenkundige Tatsachen nicht bestritten, kann der Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie in einem neuen Vorbringen Verfahrens-Verschleppungsabsicht erblickt und von der Aufnahme weiterer Beweise absieht (VwGH 27.4.1976, 1435/74).

 

Was bedeutet nun eine gesonderte, nochmals ausdrücklich statuierte Pflicht zur Wahrung des Parteiengehörs?

Die Ermittlung eines eine Partei betreffenden Sachverhaltes setzt deren Anhörung zwar ohnedies geradezu voraus, doch finden sich in Ergänzung zur oben angeführten Offizialmaxime, wonach das Parteiengehör ohnehin stets zu wahren ist, in der LAO noch einige Bestimmungen, welche zusätzlich nochmals ausdrücklich in dieselbe Richtung weisen.

Diese verstärkende und verdeutlichende Anordnung an die Behörde bedeutet nicht nur, daß eben „auch hier“ das Parteiengehör zu wahren ist, sondern daß ihm hier besonders großer Stellenwert beizumessen ist und die Wahrung des Parteiengehörs in genau diesem Verfahrensstadium unabdingbar notwendig ist - wenn auch für die Behörde sozusagen ohnedies „alles klar“ ist. Die Behörde wird demnach danach trachten, diesen gesonderten Auftrag des Gesetzgebers möglichst nachweislich zu erfüllen - wozu sie das Parteiengehör in diesen Fällen zumeist recht förmlich wahren wird.

Schließlich ist das Parteiengehör in einer förmlichen Weise dergestalt zu gewähren, daß der Partei dieser Verfahrensschritt deutlich bewußt wird (VwGH 5.11.1986, 85/13/0021; 22.10.1992, 91/16/0129), was unter Umständen auch das Recht in sich einschließt, eine angemessene Äußerungsfrist eingeräumt zu erhalten (VwGH 5.11.1986, 85/13/0021).

Zum Wesen des Parteiengehörs gehört allerdings nicht, die Parteien zu (rechtlichen) Schlußfolgerungen zu hören, welche die Behörde ihrem Bescheid zugrunde zu legen gedenkt (VwGH 11.12.1990, 90/14/0241; 27.7.1994, 92/13/0140). Ebenso braucht die Berufungsbehörde eine beabsichtigte Änderung der rechtlichen Beurteilung dem Berufungswerber nicht vorzuhalten, um das Parteiengehör nicht zu verletzen (VwGH 28.4.1994, 92/16/0187).

 

Welche LAO-Bestimmungen sind für die Wahrung des Parteiengehörs von besonderer Bedeutung?

 

Was geschieht, wenn alle Instanzen - einschließlich der Oberbehörde - den Verfahrensfehler des verletzten Parteiengehörs übersehen haben?

Dann führt ein in der Verletzung des Parteiengehörs gelegener Verfahrensmangel selbst beim VwGH dann nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, wenn sich der Beschwerdeführer darauf beschränkt, diesen Mangel aufzuzeigen, ohne jedoch die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen unter diesem Aspekt zu bekämpfen und darzutun, was er vorgebracht hätte, wenn ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden wäre (Aufzeigen der Relevanz des der Behörde unterlaufenen Verfahrensfehlers!). Der Beschwerdeführer hat in der Beschwerde darzutun, was er im Falle der Gewährung des Parteiengehörs vorgebracht und welche Beweisanträge er gestellt hätte. (VwGH 22.2.1994, 90/14/0214, zu § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG).

Ferner kann eine Partei, welche im Verwaltungsverfahren untätig geblieben ist, um erst im Verfahren vor dem VwGH ihre Zurückhaltung abzulegen, und das Verwaltungsverfahren als mangelhaft zu bekämpfen, keinen Verfahrensmangel geltend machen (VwGH 28.1.1993, 82/17/0076).

 

Fortsetzung folgt.

Robert Koch