Rechtsprechung
zum Abgabenverfahrensrecht

von Robert Koch

 

 

Entscheidung nach verspäteter Mängelbehebung

Kommt ein Berufungswerber einem Mängelbehebungsauftrag verspätet nach, gilt demnach eine Berufung nach § 275 BAO als zurückgenommen. Entscheidet aber die Berufungsbehörde trotzdem meritorisch über die Berufung, so ist die Berufungsentscheidung infolge Unzuständigkeit der Berufungsbehörde mit Rechtswidrigkeit belastet. Diese Rechtswidrigkeit ist vom VwGH amtswegig wahrzunehmen.
VwGH 90/14/0225 vom 28.2.1995 zu § 275 BAO [= § 205 Stmk LAO].

 

Beitritt zur Berufung

Sowohl vor als auch nach Ergehen einer Berufungsvorentscheidung kann der Beitritt zu einer Berufung erfolgen. Stellt ein Berufungswerber selbst einen Antrag auf Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz, ist ein Beitritt bis zur Entscheidung durch die zweite Instanz möglich. Stellt er keinen derartigen Antrag, so ist der Beitritt zur Berufung bis zum Ablauf der Frist für die Stellung eines Vorlageantrages möglich. Eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung mit dem Inhalt, daß ein nach einer Berufungsvorentscheidung erklärter Beitritt nur dann, wenn er mit einem Vorlageantrag verbunden wird, wirksam oder zulässig wäre, fehlt zwar, doch ergibt sich aus § 257 Abs 2 BAO, daß der Beitretende nicht mehr Rechte als der Berufungswerber geltend machen kann. Für den Beitretenden beginnt daher die Vorlagefrist durch die Beitrittserklärung nicht neu zu laufen, der Beitretende wird erst Partei, wenn er dem Berufungsverfahren beigetreten ist und hat daher auf Zustellung früherer Erledigungen keinen Anspruch. Wird jedoch dem Beitretenden die Berufungsvorentscheidung (neuerlich) zugestellt, so ist diese Vorgangsweise rechtswidrig und wird keine neuerliche Frist zur Stellung eines Vorlageantrages ausgelöst.
VwGH 93/16/0030 vom 28.6.1995 zu § 257 (2) BAO [= § 202 (2) Stmk LAO].

 

Aussetzung der Einhebung bei „wenig erfolgversprechenden“ Berufungen

Wenn sich der angefochtene Bescheid auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen kann, kann eine Berufung auch beim Vorliegen divergierender Rechtsprechung als „wenig erfolgversprechend“ angesehen werden. Damit bietet der einer flexibleren Anwendung zugänglichen Terminus einer „wenig erfolgversprechenden“ Berufung einer auslegungsweisen Einschränkung auf Fälle „offenkundige Erfolglosigkeit“ oder Fälle „offenbarer Mutwilligkeit“ keinerlei Raum, zumal sich der Gesetzgeber, dem die Termini „offenkundig“ bzw „mutwillig“ in anderen Zusammenhängen durchaus geläufig sind, nicht solcher restriktiver Begriffe bedient hat. Eine Berufung kann durchaus auch dann als „wenig erfolgversprechend“ angesehen werden, wenn an sich Überlegungen darüber angestellt werden könnten, nach Erschöpfung des ordentlichen Rechtszuges den Verfassungsgerichtshof angerufen.
VwGH 95/16/0018 vom 26.7.1995 zu § 212a (2) lit a BAO [= § 161 (2) lit a Stmk LAO]

„Dauerbescheide“ im Abgabenrecht nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig

    1. „Pro-futuro-Abgabenfestsetzungen“, die nicht nur hinsichtlich der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits verwirklichte, sondern auch hinsichtlich noch nicht verwirklichter Sachverhalte Abgabenfestsetzungen enthalten, sind inhaltlich rechtswidrig, wenn für diese Art der Abgabenvorschreibung keine Rechtsgrundlage im jeweiligen Gesetz oder in der betreffenden Verordnung enthalten ist.
      VwGH 89/17/0224 vom 27.2.1992 zur Ktn LAO [= Stmk LAO].
    2. Ebenso ist die Vorschreibung einer künftigen „jährlichen“ (sinngemäß monatlichen) Gebühr oder Abgabe nur dann zulässig, wenn die Möglichkeit eines Dauerbescheides oder einer „pro-futuro-Abgabenfestsetzung“ in der Abgabenordnung enthalten ist.
      VwGH 88/17/0150 vom 29.4.1992, zur OÖ LAO [= Stmk LAO].

 

Bezeichnung als Bescheid

Nur wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, daß die Behörde einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt und eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes auch normativ (also rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend) entschieden hat, kann auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid verzichtet werden. Rechtsbelehrungen, die Wiedergabe einer Rechtsansicht, der Hinweis auf Verfahrensvorgänge oder die Wiedergabe von Tatsachen und dergleichen sind keine verbindliche Erledigung, also kein Spruch im Sinne der LAO.
VwGH 92/17/0288 vom 27.4.1995 zu § 73 Abs 2 Krnt LAO [= § 70 (2) Stmk LAO bzw § 93 (2) BAO].