VwGH-Erkenntnis 2004/16/0128 vom 16.12.2004

Thema der Nachweisführung über die allenfalls
vollständig/teilweise/nicht erfolgte Überwälzung

allgemeine Aussagen

Beanstandungen zum Musterverfahren

Sichtweise des VwGH -
von der Behörde zu beachten

grundsätzlicher Hinweis auf das Erkenntnis 2003/16/0148 vom 4.12.2003, unter welchen Voraussetzungen die gänzliche oder teilweise Rückzahlung der Getränkesteuer unterbleiben darf

   

eine Frist zur Vorhaltebeantwortung und Stellungnahme im Ausmaß von zwei Wochenfrist ist nicht unzumutbar kurz, da in bestimmten Fällen eine Verlängerung dieser Frist beantragt werden kann

   

Es ist betriebswirtschaftlich sinnvoll und entspricht den Erfahrungen des täglichen Lebens, dass Inhaber eines auf Gewinn ausgerichteten Betriebes in ihrer Kalkulation danach trachten, laufend anfallende Steuern (wie auch die Getränkesteuer) im Verkaufspreis auf die Konsumenten zu überwälzen.

Die Behörde hat nicht festgestellt, dass der Betrieb des Beschwerdeführers im Wesentlichen dem in der BWK-Studie enthaltenen Vergleichsbetrieb entspricht und deswegen diese Durchschnittswerte im Beschwerdefall auch herangezogen werden können.

Werden Abweichungen von durch makroökonomische Analysen geklärte Überwälzungsauswirkungen behauptet, werden auch andere Beweismittel benötigt (nämlich vorzugsweise Parteienvernehmung, allenfalls Stellungnahmen von Fremdenverkehrsverbänden oder von Verbraucherschutzorganisationen bezüglich der tatsächlich verlangten Preise).

Die BWK-Studie für das Bilanzjahr 1999 enthält Daten von mehr als 1 % der Gastronomiebetriebe, baut auf langjährige spezielle Kenntnisse und Erfahrungen auf und kann für die Heranziehung von Durchschnittswerten grundsätzlich als ausreichend repräsentativ angesehen werden.

 

Die Schlüssigkeit der BWK-Untersuchung könnte durch ein Gutachten oder anderslautende Ergebnisse von Untersuchungen des Abgabepflichtigen (oder mit einer überzeugenden Begründung dafür, dass die Studie nicht ausreichend repräsentativ sei) erschüttert werden.

 

Die Behörde begründet die angewandte Berechnungsmethode des "Medianwertes" mit einem "Abschlag von 10 % vom arithmetischen Durchschnitt" aus den Untersuchungen der BWK-Studie weder dem Grunde nach noch rechnerisch nachvollziehbar.

 

Anhand vollständiger Kalkulationsunterlagen ermittelter Rohaufschläge und ihrer Abweichung von durchschnittlichen Rohaufschlägen können Indizien für das Ausmaß der Überwälzung abgeleitet werden (welche „Gradmesser für die Überwälzung sein können“).

Aus welchen Gründen nur die 2 umsatzstärksten Getränke, welche 57,2 % der Umsätze mit alkoholischen Getränken ausmachen, herangezogen wurden, wurde im Bescheid nicht dargestellt. Die übrigen alkoholischen Getränke bilden nicht nur eine bloß vernachlässigbare Menge.

Kalkulationsunterlagen und Endverbraucherpreise müssen - um die Überwälzungsfrage eindeutig zu klären - möglichst das gesamte Warenangebot an alkoholischen Getränken betreffen.

Dem Abgabepflichtigen ist eine durchgehende Kalkulation durchaus zumutbar – sonst fehlen ihm jedenfalls geeignete Unterlagen, auf die er sein Vorbringen, die Getränkesteuer nicht überwälzt zu haben, stützen könnte.

Es wurde nur ein durchschnittlicher Kalkulationsprozentsatz aus Einzelkalkulationen für bestimmte Monate gebildet und nicht dargestellt, warum der Durchschnitt der Einzelkalkulationen für den gesamten Rechtsbehelfszeitraum tatsächlich repräsentativ gewesen ist.

Die Behörde hat nicht dargestellt, aus welchen Gründen sie den für das Jahr 1999 in der BWK-Studie angegebenen anbieterspezifischen Bruttorohaufschlag für den gesamten Rechtsbehelfszeitraum als Grundlage für ihre Berechnungen nehmen durfte.

Es wurden keine Feststellungen zu den (anbieterspezifischen) Rohaufschlägen für die weiteren Jahre des Rechtsbehelfszeitraumes getroffen.

Kalkulationsunterlagen und Endverbraucherpreise müssen den gesamten Rückzahlungszeitraum betreffen.

Werden keine durchgehenden oder eine für den Rechtsbehelfszeitraum als repräsentativ anzusehenden Kalkulationen vorgelegt, hat die (die Beweislast treffende) Behörde, in einem Beweisverfahren die im Erk vom 4.12.2003 angeführten Beweismittel auszuschöpfen und abzuklären, ob der Abgabepflichtige die von den Konsumenten mit dem Kaufpreis bezahlte Getränkesteuer wirtschaftlich selbst aus seinem Vermögen getragen hat oder ob die von den Konsumenten gezahlte Getränkesteuer nur ein "Durchlaufposten" war. In letzterem Fall hätte eine Überwälzung der Getränkesteuer auf die Konsumenten stattgefunden.

 

Die Behörde hätte die betrieblichen und die anbieterspezifischen Bruttorohaufschläge der einzelnen Jahre miteinander vergleichen müssen (und hätte dann festgestellt, dass zumindest für das Jahr 1997 die Überwälzung keinesfalls möglich gewesen sei).

Ohne Feststellungen der betrieblichen und der anbieterspezifischen Bruttorohaufschläge für die einzelnen Jahre ist ein Vergleich dieser Aufschläge nicht möglich und ein solcher Bescheid insofern ergänzungsbedürftig.

 

Die errechneten Vergleichswerte bergen unnachvollziehbare Ansätze und Berechnungen, halten daher einer Prüfung durch den VwGH nicht Stand:

a) Woher die Behörde die anbieterspezifischen Bruttorohaufschläge für Wein und Bier herleitet, wird nicht offengelegt; die in der Gegenschrift erwähnten "statistischen Erfahrungswerte" nennen weder konkret die Statistik noch die näheren Umstände bei der Erstellung dieser Statistik.

b) Die Verminderung des Berechnungsansatzes für "Bier" bei der Berechnung des anbieterspezifischen Bruttorohaufschlages um 100 Prozentpunkte bleibt unerfindlich, zumal der ein "Medianwert" der Bruttorohaufschläge "Keller" auch "Bier" miterfasst, daher sind diese Werte nicht überprüf- und nachvollziehbar.

 

Abweichungen von durchschnittlichen Bruttorohaufschlägen können ein Gradmesser für die Überwälzung der Getränkesteuer sein, sind jedoch kein zwingender Beweis für eine gelungene Überwälzung der Getränkesteuer vom Abgabepflichtigen auf die Konsumenten.

 

Ob eine behauptete schlechte Ertragsituation des Betriebes tatsächlich Bedeutung für die Überwälzbarkeit der Getränkesteuer auf die Konsumenten hat, ist bei der Überprüfung der im Betrieb des Beschwerdeführers vorgenommenen Kalkulation festzustellen.

Wesentliche Beweismittel für die Lösung der Frage der Überwälzung oder Nichtüberwälzung der Getränkesteuer sind die Kalkulationsunterlagen des Betriebes.

Wurde im Betrieb des Beschwerdeführers mit höheren Prozentsätzen als in vergleichbaren Betrieben kalkuliert, dann spricht dies eher für eine gelungene Überwälzung der Getränkesteuer auf die Konsumenten als dagegen.

Es wäre nicht zwingend, dass bei Kalkulationen mit niedrigeren Prozentsätzen als in vergleichbaren Betrieben die Überwälzung der Getränkesteuer nicht gelungen wäre.

Warum aus höheren Prozentsätzen als bei vergleichbaren Betrieben zwingend eine gelungene Überwälzung der Getränkesteuer gegeben sein soll, wird im angefochtenen Bescheid nicht begründet.

 

Die Überwälzung der Getränkesteuer ist zunächst an Hand der Betriebsunterlagen (Kalkulation im Betrieb des Abgabepflichtigen) zu klären:

Wird die in den angegeben Preisen der aufgelegten Preislisten enthaltene und daher von den Konsumenten gezahlte Getränkesteuer  in seiner Kalkulation so berücksichtigt, dass sie nicht vom Abgabepflichtigen, sondern von den Konsumenten getragen wurde, kann von einer Überwälzung der Getränkesteuer ausgegangen werden.

   

Die Behörde ist nicht verhalten, die Kalkulation des Betriebes zu erstellen, sondern hat die im Verfahren relevanten Beweismittel zu erheben und ebenso wie vorgelegte Unterlagen zu würdigen.

 

Die Behörde hätte auch abzuklären müssen, ob die beim Steuerberater befindlichen Unterlagen von entscheidender Bedeutung gewesen wären.

Kann die vorgenommene Kalkulation und damit die Frage der Überwälzung der Getränkesteuer an Hand der vorgelegten Unterlagen allein nicht beantwortet werden, dann bedarf es eines von Amts wegen weiter zu führenden Ermittlungsverfahrens.

Die Behörde durfte sich bei der Beweisaufnahme daher nicht bloß auf nur unvollständig vorgelegte Unterlagen und die in der Stellungnahme vorgebrachten Argumente stützen.

Die Behörde hätte ein Ermittlungsverfahren zu führen und dabei alle erforderlichen Beweismittel aufzunehmen gehabt, um nachweisen zu können, dass eine Überwälzung oder allenfalls eine teilweise Überwälzung der Getränkesteuer auf die Konsumenten stattgefunden hat.

   

Ein Rückzahlungswerber kann im Wege der Parteienvernehmung konkret befragt werden, wie er die Kalkulation konkret vorgenommen hat und wie er dabei die von den Konsumenten erhaltene Getränkesteuer (allenfalls auch vergleichbare Steuern) im Rechtsbehelfszeitraum berücksichtigt hat. Diese Aussagen werden dann mit den übrigen Beweisergebnissen zu würdigen sein.

   

Erst wenn die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Rückzahlung der Getränkesteuer nach Durchführung eines solchen Verfahrens nicht ermitteln oder berechnen kann und wenn die Voraussetzungen für die Schätzung dieser Grundlagen vorliegen, dann sind diese zu schätzen. Die Beweiswürdigung sowie die vorgenommene Schätzung ist sodann schlüssig und nachvollziehbar in der Begründung des angefochtenen Bescheides darzustellen.

 

Thema der Nachweisführung über allenfalls
durch die Erhebung der Getränkesteuer erlittene wirtschaftliche Nachteile

allgemeine Aussagen

Beanstandungen zum Musterverfahren

Sichtweise des VwGH - von der Behörde zu beachten

Hat nicht die im Preis enthaltene Getränkesteuer Absatzeinbußen verursacht, sondern waren dafür andere Umstände maßgeblich, dann war die Erhebung der Getränkesteuer nicht kausal für die behaupteten Nachteile und die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Umstände können nicht zur Rückzahlung der Getränkesteuer führen.

   

Es obliegt dem Abgabepflichtigen, den durch die Erhebung der Getränkesteuer behaupteten erlittenen wirtschaftlichen Nachteil (Schaden) nachzuweisen: Dabei hat er konkret die Tatsachen darzulegen, aus denen bezogen auf seinen Betrieb der durch die Erhebung der Getränkesteuer verursachte Schaden in einem bestimmten Ausmaß erschlossen werden kann.

(Nur allgemein aufgestellte Behauptungen über Konkurrenzsituationen, Konsumentenverhalten und Substitutionsmöglichkeiten beim Kauf von Getränken sind keine Nachweise für das Vorliegen eines durch die Erhebung der Getränkesteuer im Betrieb des Beschwerdeführers verursachten Schadens.)

   

Wenn der Abgabepflichtige einen Schaden nicht nachweist, sind auf objektiv feststellbare Umstände gestützte Überlegungen der Behörde (Betriebsart, Kategorie), wonach  der durch die Erhebung der Getränkesteuer im Betrieb des Abgabepflichtigen entstandene Schaden mit 4 % der entrichteten Getränkesteuer abgegolten sei, nicht rechtswidrig.

   

Verschiedene unberücksichtigte Kriterien könnten Ergebnisse derartiger behördliche Überlegungen nur dann rechtswidrig erscheinen lassen, wenn unberücksichtigt gebliebene Umstände konkret für den in Rede stehenden Betrieb speziell auf die Erhebung der Getränkesteuer zurückzuführende Nachteile nach sich gezogen haben.