VwGH Erkenntnis 2001/16/0016 vom 7.6.2001
Anmerkung R. Koch:

Bedingter Rückzahlungsantrag = unzulässig und daher kein Rechtsbehelf !!!! 


Rechtssatz 1

Nach stRsp des VwGH ist der in Spruchteil Nr 3 des Urteils des Gerichtshofes der europäischen Gemeinschaften vom 9. März 2000 in der Rechtssache C-437/97 verwendete Begriff Rechtsbehelf möglichst weit zu verstehen. So ist insb eine Berichtigung bzw ein Rückzahlungsantrag ein solcher Rechtsbehelf iSd genannten Urteils (Hinweis E 19. Juni 2000, 2000/16/0296; E 7. Dezember 2000, 2000/16/0384).

 

Rechtssatz 2
Bedingte Prozesshandlungen (wie hier: "Sollte die Getränkesteuer vom Europäischen Gerichtshof als EU-widrig erklärt werden, beantrage ich die Rückzahlung der seit 1995 zu Unrecht eingehobenen Getränkesteuer.") sind im Allgemeinen unzulässig (Hinweis Stoll, BAO-Kommentar, 2574; E 18. Juni 1996, 94/04/0183). Ein Begehren, das nur dann als erhoben gelten soll, wenn ein anderes Gericht in einem anderen Verfahren zu einer der Bedingung entsprechenden Rechtsmeinung gelangen sollte, ist nicht zulässig (Hinweis Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 6. Oktober 1997, B 2152/97). Wenn der Antragsteller vorbringt, er habe die Bedingung deswegen aufgenommen, weil er klarstellen wollte, dass er die Rückzahlung nicht vor Vorliegen der Entscheidung des EuGH begehre, so übersieht er, dass die einer Prozesserklärung zugrundeliegenden Absichten und Beweggründe unerheblich sind (Hinweis E 18. Juni 1996, 94/04/0183). Die Unzulässigkeit des bedingten Rückzahlungsantrages stand damit einer Beurteilung dieses Antrages als Rechtsbehelf iSd Punktes 3 des Urteilstenors des EuGH-Urteils vom 9. März 2000 in der Rechtssache C-437/97 entgegen.

 

Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden
Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr.
Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des
Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des C in S,
vertreten durch Mag. Wolfgang Ilgenfritz, Wirtschaftsprüfer in
Villach, Haydnstraße 5, gegen den Bescheid der Tiroler
Landesregierung vom 29. November 2000, Zl. Ib-1712/10, betreffend
Getränke- und Speiseeissteuer 1999 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde
St. Veit in Defereggen), zu Recht erkannt:

Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der
Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu
ersetzen.

Begründung
Am 25. Oktober 1999 brachte der Beschwerdeführer bei der
mitbeteiligten Gemeinde eine Eingabe folgenden Inhalts ein:
"Rückzahlungsantrag
Sollte die Getränkesteuer vom Europäischen Gerichtshof als EU-
widrig erklärt werden, beantrage ich die Rückzahlung der seit 1995
zu Unrecht eingehobenen Getränkesteuer."
In der am 22. März 2000 eingebrachten Getränkesteuererklärung
für 1999 wurden die alkoholischen Getränke mit S 0,-- ausgewiesen.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde
vom 10. April 2000 wurde die Getränke- und Speiseeissteuer unter
Einbeziehung der auf alkoholische Getränke entfallenden
Bemessungsgrundlage mit S 91.888,-- festgesetzt.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung, in der sich der
Beschwerdeführer auf seinen Rückzahlungsantrag vom 25. Oktober
1999 als einen rechtzeitigen Schritt zur Wahrung seiner Rechte
stützte, wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes vom 15.
November 2000 als unbegründet abgewiesen.
Die gegen den letztgenannten Bescheid erhobene Vorstellung
wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen.
In der Begründung dieses Bescheides verwies die belangte Behörde
auf den Umstand, dass die Getränkesteuererklärung erst nach dem
Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 9. März 2000 in der
Rechtssache C-437/97 eingebracht worden sei. Sie vertrat die
Auffassung, bei dem Rückzahlungsantrag des Beschwerdeführers vom
25. Oktober 1999 handle es sich um eine bedingte Parteierklärung,
die im Verfahrensrecht unzulässig sei.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde erachtet
sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Rückzahlung der
Getränkesteuer "für den Zeitraum 1.1.1995 bis 31.12.1999" verletzt.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte
Teile der Verwaltungsakten vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Punkt 3 des Spruchtenors des Urteiles des Gerichtshofes der
Europäischen Gemeinschaften vom 9. März 2000 in der Rechtssache C-
437/97 lautet:
Niemand kann sich auf Artikel 3 Absatz 2 der
Verbrauchsteuerrichtlinie berufen, um Ansprüche betreffend
Abgaben, wie die Steuer auf alkoholische Getränke, die vor Erlass
des Urteiles des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C
437/97 entrichtet wurden oder fällig geworden sind, geltend zu
machen, es sei denn, er hätte vor diesem Zeitpunkt Klage erhoben
oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt.
Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes ist der in diesem Urteil des EuGH
verwendete Begriff Rechtsbehelf möglichst weit zu verstehen. So
ist insbesondere eine Berichtigung bzw ein Rückzahlungsantrag ein
solcher Rechtsbehelf (vgl zB die hg Erkenntnisse vom 28. September
2000, Zl 2000/16/0338, und vom 17. Mai 2001, Zl 2000/16/0704 mwH).
Im angefochtenen Bescheid ist die belangte Behörde im
Hinblick auf die Formulierung "Sollte die Getränkesteuer ... als
EU-widrig erklärt werden" davon ausgegangen, dass das Begehren des
Beschwerdeführers unter einer Bedingung erklärt worden ist. Mit
dieser Folgerung ist die Behörde im Recht. Auch der
Beschwerdeführer geht in der Beschwerdeschrift davon aus, dass in
den Rückzahlungsantrag eine Bedingung aufgenommen worden ist.
Derartige bedingte Prozesshandlungen sind aber im Allgemeinen
unzulässig (vgl insbesondere Stoll, BAO-Kommentar, 2574, und die
dort angeführte Rechtsprechung; vgl weiters das hg Erkenntnis vom
18. Juni 1996, Zl 94/04/0183). Insbesondere ist dabei ein
Begehren, das wie im Beschwerdefall nur dann als erhoben gelten
soll, wenn ein anderes Gericht in einem anderen Verfahren zu einer
der Bedingung entsprechenden Rechtsmeinung gelangen sollte, nicht
zulässig (vgl den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 6.
Oktober 1997, B 2152/97).
Wenn der Beschwerdeführer demgegenüber vorbringt, er habe die
Bedingung deswegen aufgenommen, weil er klarstellen wollte, dass
er die Rückzahlung nicht vor Vorliegen der Entscheidung des EuGH
begehre, so übersieht er, dass die einer Prozesserklärung
zugrundeliegenden Absichten und Beweggründe unerheblich sind (vgl
neuerlich das hg Erkenntnis vom 18. Juni 1996, Zl 94/04/0183 mwH).
Der Hinweis des Beschwerdeführers auf das hg Erkenntnis vom 11.
Mai 2000, Zl 98/16/0163, ist nicht verständlich, da diesem
Beschwerdefall eine bedingte Prozesserklärung nicht zugrunde
gelegen ist.
Die Unzulässigkeit des vorliegenden bedingten
Rückzahlungsantrages stand damit einer Beurteilung des Antrages
als Rechtsbehelf iSd Punktes 3 des Urteilstenors des oben
angeführten EuGH-Urteils vom 9. März 2000 entgegen, sodass sich
die Beschwerde gegen den Getränkesteuer für 1999 betreffenden
angefochtenen Bescheid als unbegründet erweist. Soweit in der
Beschwerde beantragt wird, den Bescheid (auch) hinsichtlich eines
Zeitraumes vom 1.1.1995 bis 31.12.1998 aufzuheben, erweist sich
die Beschwerde überdies schon deswegen als unbegründet, weil im
angefochtenen Bescheid nur über Getränkesteuer des Jahres 1999
abgesprochen worden ist. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1
VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm
der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 7. Juni 2001



RIS-Dokumentnummer: JWR/2001160016/20010607X02




Nachstehende Beschwerde(n) wurde(n) im gleichen Sinn erledigt: 2001/16/0059 E 28. Juni 2001