Wiener Bereicherungsverbot (§ 185 Abs 3 WAO) nicht verfassungswidrig!
VfGH-Erkenntnis B 1735/00 vom 29.11.2000

RIS-Dokumentnummer: JFT/09998871/00B01735


Leitsatz
Abweisung einer Beschwerde gegen die Verweigerung der Rückzahlung
entrichteter Getränkesteuer nach einem Urteil des EuGH betreffend
Feststellung des Widerspruchs einer Steuer auf alkoholische Getränke
zur Verbrauchsteuerrichtlinie; Unbedenklichkeit der durch eine
Novelle zur WAO geschaffenen Regelung über eine "Rückzahlungssperre"
für die vom Abgabepflichtigen auf Letztverbraucher überwälzten
Abgaben; Anknüpfen an einen derartigen Überwälzungsvorgang nicht zu
unbestimmt oder unsachlich; keine Gemeinschaftsrechtwidrigkeit der
Regelung; keine Bedenken gegen die Ausnahme der - die
Anlaßfallwirkung für eine vom VfGH als rechtswidrig erkannte
Abgabenvorschrift genießenden - Abgabepflichtigen von der
Rückzahlungssperre; keine Bedenken gegen die Rückwirkung der Regelung
im Hinblick auf den Vertrauensschutz
Spruch
Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid
weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen
Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten
verletzt worden.

       Die Beschwerde wird abgewiesen.

       Die Beschwerde wird dem Verwaltungsgerichtshof zur
Entscheidung darüber abgetreten, ob die beschwerdeführende Partei
durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt
worden ist.
Begründung
Entscheidungsgründe:

I.     1. Die beschwerdeführende Gesellschaft betreibt in Wien ein
Restaurant. Sie hat am 10. Februar 1999 für das Jahr 1998 eine
Getränkesteuererklärung mit S 0,-- abgegeben, einen Antrag auf
Bescheiderlassung gemäß § 149 Abs 2 WAO gestellt und die Rückzahlung
eines Guthabens gemäß § 185 WAO beantragt, da sie Getränkesteuer in
Höhe von S 13.234,-- für dieses Kalenderjahr im Wege der
Selbstbemessung gezahlt habe.

       Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 15. Juni 1999
wurde der beschwerdeführenden Gesellschaft Getränkesteuer in Höhe von
S 13.234,-- vorgeschrieben und der Antrag auf Rückzahlung abgewiesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Berufungsbescheid der
Abgabenberufungskommission Wien vom 6. September 2000 wurde der
Berufung teilweise Folge gegeben und die Abgabe auf S 8.157,--
herabgesetzt, der Antrag auf Rückzahlung jedoch (erneut) abgewiesen.
Auf Grund des Urteils des EuGH vom 9. März 2000, Rs. C-437/97, sei
zwar der Berufung, soweit sie gegen die Vorschreibung von
Getränkesteuer für alkoholische Getränke gerichtet sei, Folge zu
geben, die Rückzahlung des sich solcherart ergebenden Guthabens sei
jedoch im Hinblick auf § 185 Abs 3 WAO, idF LGBl. 9/2000, zu
verweigern.

       2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf
Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher die Verletzung der
verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des
Eigentums, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf
ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie die Verletzung in
Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend
gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen
Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den
Verwaltungsgerichtshof begehrt wird.

       3. Die Abgabenberufungskommission Wien als belangte Behörde
legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in
welcher sie darlegt, warum - ihrer Ansicht nach - die
Beschwerdeführerin weder in einem verfassungsgesetzlich
gewährleisteten Recht noch durch Anwendung eines verfassungswidrigen
Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden sei, und die Abweisung der
Beschwerde beantragt.

       4. Die beschwerdeführende Gesellschaft hat darauf repliziert.

II.    1. Aus Anlaß zweier Beschwerden hatte der
Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 18. Dezember 1997,
Zl. 97/16/0221, dem EuGH zur Vorabentscheidung u.a. die Fragen
vorgelegt, ob Art 33 Abs 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom
17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames
Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige
Bemessungsgrundlage (77/388/EWG), im folgenden:
6. Mehrwertsteuer-Richtlinie, der Beibehaltung einer Abgabe
entgegenstehe, welche auf die entgeltliche Lieferung von Speiseeis
einschließlich darin verarbeiteter oder dazu verabreichter Früchte
und von Getränken, jeweils einschließlich der mitverkauften
Umschließung und des mitverkauften Zubehörs, erhoben wird, bzw. ob
einer derartigen Abgabe Art 3 Abs 2 bzw. Abs 3, zweiter Satz der
Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das
allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle
verbrauchsteuerpflichtiger Waren, im folgenden:
Verbrauchsteuerrichtlinie, entgegenstehe.

       Mit Urteil vom 9. März 2000, Rs. C-437/97, sprach der EuGH
diesbezüglich u.a. aus, daß Art 3 Abs 2 der Verbrauchsteuerrichtlinie
der Beibehaltung einer auf alkoholische Getränke erhobenen Steuer wie
die der Anlaßfälle (es handelte sich hiebei um die Vorschreibung der
Getränkesteuer gemäß dem OÖ Gemeinde-Getränkesteuergesetz bzw. dem
Wiener Getränkesteuergesetz und der Wiener Getränkesteuerverordnung)
entgegenstehe, verneinte aber einen Widerspruch zu Art 33 der 6.
Mehrwertsteuer-Richtlinie. Zur zeitlichen Wirksamkeit seines Urteiles
führte der EuGH aus, daß sich niemand auf Art 3 Abs 2 der
Verbrauchsteuerrichtlinie berufen könne, um Ansprüche betreffend
Abgaben wie die strittige Steuer auf alkoholische Getränke, die vor
Erlaß des Urteils entrichtet wurden oder fällig geworden sind,
geltend zu machen, es sei denn, er hätte vor diesem Zeitpunkt Klage
erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt.

       2. Nach § 185 Abs 1 WAO kann der Abgabepflichtige die
Rückzahlung von Guthaben (§ 162 Abs 2) beantragen. Nach § 185 Abs 2 WAO
können gegen den Rückzahlungsbetrag der Höhe nach festgesetzte
Abgabenschuldigkeiten aufgerechnet werden, die der Abgabepflichtige
nicht später als drei Monate nach der Stellung des
Rückzahlungsantrages zu entrichten haben wird.

       Durch Artikel I des Gesetzes, mit dem die Wiener
Abgabenordnung geändert wird, LGBl. 9/2000, wurden dem § 185 die
folgenden Absätze 3 und 4 angefügt:

       "(3) Ein Rückzahlungsanspruch steht insoweit nicht zu, als
die Abgabe wirtschaftlich von einem Anderen als dem Abgabepflichtigen
getragen wurde. Soweit eine derart überwälzte Abgabe noch nicht
entrichtet wurde, hat die Abgabenbehörde diese mit gesondertem
Bescheid vorzuschreiben.

       (4) Abs 3 ist nicht anzuwenden auf Abgabepflichtige, soweit
ihnen die Anlassfallwirkung für eine vom Verfassungsgerichtshof als
rechtswidrig erkannte Abgabenvorschrift zukommt."

       Nach Artikel II dieses Gesetzes ist Artikel I auch auf vor
der Kundmachung dieses Gesetzes entstandene Steuerschuldverhältnisse
anzuwenden.

       Durch eine neuerliche Novelle zur WAO, beschlossen am
20. Oktober 2000, soll dem Absatz 3, erster Satz, ein Halbsatz
folgenden Inhaltes angefügt werden: "... insoweit führt die
Herabsetzung der Abgabenfestsetzung durch Selbstbemessung oder
Abgabenbescheid auch nicht zu einer Gutschrift". Die Kundmachung
dieser Novelle ist noch nicht erfolgt.

III.   1. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige -
Beschwerde erwogen:

       Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, beim
Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der den
angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsgrundlagen zu wecken:

       2.1. Zunächst vermag der Gerichtshof der Beschwerde nicht zu
folgen, wenn sie die Auffassung vertritt, der Wiener
Landesgesetzgeber sei - hinsichtlich der Getränkesteuer - nicht
zuständig, eine Regelung wie die des § 185 Abs 3 WAO, idF LGBl. 9/2000,
zu erlassen.

       2.2. Nach § 8 Abs 1 F-VG 1948 werden (u.a.) die
ausschließlichen Landes(Gemeinde)abgaben vorbehaltlich der
Bestimmungen des § 7 Abs 3 bis 5 leg.cit. durch die Landesgesetzgebung
geregelt. Unter ausschließlichen Landes- bzw. Gemeindeabgaben sind in
diesem Zusammenhang alle Abgaben zu verstehen, die nicht zu den in § 7
Abs 1 F-VG 1948 angesprochenen Bundesabgaben zählen (vgl. auch Ruppe,
§ 8 F-VG, in Korinek/Holoubek (Hrsg.), Bundesverfassungsrecht, (2000)
Rz. 4 mwN). Grundsätzlich ist somit die Landesgesetzgebung (auch) auf
dem Gebiet der ausschließlichen Gemeindeabgaben im Verständnis des § 6
Abs 1 Z5 F-VG 1948 zur Regelung des materiellen Steuerrechts
zuständig. Der Vorbehalt bezüglich der Bestimmungen des § 7 Abs 3 bis 5
leg.cit. ist dabei hinsichtlich des Abs 5 nach der ständigen
Rechtsprechung des Gerichtshofes so zu verstehen, daß im Bereich
jener Abgaben, die der Bund gemäß § 7 Abs 5 F-VG 1948 in das freie
Beschlußrecht der Gemeinden übertragen hat, die Landesgesetzgebung
zur Regelung des materiellen Steuerrechts befugt bleibt, allerdings
mit der Maßgabe, daß landesgesetzliche Regelungen, die eine nach § 7
Abs 5 F-VG 1948 erteilte bundesgesetzliche Ermächtigung nicht bloß
konkretisieren, sondern einschränken, als verfassungswidrig anzusehen
sind (vgl. etwa VfSlg. 2170/1951, 8099/1977; VfGH 2. Oktober 1999,
B1620/97 mwN).

       Vorschriften des Inhaltes, daß bereits entrichtete Abgaben
trotz rückwirkenden Wegfalles ihrer Rechtsgrundlage nur unter
bestimmten Bedingungen erstattet werden, sind Vorschriften des
materiellen Steuerrechts, zu deren Erlassung der Landesgesetzgeber
somit auf Grund des § 8 Abs 1 F-VG 1948 im sachlichen Geltungsbereich
dieser Norm zuständig ist. Der Verfassungsgerichtshof kann keinen
Grund sehen, warum sich diese Zuständigkeit nicht auch auf Abgaben
erstrecken sollte, die den Gemeinden durch eine bundesgesetzliche
Ermächtigung nach § 7 Abs 5 F-VG 1948 in das freie Beschlußrecht
übertragen worden sind, ist doch eine Einschränkung der vom Bund
übertragenen Besteuerungsberechtigung mit einer solchen Regelung
gewiß nicht verbunden.

       Der Anwendung der bekämpften Bestimmung des § 185 Abs 3 WAO auf
die Getränkesteuer stehen somit kompetenzrechtliche Hindernisse nicht
entgegen.

       3.1. Die Beschwerde vermeint weiter, es sei sachlich nicht
gerechtfertigt, an den Umstand anzuknüpfen, daß die Abgabe "von einem
Anderen" getragen werde; das Anknüpfen an die Überwälzung einer
Abgabe sei derart unbestimmt im Sinne des Art 18 B-VG, daß es dem
Gesetzgeber verwehrt sei, mit der Überwälzung Rechtsfolgen zu
verbinden. Überdies fehle eine Differenzierung nach dem Rechtsgrund
der Überwälzung, wodurch wesentlich ungleiche Sachverhalte in
verfassungswidriger Weise gleich behandelt würden.

       3.2. a) Dem Verfassungsgerichtshof ist durchaus bewußt, daß
die Überwälzung einer Abgabe ein tatsächlicher Vorgang ist, dessen
Gelingen im Einzelfall von wirtschaftlichen Umständen abhängt, aber
auch von rechtlichen Regelungen beeinflußt wird, und daß es - unter
Umständen erheblichen - Schwierigkeiten begegnen kann, die
Überwälzung oder Nichtüberwälzung festzustellen. Dessen ungeachtet
ist er nicht der Meinung, daß das Anknüpfen an Überwälzungsvorgänge
an sich in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise unbestimmt oder
unsachlich wäre:

       Die (vom Gesetzgeber intendierte) Überwälzung einer Abgabe
durch den gesetzlich bestimmten Steuerschuldner auf einen anderen -
den wirtschaftlichen Steuerträger - bildet das einzige
Unterscheidungsmerkmal zwischen den beiden großen Gruppen der
direkten und der indirekten Steuern. Der Unterscheidung zwischen
diesen beiden Gruppen kommt im Hinblick auf die speziell für
indirekte Steuern getroffenen primär- und sekundärrechtlichen
Regelungen des Gemeinschaftsrechtes erhebliche rechtliche Bedeutung
zu. Wenn nämlich Art 93 (neu) EGV eine Harmonisierung der
Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern, die Verbrauchsabgaben und
sonstige indirekte Steuern fordert, soweit diese Harmonisierung für
die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes (früher des
Gemeinsamen Marktes) notwendig ist, so liegt dieser Beschränkung des
Harmonisierungsauftrages auf indirekte Steuern offenbar die
Vorstellung (und Befürchtung) zugrunde, daß diese Abgaben in
besonderem Maße zu (steuerlichen) Wettbewerbsverzerrungen führen
können, weil sie die Preise der international gehandelten Güter
beeinflussen (vgl. etwa Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen
Union, Art 93 EGV, Rz. 7).

       Dementsprechend beruhen auch die auf diesem Artikel
aufbauenden sekundärrechtlichen Rechtsakte der Gemeinschaft auf der
Vorstellung, daß bei den damit geregelten Steuern die Steuerbelastung
im Preis auf die Verbraucher überwälzt wird. Folgerichtig hat daher
auch der EuGH in seiner Rechtsprechung zu Art 33 der 6.
Mehrwertsteuer-Richtlinie zu den wesentlichen Merkmalen der
Mehrwertsteuer (u.a.) den Umstand gezählt, daß die Belastung
letztlich vom Verbraucher getragen wird (vgl. aus jüngerer Zeit EuGH
8. Juni 1999, Rs. C-338/97 u.a. Zlen., "Erna Pelzl", Slg. I-3348,
unter Verweis auf das Urteil vom 7. Mai 1992, Rs. C-347/90, "Bozzi",
Slg. I-2965). Im zitierten Urteil vom 8. Juni 1999 hat der EuGH daher
den in Österreich erhobenen Fremdenverkehrs- bzw. Tourismusabgaben
die Eigenschaft von mehrwertsteuergleichen Abgaben abgesprochen, weil
sie (obwohl vom Gesamtumsatz des Unternehmens bemessen) "nicht in
einer für die Mehrwertsteuer kennzeichnenden Weise auf den
Endverbraucher abgewälzt" würden. Wörtlich heißt es in diesem Urteil
weiter:

       "24. ... Auch wenn man davon ausgehen kann, daß ein
Unternehmen, das an den Endverbraucher verkauft, bei seiner
Preisbildung die in seine Kosten eingeflossene Abgabe berücksichtigt,
so haben doch nicht alle Unternehmen die Möglichkeit, die Belastung
in dieser Weise oder in vollem Umfang abzuwälzen.

       25. Drittens ist es, da sich die Tourimusabgaben - mit
bestimmten Befreiungen - nach dem jährlichen Gesamtumsatz bemessen,
nicht möglich, den Betrag der bei jedem einzelnen Verkauf oder jeder
einzelnen Dienstleistung auf den Kunden abgewälzten Abgabe genau zu
bestimmen; die Voraussetzung der Proportionalität dieses Betrages zu
den Preisen, die der Abgabepflichtige als Gegenleistung erhält, ist
daher ebensowenig erfüllt.

       26. Daraus folgt, daß die Tourismusabgaben keine
Verbrauchsteuer darstellen, die der Endverbraucher des Produkts zu
tragen hätte, sondern Abgaben auf die Tätigkeit der Unternehmen, die
vom Tourismus betroffen sind."

       Mit dieser Argumentationslinie, der der
Verfassungsgerichtshof beipflichtet, wird die Einordnung einer Abgabe
als indirekte oder direkte Abgabe von Kriterien abhängig gemacht, die
aus dem Inhalt und dem ersichtlichen Zweck der abgabenrechtlichen
Regelung gewonnen werden und aus denen auf den beabsichtigten
Steuerträger und damit auf (typische) Überwälzungsvorgänge
geschlossen wird.

       Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, daß gleichartige
Erwägungen - wenn auch spiegelbildlich - dem erwähnten Urteil des
EuGH vom 9. März 2000, Rs. C-437/97, zur Getränkesteuer zugrunde
liegen. Schon aus den primärrechtlichen Grundlagen der auf dem Gebiet
der Verbrauchsteuern ergangenen Richtlinien (die Präambel zur
erwähnten Verbrauchsteuerrichtlinie nennt ausdrücklich Art 99 (alt) =
Art 93 (neu) EGV als maßgebliche Grundlage) ergibt sich, daß sich
diese nur auf indirekte Steuern beziehen können. Demgemäß regelt auch
Art 3 Abs 2 dieser Richtlinie, unter welchen Voraussetzungen die
Mitgliedstaaten auf die verbrauchsteuerpflichtigen Waren "andere
indirekte Steuern" erheben dürfen. Dem Verfassungsgerichtshof
erscheint es nicht zweifelhaft, daß dem Vorbehalt des Art 3 Abs 2 der
Richtlinie im gegebenen Zusammenhang von vornherein nur Steuern
unterliegen können, die nach ihrer Ausgestaltung darauf angelegt
sind, in den Preis von Waren einzugehen. Nur unter dieser Prämisse
besteht eine rechtliche Grundlage (und im Hinblick auf Art 93 EGV eine
wirtschaftliche Rechtfertigung) dafür, eine Steuer wie die
österreichische Getränkesteuer einer Überprüfung unter dem Aspekt
eines allfälligen Verstoßes gegen die Verbrauchsteuerrichtlinie zu
unterziehen.

       Vor dem Hintergrund dieser Gemeinschaftsrechtslage kann der
Gerichtshof der Beschwerde daher nicht folgen, wenn sie
Überwälzungsvorgänge als rechtlich irrelevant bezeichnet und die
Anknüpfung des Gesetzgebers an solche Überwälzungsvorgänge für zu
unbestimmt bzw. für unsachlich hält. Ein Unterscheidungskriterium,
das den primär- und sekundärrechtlichen Regelungen des
Gemeinschaftsrechts zugrundeliegt und vom EuGH in ständiger
Rechtsprechung explizit und implizit angewendet wird, kann jedenfalls
auch ein grundsätzlich taugliches Differenzierungskriterium für
innerstaatliche Regelungen sein.

       b) Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf die hg.
Erkenntnisse VfSlg. 12.734/1991 und 13.547/1993 verweist und meint,
der Gerichtshof habe bereits in diesen Entscheidungen ausgesprochen,
daß die Überwälzung ein rein wirtschaftliches Argument ohne
rechtliche Relevanz sei, so ist dem entgegenzuhalten, daß in den
damals strittigen Fällen landesgesetzliche Normen zu beurteilen
waren, mit denen generell die Neufestsetzung der Getränkesteuer für
jeweils bestimmte Fallgruppen ausgeschlossen wurde, Regelungen, die
im Verfahren (u.a.) mit dem Argument gerechtfertigt worden waren, daß
die Steuerpflichtigen die Abgabe bereits überwälzt hätten. Es ging
somit gerade nicht um Regelungen, die auf die Überwälzung im
Einzelfall abstellten, sondern jeweils um ein generelles
Neufestsetzungsverbot.

       c) Der Verfassungsgerichtshof hat nach dem Vorgesagten somit
keinen Zweifel, daß es sich bei der Getränkesteuer um eine indirekte
Steuer handelt, bei der der Gesetzgeber davon ausgegangen ist (und
davon ausgehen durfte), daß sie typischerweise in den Preis von
bestimmten Waren eingeht, somit auf den Letztverbraucher überwälzt
wird. Wäre diese Einordnung grundsätzlich in Zweifel zu ziehen, so
wäre nicht nur der erwähnte Vorlageantrag des
Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 1997, Zl. 97/16/0221,
unverständlich; es hätte auch die Überprüfung dieser Steuer durch den
EuGH unter dem Aspekt des Art 33 der 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie und
des Art 3 der Verbrauchsteuerrichtlinie zu einem anderen Ergebnis
führen müssen.

       3.3. Bei einer solchen Steuer, bei der der Gesetzgeber davon
ausgegangen ist und davon ausgehen durfte, daß sie typischerweise in
den Preis der veräußerten Produkte eingeht, erscheinen aber
gesetzliche Regelungen, die im Fall der Aufhebung der gesetzlichen
Grundlagen (dem Wegfall des Rechtsgrundes) die Erstattung von Steuern
von dem Umstand abhängig machen, ob der an sich
Erstattungsberechtigte die Steuer auch tatsächlich im Einzelfall
getragen hat, nicht von vornherein unsachlich und demgemäß
verfassungsrechtlich bedenklich. War es den Abgabepflichtigen
möglich, eine - später rückwirkend als rechtswidrig eingestufte -
Abgabe auf die Letztverbraucher zu überwälzen, so steht es im
rechtspolitischen Ermessen des Gesetzgebers, die Erstattung solcher
Abgaben auszuschließen, würde ein solcher Abgabepflichtiger doch
andernfalls offenbar einen Betrag erstattet erhalten, den er selbst
gar nicht getragen hat, und damit eine Bereicherung erfahren. Der
Gerichtshof übersieht dabei nicht, daß in einem solchen Fall zur
Erzielung eines wirtschaftlich befriedigenden Ergebnisses eigentlich
der Letztverbraucher als Steuerträger in den Genuß einer allfälligen
Erstattung kommen sollte. Da bei den von der Vorschrift erfaßten
Steuern aber die Umstände regelmäßig so liegen, daß es wegen des
Zeitablaufs, der Massenhaftigkeit der betroffenen Vorgänge, wegen
Beweisschwierigkeiten oder wegen sonstiger Umstände praktisch
ausgeschlossen erscheint, eine solche Rückabwicklung in umfassender
und gleichmäßiger Weise vorzunehmen, scheint dem Gerichtshof eine
Regelung, die in solchen Fällen eine Bereicherung des
Steuerschuldners ausschließen will und den Abgabenertrag dem
Steuergläubiger beläßt, nicht unsachlich. Das gilt umso eher, wenn -
wie das nach der hier zu beurteilenden Rechtslage offenbar zutrifft -
der Steuerschuldner vom Steuergläubiger die Erstattung der Abgabe
auch nachträglich erreichen könnte, sofern er im Einzelfall auf Grund
seiner vertraglichen Beziehungen zum Steuerträger diesem die Steuer
zurückzuzahlen hätte (somit die Überwälzung rückgängig gemacht
würde). Auf den von der Beschwerde angedeuteten theoretischen
Grenzfall einer vom Abgabengesetzgeber bewußt herbeigeführten
verfassungs- oder gemeinschaftsrechtswidrigen Abgabenerhebung muß
dabei nicht Bedacht genommen werden.

       An diesem Ergebnis änderte sich auch nichts, wenn es zuträfe,
daß die Abgabenüberwälzung und die dadurch erforderliche
Preiserhöhung zu einem Nachfragerückgang und damit zu einer
Gewinneinbuße des Abgabepflichtigen führt. Selbst wenn es nämlich zu
einem solchen Effekt käme (was im Einzelfall offenbar primär von der
Nachfrageelastizität nach dem betreffenden Gut abhängt), ließe dieser
Umstand die Erstattungssperre nicht unsachlich erscheinen: Bei
indirekten Steuern sind derartige Effekte mit der Technik der
Steuererhebung untrennbar verbunden und - jedenfalls im Regelfall -
unbedenklich. Da sie auch im Fall rechtmäßig erhobener Abgaben den
Abgabepflichtigen nicht berechtigen, die Zahlung der überwälzten
Steuern im Ausmaß der Gewinneinbuße zu verweigern, kann der
Gerichtshof nicht finden, daß der Gesetzgeber aus
verfassungsrechtlichen Gründen verhalten wäre, bei der Normierung
einer ansonsten (noch) als sachlich anzusehenden Erstattungssperre
auf diese allfällige Gewinneinbuße Bedacht zu nehmen.

       3.4. Eine offensichtliche (und daher allenfalls
verfassungsrechtlich bedenkliche) Gemeinschaftsrechtswidrigkeit ist
der Norm nicht anzulasten. In seiner bisherigen Rechtsprechung hat
der EuGH vielmehr wiederholt ausgesprochen, daß der Schutz der in
diesem Bereich von der Gemeinschaftsrechtsordnung gewährleisteten
Rechte es nicht erfordere, zu Unrecht erhobene Abgaben unter
Bedingungen zurückzuerstatten, die zu einer ungerechtfertigten
Bereicherung der Berechtigten führen würden. "Es steht den
einzelstaatlichen Gerichten nach Gemeinschaftsrecht demnach frei,
nach ihrem nationalen Recht den Umstand zu berücksichtigen, daß ohne
rechtlichen Grund erhobene Abgaben in die Preise des
abgabepflichtigen Unternehmens einfließen und auf die Abnehmer
abgewälzt werden konnten" (EuGH Urteil vom 27. Mai 1981, Rs. 142 und
143/80, "Essevi und Salengo", Slg. 1413, Rdnr. 35 unter Verweis auf
das Urteil vom 27. März 1980, Rs. 61/79, "Denkavit Italiana", Slg.
1205; vgl. ferner die Urteile vom 27. Februar 1980, Rs. 68/79,
"Just", Slg. 501; 9. November 1983, Rs. 199/82, "San Giorgio", Slg.
3595; 25. Februar 1988, Rs. 331/85 u.a. Zlen., "Bianco und Girard",
Slg. 1114; 14. Jänner 1997, Rs. C-192/95 u.a. Zlen., "Comateb", Slg.
I-180; vgl. zuletzt auch das Urteil vom 28. November 2000,
Rs. C-88/99, "Roquette Freres SA", Rdnr. 20). Im Urteil vom
9. Februar 1999, Rs. C-343/96, "Dilexport", Slg. I-600, hat der EuGH
im zweiten Leitsatz überdies ausgesprochen, daß das
Gemeinschaftsrecht es einem Mitgliedstaat nicht verwehre, "nach dem
Erlaß von Urteilen des Gerichtshofes, in denen Abgaben für
gemeinschaftsrechtswidrig erklärt werden, Vorschriften zu erlassen,
nach denen die Voraussetzungen für die Erstattung dieser Abgaben
weniger günstig sind, als sie es ohne diese Vorschriften wären,
sofern sich diese Änderung nicht speziell auf die betreffenden
Abgaben bezieht und die neuen Vorschriften die Ausübung des Rechts
auf Erstattung nicht unmöglich machen oder übermäßig erschweren". Im
Urteil vom 21. September 2000, Rs. C-441/98, C-442/98, "Kapniki
Michailidis", hat der EuGH für Recht erkannt, daß das
Gemeinschaftsrecht es einem Mitgliedstaat zwar nicht verwehre, "die
Erstattung von unter Verstoß gegen Gemeinschaftsvorschriften
erhobenen Abgaben abzulehnen, wenn nachgewiesen ist, dass die
Erstattung zu einer ungerechtfertigten Bereicherung führen würde. Es
schließt aber die Anwendung von Vermutungen oder Beweisregeln aus,
mit denen dem betreffenden Wirtschaftsteilnehmer die Beweislast dafür
auferlegt werden soll, dass die ohne Rechtsgrund gezahlten Abgaben
nicht auf andere abgewälzt worden sind, und mit denen er daran
gehindert werden soll, Beweismittel vorzulegen, um eine angebliche
Abwälzung zu widerlegen."

       3.5. Daß es aber im vorliegenden Fall generell ausgeschlossen
wäre, die Frage zu beurteilen, ob im Einzelfall eine Überwälzung
stattgefunden hat, bzw. daß dem Abgabepflichtigen in diesem
Zusammenhang unzumutbare bzw. offenkundig gemeinschaftsrechtswidrige
Beweislasten auferlegt würden, kann der Verfassungsgerichtshof nicht
finden. Es mag sein, daß im Einzelfall die Tatsache der vorgenommenen
oder unterlassenen Überwälzung nicht einwandfrei in dem Sinn
nachgewiesen werden kann, daß dem Betrachter die feste Überzeugung
von einem bestimmten Geschehensablauf vermittelt wird. Einen solchen
Nachweis bürdet das hier anwendbare Verfahrensrecht dem
Abgabepflichtigen aber gar nicht auf. § 185 WAO enthält keine
speziellen Aussagen zur Behauptungs- oder Feststellungslast bzw. zu
den zulässigen Beweismitteln oder zur Beweiswürdigung. Maßgebend ist
somit das allgemeine Verfahrensrecht. Dieses geht aber vom Grundsatz
der Amtswegigkeit bei der Ermittlung der maßgebenden Verhältnisse aus
(§ 90 Abs 1 WAO); es begnügt sich, soweit es um die Mitwirkung des
Abgabepflichtigen an der Sachverhaltsaufklärung geht, wenn der Beweis
nach den Umständen nicht zugemutet werden kann, mit der
Glaubhaftmachung (§ 107 Abs 1 WAO) und läßt im übrigen als Beweismittel
alles zu, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet
und nach Lage des Falles zweckdienlich ist (§ 127 WAO). Grundsätzlich
sind daher im vorliegenden Fall alle Argumente - rechtlicher wie
tatsächlicher Art- beachtlich, die Rückschlüsse auf
Überwälzungsvorgänge zulassen. Unter diesem Aspekt kommen in Bezug
auf die Getränkesteuer auf alkoholische Getränke keinesfalls nur
betriebsbezogene Kalkulationsunterlagen in Betracht; es können - u.a.
- jedenfalls auch objektiv nachvollziehbare makroökonomische Analysen
der Preisbildung im Bereich der Gastronomie und des Getränkehandels
von Bedeutung sein.

       3.6. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist aber - entgegen der
Auffassung der Beschwerde - auch nichts gegen die Regelung des § 185
Abs 4 WAO einzuwenden, die von der Rückzahlungssperre jene
Abgabepflichtigen ausnimmt, soweit ihnen die Anlaßfallwirkung für
eine vom Verfassungsgerichtshof als rechtswidrig erkannte
Abgabenvorschrift zukommt. Mit dieser Norm wird die mit der Regelung
des Art 140 Abs 7 bzw. Art 139 Abs 6 B-VG verbundene Privilegierung des
Anlaßfalles auch auf eine landesgesetzliche Rückzahlungssperre
ausgedehnt: Wenn die aufgehobene Norm auf den Anlaßfall nicht mehr
angewendet wird, dann soll auch die Prüfung entfallen, ob durch eine
Rückzahlung der Abgabe eine Bereicherung bewirkt wird. Daß der
Landesgesetzgeber die Regelungen des Art 140 Abs 7 bzw. Art 139 Abs 6
B-VG zur Anlaßfallwirkung in diesem Fall zum Anknüpfungspunkt einer
differenzierenden Regelung nimmt, erscheint dem
Verfassungsgerichtshof nicht unsachlich und daher
verfassungsrechtlich unbedenklich. Das bedeutet freilich auch, daß
die Rückzahlungssperre nur im Zusammenhang mit jenen
Normprüfungsverfahren aufgehoben wird, in denen es eine solche
Anlaßfallwirkung gibt, und nicht generell in allen Verfahren, die zur
Normaufhebung führen können.

       3.7. Somit kann der Gerichtshof der Beschwerde auch nicht
folgen, wenn sie rügt, daß die angegriffene Norm - wie es die
Beschwerde formuliert - im "Europarechts-Fall" gleichartige
Rechtsfolgen nicht vorsieht: Wird schon im verfassungsgerichtlichen
Verfahren nur für bestimmte Fallgruppen der Normenprüfung die
(bedingte) Rückzahlungssperre behoben (somit beispielsweise nicht bei
den auf Grund von Individualanträgen eingeleiteten Verfahren), und
ist dies im Hinblick auf die Regelungen der Art 139 und 140 B-VG als
unbedenklich anzusehen (vgl. 3.6.), dann wird nicht zwischen
"Europarechts-Fällen" und innerstaatlichen Fällen unterschieden,
sondern zwischen Fällen, in denen es eine Anlaßfallwirkung iSd Art 140
Abs 7 bzw. Art 139 Abs 6 B-VG gibt, und allen anderen. Dies bewirkt
keine verfassungsrechtlich bedenkliche Ungleichbehandlung gleicher
Fälle.

       3.8. Wenn die beschwerdeführende Gesellschaft ferner eine
(verfassungswidrige) Ungleichbehandlung gleicher Fälle darin
erblickt, daß sie ohne sachliche Rechtfertigung im wirtschaftlichen
Ergebnis gleich behandelt werde wie jemand, der die
Abgabenfestsetzung in Rechtskraft erwachsen habe lassen und so den
Rückforderungsanspruch "verspielt" habe, so ist dazu folgendes zu
sagen: Die bekämpfte Regelung stellt auf die Überwälzung und damit
auf die Bereicherung ab. Wer die fragliche Abgabe nicht überwälzt hat
und die Abgabenfestsetzung in Rechtskraft erwachsen ließ, hat trotz
Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Abgabe keine Möglichkeit (mehr),
die von ihm getragene Abgabe zurückzuerhalten. Gerade diese
Möglichkeit steht der beschwerdeführenden Gesellschaft aber offen.
Wurde die Abgabe jedoch überwälzt, so wird in der Tat durch die
Regelung des § 185 Abs 3 WAO die Rückerstattung auch für jene
Abgabepflichtigen ausgeschlossen, die Rechtsbehelfe gegen die
Abgabenfestsetzung ergriffen und letztlich mit ihren Einwänden Recht
behalten haben. Die derart gegebene Gleichbehandlung dieser Fälle mit
jenen, in denen ein Rechtsbehelf von vornherein nicht eingelegt
wurde, geht jedoch in dem allgemeineren Problem auf, ob der Wiener
Landesgesetzgeber in verfassungsrechtlich zulässiger Weise der Norm
des § 185 Abs 3 WAO Wirkung auch für Fälle zuerkennen durfte, bei denen
die Steuerschuld vor Kundmachung der Norm entstanden ist (hiezu 4.).

       3.9. Die Beschwerde bemängelt schließlich, daß nur die
Rückzahlung von Guthaben der Sperrwirkung unterliege, nicht aber die
Verrechnung von Gutschriften (womit im Ergebnis eine unsachliche
Schlechterstellung jener Steuerpflichtigen behauptet wird, bei denen
keine anderen Abgabenschuldigkeiten vorhanden sind, zu deren Tilgung
Steuergutschriften verwendet werden können). Der Gerichtshof ist
jedoch der Auffassung, daß der Wortlaut des § 185 Abs 3 WAO eine
Interpretation nicht ausschließt, die die Rückzahlungssperre auch auf
die Verrechnung von Gutschriften zur Tilgung anderer
Abgabenschuldigkeiten ausdehnt, und daß - sollte die beanstandete
unsachliche Schlechterstellung tatsächlich relevant sein - eine
solche Interpretation zur Erzielung eines verfassungskonformen
Ergebnisses auch geboten ist.

       3.10. Der Gerichtshof hat somit gegen § 185 Abs 3 und 4 WAO,
idF LGBl. 9/2000, keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

       4. Gesondert zu prüfen ist jedoch, ob Gleiches auch bezüglich
des Artikels II des genannten Gesetzes gilt, wonach die
"Rückzahlungssperre" auch auf vor der Kundmachung dieses Gesetzes
entstandene Steuerschuldverhältnisse anzuwenden ist.

       4.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger
Rechtsprechung betont, daß der Gesetzgeber durch den
verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitssatz gehalten ist,
dem Vertrauensschutz bei seinen Regelungen Beachtung zu schenken. Er
hat daher wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß gesetzliche
Vorschriften, die rückwirkend belastend in Rechtspositionen
eingreifen, mit dem Gleichheitssatz in Konflikt kommen, wenn die
Normunterworfenen durch einen Eingriff von erheblichem Gewicht in
einem berechtigten Vertrauen auf die Rechtslage enttäuscht werden und
nicht etwa besondere Umstände diese Rückwirkung verlangen. Ob und
inwieweit im Ergebnis ein sachlich nicht gerechtfertigter und damit
gleichheitswidriger Eingriff vorliegt, hängt nach dieser Judikatur
daher vom Ausmaß des Eingriffes und vom Gewicht der für die
Rückwirkung sprechenden Gründe ab (VfSlg. 12.416/1990; vgl. auch
VfSlg. 12.485/1990, 12.688/1991, 12.944/1991, 15.060/1997 u.a.).

       4.2. Der Gerichtshof bezweifelt nicht, daß durch eine Norm
wie die hier zu beurteilende, die auf Grund des Artikels II, LGBl.
9/2000, auch auf Schuldverhältnisse anzuwenden ist, die vor der
Kundmachung des Gesetzes entstanden sind, in die Rechtsposition der
Abgabepflichtigen eingegriffen wird: Die Abgabepflichtigen haben
ihren Rechtsstreit um die Gemeinschaftskonformität der von ihnen
geschuldeten Getränkesteuer unter Geltung einer Rechtslage begonnen,
die die grundsätzlich bedingungslose Erstattung von rechtswidrig
erhobenen Abgaben vorsah und nicht auf Überwälzungsvorgänge und eine
dadurch allenfalls bewirkte Bereicherung abstellte. Sie konnten daher
zwar nicht darauf vertrauen, in dem Rechtsstreit zu obsiegen, sie
konnten aber nach der damals geltenden Rechtslage davon ausgehen, daß
ihnen im Falle ihres Obsiegens die entrichteten Abgabenbeträge
jedenfalls (das heißt ohne Erfüllung weiterer Voraussetzungen)
zurückerstattet würden. Es ist auch nicht auszuschließen, daß durch
die neue Regelung ein Eingriff von erheblichem Gewicht erfolgte, ist
es doch denkbar, daß der Rechtsstreit unterlassen (und die damit
zusammenhängende, vielleicht beträchtliche Kostenbelastung vermieden)
worden wäre, wenn schon seinerzeit bekannt gewesen wäre, daß die
Erstattung rechtswidrig erhobener Beträge von der Bedingung der
Nicht-Überwälzung abhängig gemacht werden würde. Damit stellt sich
die Frage, ob die Abgabepflichtigen berechtigterweise auf den
Fortbestand der gegebenen Rechtslage vertrauen durften oder nicht
(vgl. dazu auch den hg. Beschluß vom 11. März 1998, B373/98, zur
Situation bei den Firmenbuchgebühren).

       4.3. Der Gerichtshof kann diese Frage jedoch letztlich auf
sich beruhen lassen. Es ist nämlich auf der anderen Seite zu
berücksichtigen, daß die "Rückwirkung" der Rückzahlungssperre ihre
Begründung vor allem in der besonderen Situation findet, die auf dem
Gebiet der Getränkesteuer durch das Urteil des EuGH vom 9. März 2000,
Rs. C-437/97, festgestellt wurde. Nun zeigt aber gerade der EuGH in
diesem Urteil verschiedene Umstände auf, die ihn letztlich dazu
veranlaßten, die Wirkungen des Urteiles - ausnahmsweise - zeitlich zu
begrenzen. So wird (aaO, Rdnr. 56) darauf hingewiesen, die
österreichische Regierung habe "unwidersprochen" ausgeführt,
Vertreter der Kommission hätten ihr bei den Beitrittsverhandlungen
versichert, daß die Getränkesteuer mit dem Gemeinschaftsrecht
vereinbar sei. Der EuGH leitet daraus ab (Rdnr. 58), daß die
österreichische Regierung auf Grund des Verhaltens der Kommission
annehmen durfte, daß die Vorschriften über die Besteuerung
alkoholischer Getränke mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar gewesen
seien. Ferner wird festgehalten (ebenfalls Rdnr. 58), daß Art 3 Abs 2
der Verbrauchsteuerrichtlinie bislang nicht Gegenstand eines
Auslegungsurteiles auf Grund eines Vorabentscheidungsersuchens
gewesen sei, womit implizit gesagt wird, daß die
Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Getränkesteuer rechtlich durchaus
zweifelhaft war, zumindest aber nicht offen zutage lag. Schließlich
heißt es in Rdnr. 59: "Zwingende Gründe der Rechtssicherheit
schließen es nämlich aus, daß Rechtsverhältnisse, die ihre Wirkungen
in der Vergangenheit erschöpft haben, in Frage gestellt werden, da
dies das Finanzierungssystem der österreichischen Gemeinden
rückwirkend in seinen Grundlagen erschüttern würde."

       Der Verfassungsgerichtshof schließt aus diesen Hinweisen, daß
der EuGH den erhebungsberechtigten Gemeinden in gewissem Maße ein
berechtigtes Vertrauen in den Fortbestand der Rechtslage (und in die
Verfügungsmöglichkeit über die auf Grund dieser Rechtslage erzielten
Steuereinnahmen) zubilligte und sie deswegen vor den finanziellen
Konsequenzen einer vollständigen Rückerstattung der Getränkesteuer
schützen wollte.

       Daraus folgt für den Verfassungsgerichtshof aber, daß dem -
allenfalls rechtlich geschützten - Vertrauen der die
Getränkesteuerfestsetzungen bekämpfenden Steuerpflichtigen auf
bedingungslose Erstattung der Getränkesteuer im Falle der
Feststellung ihrer Gemeinschaftsrechtswidrigkeit ein rechtlich
geschütztes Vertrauen der Gemeinden auf die Gemeinschaftskonformität
der Getränkesteuer und die Verfügungsmöglichkeit über die daraus
erzielten Abgabenerträge gegenüberstand. Unter diesen Umständen kann
der Gerichtshof aber nicht finden, daß die Verfügung einer
Rückzahlungssperre auch für Fälle, bei denen die Steuerschuld vor der
Kundmachung des Gesetzes entstanden ist, verfassungswidrig wäre. Bei
Abwägung des Ausmaßes des Eingriffes einerseits und des Gewichtes der
für die Rückwirkung sprechenden Gründe (die in der Entscheidung des
EuGH eindrücklich dargelegt werden) andererseits scheint es dem
Verfassungsgerichtshof vor dem Hintergrund des konkreten Falles
nämlich nicht unsachlich, wenn der Gesetzgeber den letzteren die
größere Bedeutung beilegt.

       5. Soweit die Beschwerde eine verfassungswidrige
Schlechterstellung derjenigen Getränkesteuerschuldner, die die Abgabe
entrichtet haben, gegenüber denjenigen behauptet, die keine Zahlung
geleistet haben (aber offenbar zu leisten gehabt hätten), vermag der
Gerichtshof ihr nicht zu folgen: Wurde Getränkesteuer für
alkoholische Getränke bereits überwälzt, jedoch entgegen der
innerstaatlichen Rechtslage nicht entrichtet, so sieht § 185 Abs 3 WAO
in Satz 2 vor, daß die Abgabenbehörde eine derart überwälzte Abgabe
mit gesondertem Bescheid vorzuschreiben hat. Gegen eine solche
Regelung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Vielmehr
könnte gerade das Fehlen einer solchen Regelung Bedenken erwecken,
würden doch dann Abgabepflichtige, die eine Abgabe bereits überwälzt,
aber noch nicht entrichtet haben, in unsachlicher Weise gegenüber
jenen bevorzugt werden, die die Abgabe überwälzt und entrichtet haben
und nunmehr die Erstattung begehren.

       Im konkreten Fall steht dieser Abgabenvorschreibung offenbar
auch die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Abgabe nicht entgegen. Der
EuGH hat in seinem Urteil vom 9. März 2000 ausdrücklich festgehalten,
daß sich niemand auf Art 3 Abs 2 der Verbrauchsteuerrichtlinie berufen
kann, um Ansprüche betreffend die Getränkesteuer geltend zu machen,
wenn eine Getränkesteuerschuld vor Erlaß des Urteiles entrichtet
wurde oder fällig geworden ist, es sei denn, er hätte vor diesem
Zeitpunkt Klage erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf
eingelegt. Der Verfassungsgerichtshof interpretiert dies so, daß in
den Fällen, in denen Getränkesteuer vor dem 9. März 2000 fällig
geworden ist, jedoch - ohne Einlegung eines Rechtsbehelfes - nicht
entrichtet wurde, der Einforderung dieser Abgabe Gemeinschaftsrecht
nicht entgegensteht (somit kein Anspruch auf Nichtentrichtung
besteht).

       6. Soweit die beschwerdeführende Gesellschaft die Verletzung
im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor
dem gesetzlichen Richter rügt, weil sich in ihrem Fall lediglich die
zweite Instanz mit der Frage der Überwälzung befaßt habe, und
überdies die Art der Beweisführung der Behörde bemängelt, zeigt sie
keine in die Verfassungssphäre reichenden Verfahrensfehler auf.

        7. Die beschwerdeführende Partei wurde somit weder in den
von ihr geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten
Rechten noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in
ihren Rechten verletzt.

       8. Das Beschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, daß die
beschwerdeführende Partei in einem anderen verfassungsgesetzlich
gewährleisteten Recht verletzt worden wäre.

IV.    Die Beschwerde war daher abzuweisen und antragsgemäß dem
Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abzutreten, ob die
beschwerdeführende Partei in sonstigen Rechten verletzt wurde.

V.     Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche
Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Wien, am 29.11.2000



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