Getränkesteuer
Rückzahlungsregelung in den Landesabgabenordnungen EU-konform?
Dr. Peter Mühlberger (Finanzrechts- und Steueramt der Landeshauptstadt
Linz) in ÖGZ 5/2001
Quelle: http://staedtebund.wien.at/; Stand 8.7.2001
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 23. 3. 2001, Zl. 2000/16/0640, zur Novellierung der Wiener Landesabgabenordnung vom März 2000 über die Rückzahlung von innerstaatlich rechtswidrigen oder gemeinschaftsrechtswidrigen Abgaben einen neuerlichen Antrag an den EuGH auf Vorabentscheidung gestellt. Die Frage lautet, inwieweit diese Gesetzesnovelle mit Artikel 10 EGV und dem Tenor des Urteils des EuGH vom 9. März 2000, C 437/1997, vereinbar ist. Die bisher ergangene Rechtssprechung zur Frage der Rechts- bzw. EU-Konformität von Verfahrensbestimmungen, denen Rechtswirkung für vergangene Sachverhalte zukommt, lässt hoffen, dass die Novellierungen in den Landesabgabenordnungen zur Rückzahlung (gemeinschafts-)rechtswidriger Abgaben auch unter Berücksichtigung des EU-Rechts bestehen können. Dafür spricht auch, dass diese Gesetzesnovellen vor allem ausschließlich österreichspezifische Abgabenverfahren betreffen.
1. Verfassungsrechtliche
Überlegungen
1.1 Kein Rückwirkungsverbot
Obwohl sich in der Regel jede Änderung der Rechtslage nur pro futuro auswirkt,
ist der Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht gehindert, Gesetze mit rückwirkender
Kraft zu erlassen. Das Bundesverfassungsrecht enthält kein allgemeines
Verbot rückwirkender Gesetze, d. h. solcher Gesetze, die an Sachverhalte
anknüpfen, die sich vor Inkrafttreten des Gesetzes ereignet haben (Walter-Mayer
Bundesverfassungsrecht, Manz-Verlag, Wien 2000, 9. Auflage). So
hat auch der Verfassungsgerichtshof selbst erkannt, dass die Bundesverfassung
kein Verbot enthält, Gesetze mit rückwirkender Kraft zu erlassen (VfGH-Erkenntnis
vom 27. 9. 1965, B 81/65), und zwar auch in der Form, dass selbst bereits rechtskräftig
abgeschlossene Verfahren von der Rückwirkung erfasst werden, wobei allerdings
für die Verfassungsmäßigkeit einer solchen rückwirkenden
Gesetzesregelung entscheidend ist, dass sie am Gleichheitsgrundsatz gemessen
bestehen kann (VfGH-Erkenntnis vom 1. 12. 1966, B 254/66).
1.2 Rückwirkungsprämissen
Dem Gleichheitsgrundsatz und dem Vertrauensschutz als Prämissen für
die verfassungsrechtliche Zulässigkeit kommt bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit
einer rückwirkenden gesetzlichen Regelung entscheidende Bedeutung zu. So
sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes rückwirkende
Gesetzesänderungen, die die Rechtsposition der Rechtsunterworfenen mit
Wirkung für die Vergangenheit verschlechtern, im Lichte des auch den Gesetzgeber
bindenden Gleichheitsgebotes nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig.
Es kann jedoch an der Befugnis des Gesetzgebers, im Rahmen der Verfassung
rechtspolitisch unerwünschten Konsequenzen der Rechtsprechung mit einem
Gesetzesgebungsakt entgegentreten, nicht gezweifelt werden (VfGH-Erkenntnis
vom 25. 6. 1998, G 384/96).
Eine Änderung der gerichtlichen Rechtsprechung kann unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des Vertrauensschutzes eine sachliche Rechtfertigung für eine, den bisherigen Rechtszustand wiederherstellende, je nach Sachlage auch rückwirkende Reaktion des Gesetzgebers begründen.
Gerade dem Faktum, dass nicht nur Gemeinden und die Abgabenbehörden, sondern auch die Steuerpflichtigen selbst grundsätzlich von einer Rechtmäßigkeit der österreichischen Getränkebesteuerung ausgehen konnten und auch mussten, wird vor dem Hintergrund der EuGH-Entscheidung vom 9. März 2000 auch eine als (zu Unrecht) rückwirkend bezeichnete Regelung eines so genannten Bereicherungsverbotes bei Rückzahlung rechtswidriger Gemeindeabgaben aus der Sicht der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes rechtliche Relevanz zukommen. Diese Anerkennung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer rückwirkenden Gesetzesregelung wird noch verstärkt durch jene Rechtsmeinung des Höchstgerichtes, wonach das Bundesverfassungsgesetz kein allgemeines Verbot rückwirkender, an Sachverhalte vor Erlassung anknüpfender Gesetze enthält (VfGH-Erkenntnis vom 19. 6. 1996, B 2756/94).
1.3 Vertrauensschutz
1.3.1 Berechtigtes Vertrauen
Gesetzliche Vorschriften, die nachträglich an früher verwirklichte
Tatbestände steuerliche Rechtsfolgen knüpfen und dadurch die Rechtsposition
des Steuerpflichtigen mit Wirkung für die Vergangenheit verschlechtern,
führen zu einem gleichheitswidrigen Ergebnis, wenn die Normunterworfenen
durch einen Eingriff von erheblichem Gewicht in ihrem berechtigten Vertrauen
auf die Rechtslage enttäuscht wurden und nicht etwa besondere Umstände
eine solche Rückwirkung verlangen (VfGH-Erkenntnis vom 16. 6. 1995, G 191/94).
Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist daher der Rechtsschluss zulässig, dass hier im Zusammenhang mit den Bereicherungsverboten in den Landesabgabenordnungen eine sehr wohl verfassungskonforme Gesetzesnovellierung von den Landesgesetzgebern vorgenommen worden war. Dies vor allem deshalb, weil
1.3.2 Nachträgliche
Belastung
Der Verfassungsgerichtshof tendiert grundsätzlich zum Vertrauen in die
Rechtsordnung und es können Rechtsnormen gegen diesen Vertrauensgrundsatz
verstossen, wenn sie die im Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage handelnden
Steuerpflichtigen nachträglich belasten (VfGH-Erkenntnis vom 21. 6. 1993,
B 2022/92).
Das Höchstgericht will vor allem das Vertrauen in die Rechtsordnung unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes geschützt wissen. So hat etwa der Gerichtshof in Fällen, in denen eine Steuerbehörde von einer, über mehrere Jahre vertretenen Rechtsauffassung, an die sich die Steuerpflichtigen in der Folge gehalten haben, ohne triftige Gründe abwich, eine Verletzung von Treu und Glauben festgestellt. Dabei wird stets die Bindung gesetzlich verfügter Rückwirkungen an den Gleichheitsgrundsatz betont (VfGH-Erkenntnis vom 5. 10. 1989, G 228/89). Diese Funktion können Rechtsvorschriften jedoch nur erfüllen, wenn sich die Normunterworfenen bei ihren Dispositionen grundsätzlich an der geltenden Rechtslage orientieren können. Es könnten daher gesetzliche Vorschriften mit dem Gleichheitsgrundsatz dann in Konflikt geraten, weil und insoweit sie Normunterworfene nachträglich belasten.
Eine solche Belastung würde beispielsweise die nachträgliche
mit sich bringen.
Keine nachträgliche Steuerbelastung kann die Beibehaltung eines steuerrechtlichen, jedenfalls zum Zeitpunkt der Realisierung des Abgabentatbestandes völlig gesetzeskonformen Rechtsstatus mit sich bringen, zumal hier keinesfalls nachträglich eine steuerrechtliche Belastung der Normunterworfenen herbeigeführt wird.
1.3.3 Besondere Umstände
Eine derartige Belastung könne bei schwer wiegenden und plötzlich
eintretenden Eingriffen in erworbene Rechtspositionen, auf deren Bestand der
Normunterworfene mit guten Gründen vertrauen konnte, zur Gleichheitswidrigkeit
des belastenden Eingriffes führen.
Ein solcher, nachträglich gravierend belastender Eingriff wäre nur dann zu rechtfertigen, wenn besondere Umstände eine solche Rückwirkung verlangen, um andere Gleichheitswidrigkeiten zu vermeiden. Dazu muss ausdrücklich festgestellt werden, dass
1.4 Rückwirkende Abgabenordnungen
Nach einhelliger höchstgerichtlicher Rechtsprechung sind sogar rückwirkende
selbstständige Abgabenverordnungen, die sich ausschließlich auf die
in den jeweiligen Finanzausgleichgesetzen eingeräumten und auf § 7
Abs. 5 F-VG 1948 beruhenden Ermächtigungen zur Ausschreibung stützen,
als unbedenklich anzuerkennen, wenn die Rückwirkung nur bis zum Zeitpunkt
der Erlassung der Ermächtigungsnorm und damit bis zum Inkrafttreten des
Finanzausgleichsgesetzes zurückreicht (VwGH-Erkenntnis vom 3. 7. 1978,
Zl. 1205/77 und vom 30. 7. 1992, Zl. 87/17/0125).
So wurde auch die rückwirkende Einbeziehung der Verpackungswerte in die Getränkesteuer für vergangene Abgabenzeiträume vom Verwaltungsgerichtshof als rechtlich zulässig erkannt (VwGH-Erkenntnis vom 6. 7. 1990, 90/17/0220). Die Bezugnahme auf alle Tatbestände, für die Verjährung noch nicht eingetreten ist (sh. Oö LGBL. 22/1988), erweist sich nach Rechtsmeinung des Verwaltungsgerichtshofes als eine vom konkreten Sachverhalt unabhängige Umschreibung des zeitlichen Anwendungsbereiches.
Schließlich kann sogar einer vorgenommenen authentischen und damit indirekt rückwirkenden Interpretation der Einbeziehung des Wertes der mitverkauften Verpackung in die Bemessungsgrundlage (siehe Kärnt. LGBL 25/1988) keine vertrauensverletzende Wirkung beigemessen werden (VfGH-Erkenntnis vom 14. 12. 1989, B 1560, 1561/88).
Gerade im Zusammenhang mit der Einführung eines neuen Steuertatbestandes bei der Getränkesteuer hat das Höchstgericht festgestellt, dass für die verfassungsmäßige Zulässigkeit unter Berücksichtigung des Vertrauensgrundsatzes entscheidend sei, welche einheitliche Verwaltungspraxis von den Behörden vor der rückwirkenden Regelung gehandhabt wurde und ob diese im Gesetz Deckung fand (VfGH-Erkenntnis vom 14. 3. 1990, G 294/89).
Zur Rückzahlungsregelung in den Landesabgabenordnungen muss festgestellt werden, dass
1.5 Rechtliche Schlussfolgerung
Die rechtliche Zulässigkeit einer auch für Sachverhalte vor Inkrafttreten
wirkenden Rechtsnorm, wie etwa die Rückzahlungsregelung in den Landesabgabenordnungen,
wird im Hinblick auf obige Rechtsausführungen und vor allem auf die Rechtsprechung
der Höchstgerichte vom durch den Vertrauensgrundsatz geprägten Gleichheitsgrundsatz
abhängig gemacht. Der Verfassungsgerichtshof hat auf Verfassungsmäßigkeit
der Wiener Landesabgabenordnungsnovelle (siehe VfGH-Erkenntnis vom 29. 11. 2000,
B1735/00) erkannt und gleichzeitig eine offensichtliche und daher allenfalls
verfassungsrechtlich bedenkliche Gemeinschaftsrechtswidrigkeit negiert. Im Hinblick
auf Art. 234 EGV wird der EuGH diese vom Verfassungsgerichtshof gutgeheissene,
nationale Gesetzesregelung vorraussichtlich nicht negativ kommentieren.
2. Gemeinschaftsrechtliche
Überlegungen
2.1 Bereicherungsverbot
Der Europäische Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung den
Rechtsstandpunkt, dass es der Schutz der durch die Gemeinschaftsrechtsordnungen
in den Abgabenbereichen garantierten Rechte nicht verbietet, die Erstattung
von unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhobenen Steuern, Gebühren
und Abgaben zu verwehren, wenn die zur Zahlung dieser Abgaben herangezogenen
Steuerpflichtigen diese Abgaben nachweislich tatsächlich auf andere Personen
überwälzt haben (EuGH-Urteile vom 27. 2. 1980, Rs 68-79, vom 9. 11.
1983, Rs 199/82, vom 25. 2. 1988, Rs 331/85, und vom 14. 1. 1997, Rs C 192/95).
Mangels einer Gemeinschaftsregelung ist es Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung
der betreffenden Mitgliedstaaten, die Verfahrensmodalitäten derartiger
Rechtsbehelfe auf Erstattung rechtswidriger Steuern und Abgaben zu regeln (EuGH-Urteil
vom 9. 2. 1999, Rs C 343/96).
2.2 Nationale Regelung
Die Unterschiedlichkeit der nationalen Regelungen beruht insbesondere darauf,
dass es keine Gemeinschaftsregelung über die Erstattung rechtsgrundlos
erhobener nationaler Abgaben gibt. Die Bestimmung der zuständigen Gerichte
und die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus
dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen,
ist daher Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Migliedstaaten
(EuGH vom 17. 11. 1998, C 228/1996), wobei diese Verfahren nicht weniger günstig
gestaltet sein dürfen als bei entsprechenden Klagen, die ausschließlich
innerstaatliches Recht betreffen (Äquivalenzgrundsatz) und die Ausübung
der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch
unmöglich machen oder übermässig erschweren dürfen (Effektivitätsgrundsatz).
2.3 Äquivalenz- und
Effektivitätsgrundsatz
Die Erlassung von Rückzahlungsregelungen ist nach den oben zitierten EuGH-Urteilen
am Äquivalenzgrundsatz und Effektivitätsgrundsatz zu messen. Dazu
muss festgestellt werden, dass mit den diesbezüglichen Novellierungen zu
den Landesabgabenordnungen
2.4 Inkrafttreten
Diese landesgesetzlichen Rückzahlungsregelungen wirken grundsätzlich
naturgemäß auch für vergangene Abgabensachverhalte. Zu diesem
Ergebnis wird man umso mehr gelangen, als das Gemeinschaftsrecht es selbst nach
dem Erlass von Urteilen des Gerichtshofes, in denen Abgaben für gemeinschaftsrechtswidrig
erklärt werden, nicht verwehrt, Vorschriften zu erlassen, nach denen die
Voraussetzungen für die Erstattung dieser Abgaben weniger günstig
sind, als sie es ohne diese Vorschriften wären (EuGH-Urteil vom 9. 2. 1999,
C 343/96, Rz 43). Daher ist schon aus diesem Urteil zu entnehmen, dass hier
der Europäische Gerichtshof festgestellt hat, dass auch nach einem EuGH-Urteil,
mit welchem Abgaben als gemeinschaftsrechtswidrig erklärt wurden, entsprechende
nationale Rechtsvorschriften in Kraft gesetzt werden können,
die ein so genanntes Bereicherungsverbot vorsehen und damit die
Rückzahlung in jenen Fällen verwehren, in denen nicht der Steuerpflichtige,
sondern durch Steuerüberwälzung die Kunden (Konsumenten) die Abgabe
getragen haben.
Im konkreten Fall der österreichischen Novellen zu den Landesabgabenordnungen wird bemerkt, dass diese ohnedies großteils sogar vor dem EuGH-Urteil erlassen wurden; in jenen Fällen, in denen diese Novellen zur Landesabgabenordnung nach dem EuGH-Urteil in Kraft gesetzt oder abgeändert wurden, entspricht diese legistische Vorgangsweise der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes vom 9. 2. 1999, C 343/1996. Es liegt in der Natur der Sache, dass mit diesen Rückzahlungsbestimmungen naturgemäß eine indirekt rückwirkende Beurteilung von Abgabensachverhalten vergangener Abgabenzeiträume erfolgt. Dennoch greift sie nicht quasi rückwirkend ein und schafft rückwirkende Rechtsbestimmungen zum Nachteil der Steuerpflichtigen, sondern realisiert die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Abgabenbehörden, über Festsetzungs- und Rückzahlungsanträge materiellrechtlich zu entscheiden eine rückwirkende steuerrechtliche Belastung ist damit sicherlich nicht verbunden.
2.5 Rückwirkende Rechtsnormen
2.5.1 Unzulässige Rückwirkung
Eine Festlegung oder Änderung von Verfahrensvoraussetzungen (Zuständigkeiten,
Fristen) für Erstattungsansprüche ist grundsätzlich auch nach
dem Gemeinschaftsrecht zulässig (siehe Schlussanträge des Generalanwalts
Ruiz Jarabo Colomer vom 28. 4. 1998 in der Rechtssache Dilexport C 343/96).
Die nationalen Rechtsvorschriften können daher bei Anträgen auf Erstattung
der wegen Unvereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht zu Unrecht erhobenen Abgaben
verlangen, dass diese Anträge bei entsprechenden Finanzämtern gestellt
werden, widrigenfalls sie unzulässig wären. Dies betrifft beispielsweise
die Festlegung der Verfahrensvoraussetzungen für Erstattungsanträge
hinsichtlich Einkommensteuer im Zusammenhang mit Unternehmenseinkommen; diese
Erstattungsanträge sind jenem Finanzamt mitzuteilen, bei dem die Einkommensteuererklärung
für das betreffende Geschäftsjahr eingegangen ist. Steuerlicher Sinn
und Zweck dieser Verfahrensvoraussetzung ist offensichtlich folgender: wenn
das Unternehmen den zu Unrecht (gemeinschaftsrechtswidrig) erhobenen Steuerbetrag
als Ausgabe verbucht hat, um ihn von den im Steuerjahr erzielten Einnahmen abzusetzen
und so den zu versteuerten Gewinn festzulegen, ist es rechtlich konsequent,
dass die Finanzverwaltung, wenn Klage auf Erstattung dieser Einkommensteuer
eingebracht wird, hievon Kenntnis erhält und sich entsprechend verhalten
kann. Die Unzulässigkeit der bei nicht zuständigen Behörden gestellten
Erstattungsanträge darf jedoch keine Rückwirkung haben, d. h. sie
darf nach Rechtsauffassung des Generalanwalts nicht für Anträge gelten,
die vor dem Inkrafttreten dieser Gesetzesbestimmung über die Verfahrensvoraussetzung
(Zuständigkeitsregelung, Ausschlussfrist) gestellt wurden. Eine solche
Rückwirkung einer derartigen Verfahrensgrundlage könnte nämlich
die Erhebung der Erstattungsklage unmöglich machen, weil sie darauf hinauslaufen
würde, dass a posteriore eine Voraussetzung vorgesehen wird, die im Zeitpunkt
des Stellens des Erstattungsantrages nicht bekannt war und ihn daher nachträglich
unzulässig machen würde; eine Rückwirkung einer solchen Verfahrensgrundlage
wäre nach Rechtsauffassung des Generalanwalts daher gemeinschaftsrechtswidrig.
Rechtswirkungen
Diese Rechtsauffassung des Generalanwalts ist daher rechtlich verständlich,
kann jedoch für die Rückzahlungsregelungen in den Landesabgabenordnungen
keine negative Wirkung haben, weil diese Rückzahlungsregelungen
2.5.2 Zulässige Rückwirkung
Sowohl der Generalanwalt als auch der Europäische Gerichtshof selbst haben
in verschiedenen Verfahren zur Frage der Gemeinschaftskonformität von nationalen
Regelungen über Erstattungsansprüche wegen gemeinschaftsrechtswidrig
erhobener Abgaben eine für Abgabenbehörden durchaus kooperative Rechtsauffassung
vertreten.
Der Generalanwalt Ruiz Jarabo Colomer hat in der Rechtssache Dilexport, C 343/96, in seinen Schlussanträgen die Rechtsauffassung vertreten, dass
Rechtswirkungen
In diesem Zusammenhang hat sich schon das höchste nationale Gericht, nämlich
der Verfassungsgerichtshof, in seiner Entscheidung vom 29. 11. 2000, B 1735/00-8,
ausführlich mit dem vom Europäischen Gerichtshof in ständiger
Rechtsprechung geprägten Effektivitäts- und Äquivalenzgrundsatz
auseinander gesetzt und im Hinblick auf den Umstand, dass die Rückzahlungsregelungen
in den Landesabgabenordnungen grundsätzlich
festgestellt, dass diesen Bestimmungen eine offensichtliche und daher verfassungsrechtlich bedenkliche Gemeinschaftsrechtswidrigkeit nicht anzulasten ist.
Der Generalanwalt Ruiz Jarabo Colomer hat in der Rechtsache Aprile in seinen Schlussanträgen vom 2. 4. 1998 ebenfalls die Rechtsmeinung vertreten, dass
Der Europäische Gerichtshof hat sich in seinem Urteil vom 17. 11. 1998 in der Rechtssache Aprile zur Rechtsauffassung bekannt, dass
Rechtswirkungen
Auch diesbezüglich ist zu bemerken, dass die Rückzahlungsregelungen
in den Landesabgabenordnungen den Steuerpflichtigen ermöglichen, nicht
nur hinsichtlich der gemeinschaftsrechtswidrigen Getränkesteuer auf alkoholische
Getränke, sondern hinsichtlich sämtlicher rechtswidriger oder gemeinschaftsrechtswidriger
Gemeindeabgaben und Landesabgaben allfällige Erstattungsansprüche
im Wege eines ordentlichen Abgabenverfahrens vor den Abgabenbehörden nach
den Landesabgabenordnungen durchzusetzen. Die Einführung einer derartigen
Regelung ist auch nach einem EuGH-Urteil, welches Abgaben für gemeinschaftsrechtswidrig
erklärt, rechtlich möglich, soferne der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz
gewahrt ist. In diesem Zusammenhang ist ausdrücklich darauf hinzuweisen,
dass sämtliche bisher Getränkesteuerpflichtige
2.5.3 LAO-Rückzahlungsregelung
Das Gemeinschaftsrecht untersagt es daher nicht, die rechtliche Zulässigkeit
eines Antrages auf Erstattung von bestimmten Voraussetzungen (Zuständigkeiten,
Fristen) abhängig zu machen, doch darf eine solche Verfahrensvoraussetzung
nicht dazu führen, Erstattungsanträge obsolet bzw. unzulässig
werden zu lassen. Diese Problematik ist allerdings im Zusammenhang mit dem Bereicherungsverbot
bei Rückzahlungsbegehren bei rechtswidrigen Abgaben nicht gegeben, weil
hier sämtliche, von Steuerpflichtigen eingebrachten Festsetzungen und Rückzahlungsanträge,
unabhängig
2.6 Rechtliche Schlussfolgerung
Der Europäische Gerichtshof selbst hat in ständiger Rechtsprechung
die gemeinschaftsrechtsmäßige Zulässigkeit nationaler Gesetzesregelungen
über das so genannte Bereicherungsverbot im Zusammenhang mit Erstattungsanträgen
(Rückzahlungsbegehren) rechtswidrig erhobener Abgaben anerkannt; die Formulierungen
in den Landesabgabenordnungen sind dem Begründungstenor in den EuGH-Entscheidungen
angepasst. Die Anwendung solcher Verfahrensbestimmungen, selbst wenn sie nach
einem EuGH-Urteil erlassen wurden, über die Abwicklung von Rückzahlungsbegehren
hinsichtlich rechtswidrig erklärter Abgaben sollte dementsprechend auch
auf Sachverhalte vor Inkrafttreten der Verfahrensregelungen aus der Sicht des
Gemeinschaftsrechts rechtlich zulässig sein, soferne der Äquivalenz-
und Effektivitätsgrundsatz gewahrt und eine Rückzahlung rechtswidrig
erhobener Abgaben durch die nationale Regelung nicht unmöglich oder übermäßig
erschwert wird. Nach Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtshofes vom 29. 11.
2000 B 1735/0-8 waren aber diese Grundsätze anlässlich der Erlassung
der Rückzahlungsregelungen in den Landesabgabenordnungen sehr wohl berücksichtigt
worden.
Die in dem EuGH-Verfahren
Aprile und Dilexport angesprochenen Rechtsprobleme hinsichtlich nationaler
Regelungen über Zuständigkeiten und Ausschlussfristen (in diesen Fällen
zum Nachteil von Steuerpflichtigen) treffen in Bezug auf die Rückzahlungsregelungen
in den Landesabgabenordnungen nicht zu.
08. Mai 2001