Finanzministerium
- Besprechungsergebnis
Am 30. Juni 2000 fand im Bundesministerium für Finanzen
eine weitere Besprechung zwischen Bund, Ländern (Gemeindereferate) sowie
Städtebund und Gemeindebund
zur Frage der Getränkesteuerrückzahlung mit folgendem Ergebnis
statt:
- Mit Erkenntnis vom 19. Juni 2000
hat der Verwaltungsgerichtshof entschieden, daß eine Null-Erklärung
mit behaupteter EU-Widrigkeit der Getränkesteuer bereits einen "entsprechenden
Rechtsbehelf" darstellt.
- Damit sind die - nicht allzu
hoch einzuschätzenden aber doch bestehenden - Hoffnungen, der Verwaltungsgerichtshof
würde den "entsprechenden Rechtsbehelf" etwa an das Vorliegen
einer Berufung anknüpfen, zunichte gemacht.
- Das Erkenntnis bedeutet, daß
österreichweit zumindest 60.000 Fälle mit einem Volumen von S 15
Milliarden den grundsätzlichen Anspruch auf Rückzahlung haben, sofern
nicht Bereicherung vorliegt. Nach einer Erhebung des Österreichischen
Städtebundes könnten die vorigen Zahlen sogar um bis zu 20 % höher
liegen.
- Eine Eingrenzung auf das Vorliegen
einer Berufung hätte eine Reduzierung der Zahl der Fälle auf etwa
20.000 sowie auf ein Volumen von S 9 Milliarden an maximal rückzahlbarer
Getränkesteuer gebracht.
- Der Verwaltungsgerichtshof hat
in seiner Entscheidung der Erwägung des Europäischen Gerichtshofes,
daß die Gemeindefinanzen nicht zerrüttet werden sollen, weshalb
die Formulierung "Klage oder entsprechender Rechtsbehelf" gewählt
wurde, offensichtlich nicht in der Form berücksichtigt, daß bereits
die Zahl der grundsätzlich Anspruchsberechtigten eingeschränkt wird.
- Nicht geklärt ist die Situation
betreffend einer Reihe von durch das Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnis nicht
erfaßten Verfahren, etwa Null-Erklärungen ohne den Hinweis auf
die EU-Widrigkeit, doch ist davon auszugehen, daß - wenn der Verwaltungsgerichtshof
derartige Fälle vorgelegt erhält - mit hoher Wahrscheinlichkeit
auch diesen Fällen die Qualität eines "entsprechenden Rechtsbehelfes"
zuerkennt. Eine konkrete Aussage kann jedoch erst nach entsprechenden Verfahren
getroffen werden. Grundsätzlich ist dazu jedoch zu bemerken, daß
die Zahl der bisherigen Erkenntnis nicht erfaßten Fälle relativ
gering sein dürfte.
- Vor einer Aussage über die
weitere Vorgangsweise wurde deshalb in der Arbeitsgruppe geprüft, ob
noch weitere Möglichkeiten bestehen, den Europäischen Gerichtshof
zu befassen, bevor die Gemeinden in den anhängigen Verfahren aktiv werden
müssen. Dies ist nicht sehr wahrscheinlich. Es ist nämlich davon
auszugehen, daß der Verwaltungsgerichtshof in der Frage des entsprechenden
Rechtsbehelfs im Hinblick auf sein Erkenntnis vom 19. Juni keine Zweifel an
der Auslegung hat und deshalb in dieser Angelegenheit bestimmt kein neues
Ersuchen um Vorabentscheidung stellen wird.
- Denkbar wäre jedoch, daß
ein anderes Gericht im Sinne des Artikel 234 EG-Vertrag, das mit Rückzahlungsfragen
befaßt ist, zur Auffassung kommt, daß die Vorabentscheidung des
EuGH nicht ausreicht und sich daher nochmals an den EuGH wendet. Solche "Gerichte"
könnten unter Umständen Abgaben Berufungskommissionen in den Ländern
oder der Wiener Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) sein. Eine wissenschaftliche
Analyse spricht von einem überwiegen der Argumente, die für die
Tribunalqualität von Abgabenberufungskommission sprechen. Dem UVS wird
diese Qualität jedenfalls zuerkannt.
- Mögliche Fragen könnten
sich z.B. auf folgende Fragen beziehen:
- Inwieweit verstoßt
die Verbrauchsteuerrichtlinie gegen das Pimärrecht, da sie auch dort
eingreift, wo - wie im Fall der Getränkesteuer - die Verwirklichung
des Binnenmarktes nicht behindert wird.
- Weiters ist die Frage der Besteuerung
von Dienstleistungen (Restaurationsumsätze) nicht beantwortet worden.
Nach Auffassung von Rechtsexperten müßte sie eigentlich erlaubt
sein.
Es ist nicht bekannt, ob ein solches
zweites Ersuchen um Vorabentscheidung, das zweifellos eine Voraussetzung für
die Aussetzung von Verfahren bilden würde, je gestellt wird. Damit werden
jedoch eine Reihe von sehr berechtigten Fragen der Gemeinden auf Dauer unbeantwortet
bleiben.
- Es wird somit davon auszugehen
sein, daß die Verfahren weiter geführt werden müssen. Verfahren
in der 2. Instanz werden rückverwiesen bzw. die Gemeinden in 8 Bundesländern
die Bereicherungsfrage zu prüfen haben.
- Aufgrund verschiedener Bemerkungen
in Expertenkreisen betreffend die Zuständigkeit der Länder zur Regelung
von Bereicherungsverboten (Argument, daß es sich um einen zivilrechtlichen
Begriff handelt, wobei nach der Kompetenzverteilung dafür dem Bund die
Zuständigkeit zukomme) vertrat das Bundeskanzleramt - Verfassungsdienst
die Auffassung, daß eine solche Argumentation nicht zutrifft, da auch
sonst in den Landesabgabenordnungen breit angelegte Abwicklungsmöglichkeiten
bestehen. Überdies sind die Länder vor dem Hintergrund des Artikels
15 Abs. 9 B-VG befugt, zivilrechtliche Regelungen zu treffen. Überdies
hat die Bundesregierung bei Erlassen der Bereicherungsregelungen keine Bedenken
gegen Artikel 198 B-VG geltend gemacht (diesbezüglich liegt ein Schreiben
des Verfassungsdienstes vor).
- Zur Rückwirkungsregelung
wurde in der Arbeitsgruppe festgestellt, daß sie kein Problem darstellen
dürfte, sofern der EuGH die rückwirkende Regelung des Bereicherungsverbots
akzeptiert.
- Hinsichtlich des Bereicherungsverbots
wird mit einem neuen Ersuchen des Verwaltungsgerichtshofs um Vorabentscheidung
an den EuGH gerechnet. Ein solches Ersuchen wäre jedenfalls ein Grund,
die Prüfungen auf Bereicherung auszusetzen.
- Wichtig ist bei den Landesabgabenordnungen,
daß die Bereicherungsregelung der Länder keine Differenzierung
zwischen Aufhebungen durch den EuGH oder österreichische Höchstgerichte
macht.
Der Ausgang eines neuerlichen Verfahrens
beim EuGH wird davon abhängen, ob die Bereicherungsregelung verfahrensrechtlich
gesehen wird - dann gilt die Rechtslage zum Zeitpunkt der nunmehr vorgenommenen
Prüfung oder materiellrechtlich, d.h. welches Recht zum Zeitpunkt der Verwirklichung
des Tatbestandes gegeben war. Letzteres würde bedeuten, daß die rückwirkende
Kraft der Bereicherungsregelung der Länder fallen würde.
- Sowohl das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst
als auch das Bundesministerium für Finanzen sind gemeinsam mit den Gemeindereferaten
der Länder sowie Städtebund und Gemeindebund der Auffassung, daß
die Bereicherungsregelung als verfahrensrechtliche Frage anzusehen ist.
- Um die österreichischen
Gemeinden bestmöglich zu schützen, aber auch um sicherzustellen,
daß sich nicht aus der unterschiedlichen Regelung in den einzelnen Bundesländern
Nachteile für die Gemeinden ergeben, wurde von Städtebund und Gemeindebund
eine einheitliche bundesweite Regelung gefordert. Damit wären auch die
Gemeinden, für die das Land keine Bereicherungsregelung erlassen hat
(Kärnten) - erfaßt.
- Eine solche Regelung wäre
- genauso wie eine allenfalls noch erfolgende Kärntner Regelung - noch
vor dem Sommer zu beschließen, um sie so rasch wie möglich zur
Grundlage der Weiterarbeit in den Gemeinden zu machen.
- Im Falle der Beschlußfassung
einer Bundesregelung wäre allerdings sicherzustellen, daß die nach
dem 9. März beschlossene Bundesregelung, die die Landesregelungen gewissermaßen
subsidiär überlagert, keine Nachteile für die Gemeinden in
jenen Bundesländern verursacht, die bereits klare Landesregelungen haben,
die vor dem 9. März erlassen wurden.
Einer solchen Beschlußfassung
werden jedoch nur geringe Realisierungschancen eingeräumt.
- Weiters wurde angeregt, gesetzlich
klarzustellen, daß die Umsätze bis einschließlich 8. März
getränkesteuerpflichtig waren und daß allein aufgrund der unterschiedlichen
Regelung betreffend Fälligkeit der Getränkesteuer unter Anwendung
des Gleichheitsgebotes nach Auffassung von Bund, Ländern und Gemeinden
auf den Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches und nicht auf die Fälligkeit
abgestellt wird. Eine solche Regelung sollte insbesondere Signalwirkung gegenüber
den Steuerberatern haben und eine Vielzahl von Verfahren vermeiden.
Zur weiteren Vorgangsweise wurde
folgendes festgehalten:
- Das Institut für Wirtschaftsforschung
(WIFO) versucht, mit einem Gutachten auf makroökonomischer Ebene zur
Frage der Überwälzung der Getränkesteuer auf die Konsumenten
Aussagen zu treffen. Zwischenaussagen des Berichtes gingen dahin, daß
die Überwälzung im allgemeinen angenommen werden kann. Ob dieses
Gutachten für die Gemeinden eine Hilfestellung ist, wird erst bei Vorliegen
der konkreten Ergebnisse festgestellt werden können Es wird jedoch davon
auszugehen sein, daß das Bereicherungsverbot im Einzelfall zu prüfen
sein wird, was einen erheblichen Arbeitsaufwand verursacht.
- Eine vom österreichischen
Gemeindebund vorgeschlagene gesetzliche Vermutung der Überwälzung
wird nach Ansicht des Bundeskanzleramts europarechtlich nicht halten, da der
Europäische Gerichtshof eine Prüfung im Einzelfall fordert. Es wird
deshalb einer solchen Regelung seitens des Bundes auch nicht nahegetreten.
- In der Frage der Prüfung
der Bereicherung - ob wirtschaftlich oder formell - spricht sich der Bund
eindeutig für eine formelle Prüfung aus, d.h., ob Preisankündigungen
(Speisekarten) mit dem Hinweis "inklusive aller Steuern", vorliegen
bzw. welche Schlüsselzahlen für die Berechnung der Getränkesteuer
herangezogen wurden.
- Eine endgültige Festlegung
der Vorgangsweise wird erst nach Vorliegen des WIFO-Gutachtens erfolgen können.
Abschließend ist festzustellen,
daß sich eine kleine Arbeitsgruppe mit den rechtlichen Fragen befassen
wird. Seitens des Österreichischen Städtebundes werden in dieser Arbeitsgruppe
Dr. Mühlberger von Linz und seitens der Stadt Wien Dr. Kamhuber von der
Wiener Finanzverwaltung vertreten sein. Beide Herren stehen auch für allfällige
Auskünfte zur Verfügung.
(Quelle:
http://staedtebund.wien.at/, Stand 8.7.2001)