URTEIL DES
GERICHTSHOFES (Erste Kammer)
10. März 2005
„Verbrauchsteuern
– Richtlinie 92/12/EWG – Kommunale Steuer auf die Abgabe alkoholhaltiger
Getränke zum unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle“
Verfahrenssprache: Deutsch.
In der Rechtssache C-491/03
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 1. Oktober 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 20. November 2003, in dem Verfahren
Ottmar Hermann als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Volkswirt Weinschänken GmbH gegen Stadt Frankfurt am Main
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, des Richters K. Lenaerts (Berichterstatter), der Richterin N. Colneric sowie der Richter K. Schiemann und E. Juhász,
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo
Colomer,
Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. Dezember 2004,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der Stadt Frankfurt am Main, vertreten durch J. Walter und D. Kurtz als Bevollmächtigte,
– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und K. Gross als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. Januar 2005,
folgendes Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 3 Absätze
2 und 3 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das
allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger
Waren (ABl. L 76, S. 1).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits des Ottmar Hermann, jetzt
Insolvenzverwalter der Volkswirt Weinschänken GmbH, gegen die Stadt Frankfurt
am Main, bei dem es um die Rechtmäßigkeit einer von der Stadt auf
alkoholhaltige Getränke erhobenen Steuer geht.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsregelung
3
Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 92/12 bestimmt:
„Diese Richtlinie regelt die Verbrauchsteuern und die anderen indirekten Steuern, die unmittelbar oder mittelbar auf den Verbrauch von Waren erhoben werden, mit Ausnahme der Mehrwertsteuer und der von der Gemeinschaft festgelegten Abgaben.“
4
Artikel 3 der Richtlinie 92/12 lautet:
„(1) Diese Richtlinie findet auf Gemeinschaftsebene Anwendung auf die folgenden in den einschlägigen Richtlinien definierten Waren:
– Mineralöle,
– Alkohol und alkoholische Getränke,
– Tabakwaren.
(2) Auf die in Absatz 1 genannten Waren können andere indirekte Steuern mit besonderer Zielsetzung erhoben werden, sofern diese Steuern die Besteuerungsgrundsätze der Verbrauchsteuern oder der Mehrwertsteuer in Bezug auf die Besteuerungsgrundlage sowie die Berechnung, die Steuerentstehung und die steuerliche Überwachung beachten.
(3) Die Mitgliedstaaten können Steuern auf andere als die in Absatz 1 genannten Waren einführen oder beibehalten, sofern diese Steuern im Handelsverkehr zwischen Mitgliedstaaten keine mit dem Grenzübertritt verbundenen Formalitäten nach sich ziehen.
Unter der gleichen Voraussetzung ist es den Mitgliedstaaten ebenfalls weiterhin freigestellt, Steuern auf Dienstleistungen, auch im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren, zu erheben, sofern es sich nicht um umsatzbezogene Steuern handelt.“
Nationale Regelung
5
§ 1 der Satzung über die Erhebung einer Getränkesteuer im Gebiet
der Stadt Frankfurt am Main vom 13. Dezember 1991 (Amtsblatt der Stadt Frankfurt
am Main Nr. 52 vom 24. Dezember 1991) in der durch die Satzung vom 24. Mai 1996
(Amtsblatt der Stadt Frankfurt am Main Nr. 25 vom 18. Juni 1996) geänderten
Fassung (im Folgenden: GetrStS) bestimmt: „Die Stadt Frankfurt am Main
erhebt eine Getränkesteuer.“
6
§ 2 der GetrStS sieht vor:
„(1) Gegenstand der Steuer ist die entgeltliche Abgabe alkoholhaltiger Getränke mit Ausnahme des Apfelweins durch Unternehmer zum unmittelbaren Verzehr.
(2) Der Eigenverbrauch des Steuerschuldners an Getränken einschließlich der Abgabe an Betriebsangehörige gilt als entgeltliche Abgabe, soweit sein Wert 5 v. H. des Umsatzes dieser Getränke übersteigt.
(3) Als Abgabe zum unmittelbaren Verzehr gilt jede Abgabe zum Verzehr an Ort und Stelle.“
7
Nach § 4 GetrStS beträgt die Steuer 10 v. H. des Verkaufspreises der
in § 2 GetrStS genannten Getränke. Nach diesem § 4 ist außerdem
„Verkaufspreis … der Preis, den der Endverbraucher tatsächlich
zahlt, ausschließlich der Getränkesteuer“.
8
§ 5 GetrStS bestimmt:
„(1) Steuerschuldner ist, wer als Unternehmer steuerbare Getränke zum unmittelbaren Verzehr entgeltlich abgibt.
(2) Die Steuerschuld entsteht mit der Abgabe des Getränks, im Falle des § 2 Abs. 2 mit dem Verbrauch.“
9
Die GetrStS wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2000 aufgehoben (Amtsblatt der Stadt
Frankfurt am Main Nr. 17 vom 25. April 2000).
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
10
Die Volkswirt Weinschänken GmbH betrieb zur Zeit der Ereignisse des Ausgangsverfahrens
eine Gaststätte im Gebiet der Stadt Frankfurt. Für das dritte Quartal
1995 ergab sich für sie nach der GetrStS eine Steuerschuld von 9 135,35
DM (etwa 4 670 Euro).
11
Da diese Steuer ihrer Ansicht nach u. a. gegen die Bestimmungen der Richtlinie
92/12 verstieß, erhob sie gegen den Steuerbescheid vom 7. November 1995
Klage beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main.
12
Das Verwaltungsgericht hob den Steuerbescheid mit Urteil vom 14. Mai 2002 auf.
13
Die Stadt Frankfurt legte gegen dieses Urteil Berufung zum Hessischen Verwaltungsgerichtshof
ein. In dieser Instanz trug die Stadt vor, dass die GetrStS nicht die Lieferung
von Gegenständen, sondern die Erbringung von Dienstleistungen besteuere.
Die Mitgliedstaaten könnten aber nach Artikel 3 Absatz 3 Unterabsatz 2
der Richtlinie 92/12 solche Steuern weiterhin erheben.
14
Unter diesen Umständen hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof beschlossen,
das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung
vorzulegen:
1.
Eine kommunale Getränkesteuersatzung bestimmt als Gegenstand der Steuer
„die entgeltliche Abgabe alkoholhaltiger Getränke zum unmittelbaren
Verzehr“ und als eine derartige Abgabe „jede Abgabe zum Verzehr
an Ort und Stelle“. Handelt es sich bei dieser Steuer um eine andere indirekte
Steuer auf verbrauchsteuerpflichtige Waren im Sinne von Artikel 3 Absätze
1 und 2 der Richtlinie 92/12/EWG … oder um eine Steuer auf Dienstleistungen
im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren im Sinne von Artikel 3
Absatz 3 Satz 2 der Richtlinie 92/12/EWG?
2.
Für den Fall, dass die zweite Alternative der Frage zu 1 bejaht wird:
Bezieht sich die Tatbestandsvoraussetzung „unter der gleichen Voraussetzung“
in Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 der Richtlinie 92/12/EWG auch bei der Besteuerung
von Dienstleistungen im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren im
Sinne von Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 92/12/EWG allein auf die in Artikel
3 Absatz 3 Satz 1 dieser Richtlinie aufgeführte Bedingung „sofern
diese Steuern im Handelsverkehr zwischen Mitgliedstaaten keine mit dem Grenzübertritt
verbundenen Formalitäten nach sich ziehen“, oder muss in einem derartigen
Fall auch die in Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie vorgesehene „besondere
Zielsetzung“ der Besteuerung vorliegen?
Zur ersten Frage
15
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es sich
bei einer Steuer wie der mit der GetrStS eingeführten um eine andere indirekte
Steuer auf verbrauchsteuerpflichtige Waren im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 der
Richtlinie 92/12 oder um eine Steuer auf Dienstleistungen im Zusammenhang mit
verbrauchsteuerpflichtigen Waren im Sinne von Artikel 3 Absatz 3 Unterabsatz
2 dieser Richtlinie handelt.
16
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 92/12 strenge
Voraussetzungen für die Erhebung der von den Mitgliedstaaten eingeführten
indirekten Steuern auf verbrauchsteuerpflichtige Waren wie alkoholische Getränke
aufstellt. Nach dieser Bestimmung müssen andere indirekte Steuern als Verbrauchsteuern
eine „besondere Zielsetzung“, d. h. andere als reine Haushaltszwecke,
verfolgen (vgl. Urteile vom 24. Februar 2000 in der Rechtssache C-434/97, Kommission/Frankreich,
Slg. 2000, I-1129, Randnr. 19, und vom 9. März 2000 in der Rechtssache
C-437/97, EKW und Wein & Co., Slg. 2000, I-1157, Randnr. 31), und sie haben
außerdem „die Besteuerungsgrundsätze der Verbrauchsteuern oder
der Mehrwertsteuer in Bezug auf die Besteuerungsgrundlage sowie die Berechnung,
die Steuerentstehung und die steuerliche Überwachung [zu] beachten“.
17
Nach Artikel 3 Absatz 3 der Richtlinie 92/12 ist es den Mitgliedstaaten weiterhin
freigestellt, Steuern auf nicht verbrauchsteuerpflichtige Waren (Unterabsatz
1) oder auf Dienstleistungen, „auch im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen
Waren, … sofern es sich nicht um umsatzbezogene Steuern handelt“
(Unterabsatz 2), einzuführen oder beizubehalten.
18
Zu der Frage, ob die mit der GetrStS eingeführte Steuer eine Steuer auf
verbrauchsteuerpflichtige Waren im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie
92/12 oder eine Steuer auf Dienstleistungen im Zusammenhang mit solchen Waren
im Sinne von Artikel 3 Absatz 3 Unterabsatz 2 ist, vertritt die Stadt Frankfurt
die Auffassung, dass die erbrachten Dienstleistungen der überwiegende Bestandteil
des aufgrund der GetrStS besteuerten Umsatzes seien. Für den Gastwirt spielten
nämlich die Kosten des Getränkes als solches im Vergleich zu den mit
dem Servieren des Getränkes verbundenen Dienstleistungskosten nur eine
untergeordnete Rolle. Somit falle die Steuer in den Anwendungsbereich des Artikels
3 Absatz 3 Unterabsatz 2 der Richtlinie 92/12.
19
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften weist darauf hin, dass bei
der Frage, ob ein Vorgang eine Lieferung von Gegenständen oder eine Dienstleistung
darstelle, sein prägender Schwerpunkt zu berücksichtigen sei. Sie
bezieht sich dafür auf das Urteil vom 2. Mai 1996 in der Rechtssache C-231/94
(Faaborg-Gelting Linien, Slg. 1996, I-2395, Randnrn. 12 bis 14). Beim Verkauf
alkoholischer Getränke in Bars, Cafés und Restaurants sei der Anteil
der vom Wirt erbrachten Dienstleistungen im Rahmen des gesamten gewerblichen
Umsatzes weniger bedeutend. Diese Dienstleistungen bestünden im Wesentlichen
darin, dem Gast das Getränk im geeigneten Gefäß und in der angemessenen
Form zu präsentieren. Anders als beim Verkauf von Speisen, deren Preis
im Wesentlichen von den Kosten der Dienstleistung geprägt werde, stehe
beim Getränkeverkauf der Einkaufspreis des Produktes im Vordergrund. Nach
Auffassung der Kommission stellt somit die aufgrund der GetrStS erhobene Steuer
eine Steuer auf die Lieferung einer verbrauchsteuerpflichtigen Ware im Sinne
von Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 92/12 dar (vgl. Urteil EKW und Wein &
Co.).
20
Insoweit ist zunächst daran zu erinnern, dass nach § 2 GetrStS die
entgeltliche Abgabe alkoholhaltiger Getränke zum unmittelbaren Verzehr
an Ort und Stelle den Steuertatbestand darstellt. Anders als in der Rechtssache
EKW und Wein & Co., in der das nationale Gericht dem Gerichtshof eine Frage
nach der Auslegung von Artikel 3 Absätze 2 und 3 der Richtlinie 92/12 im
Zusammenhang mit einer Steuer auf die „entgeltliche Lieferung von …
alkoholhaltigen Getränken“ (Urteil EKW und Wein & Co., Randnr.
18) vorgelegt hatte, erfasst der Steuertatbestand im Ausgangsverfahren nicht
die bloße Lieferung solcher Getränke, sondern bezieht sich auf einen
Umsatz, zu dem eine Dienstleistung gehört.
21
Um zu bestimmen, ob die mit der GetrStS erhobene Steuer verbrauchsteuerpflichtige
Waren im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 92/12 oder eher die Dienstleistungen
betrifft, die im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren im Sinne
von Artikel 3 Absatz 3 Unterabsatz 2 der Richtlinie erbracht werden, ist das
überwiegende Element des besteuerten Umsatzes zu berücksichtigen (vgl.
analog Urteil Faaborg-Gelting Linien, Randnrn. 12 bis 14).
22
Da die Vermarktung eines Gegenstands immer mit einer minimalen Dienstleistung,
wie dem Darbieten der Waren in Regalen, dem Ausstellen einer Rechnung usw.,
verbunden ist, können bei der Beurteilung des Dienstleistungsanteils an
der Gesamtheit eines komplexen Geschäftes, zu dem auch die Lieferung eines
Gegenstands gehört, nur die Dienstleistungen berücksichtigt werden,
die sich von denen unterscheiden, die notwendig mit der Vermarktung eines Gegenstands
verbunden sind.
23
Auch wenn die aufgrund der GetrStS erhobene Steuer an den unmittelbaren Verzehr
an Ort und Stelle und damit an ein dienstleistungsbezogenes Element anknüpft,
das sich von den Vorgängen unterscheidet, die notwendig mit der Vermarktung
alkoholhaltiger Getränke verbunden sind, so lässt sich doch nicht
allgemein sagen, dass bei allen in den Anwendungsbereich dieser Steuer fallenden
Vorgängen das Dienstleistungselement immer überwiegen wird.
24
Demnach ist für jeden besteuerten Umsatz festzustellen, welches das überwiegende
Element ist.
25
Aus dem Vorlagebeschluss geht hervor, dass die Volkswirt Weinschänken GmbH
eine Gaststätte betreibt, in der sie Speisen und Getränke serviert.
26
Die Abgabe alkoholhaltiger Getränke an Kunden im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit
geht mit einer Reihe von Dienstleistungen einher, die sich von den Vorgängen
unterscheiden, die notwendig mit der Vermarktung solcher Waren verbunden sind.
Es handelt sich um die Zurverfügungstellung einer Infrastruktur, die einen
möblierten Speisesaal mit Nebenräumen (Garderobe, Toiletten usw.)
umfasst, um die Beratung und Information der Kunden hinsichtlich der servierten
Getränke, um die Darbietung der Getränke in einem geeigneten Gefäß,
um die Bedienung bei Tisch und schließlich um das Abdecken der Tische
und die Reinigung nach dem Verzehr (vgl. in diesem Sinne Urteil Faaborg-Gelting
Linien, Randnr. 13).
27
Die Abgabe alkoholhaltiger Getränke im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit
ist durch ein Bündel von Elementen und Handlungen gekennzeichnet, von denen
die Lieferung des Gegenstands selbst nur einen Bestandteil darstellt und bei
denen die Dienstleistungen überwiegen.
28
Folglich ist eine Steuer, die in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens auf
die Abgabe alkoholhaltiger Getränke im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit
erhoben wird, als eine Steuer auf Dienstleistungen „im Zusammenhang mit
verbrauchsteuerpflichtigen Waren“ im Sinne von Artikel 3 Absatz 3 Unterabsatz
2 der Richtlinie 92/12 anzusehen.
29
Schließlich ist festzustellen, dass es sich bei einer derartigen Steuer
nicht „um [eine] umsatzbezogene Steuer“ im Sinne der vorgenannten
Bestimmung handelt, weil sie nur für eine bestimmte Warengruppe, nämlich
alkoholhaltige Getränke, gilt (vgl. u. a. Urteile vom 3. März 1988
in der Rechtssache 252/86, Bergandi, Slg. 1988, 1343, Randnrn. 15 und 16, EKW
und Wein & Co., Randnrn. 22 und 23, und vom 29. April 2004 in der Rechtssache
C-308/01, GIL Insurance u. a., noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht,
Randnrn. 33 und 35).
30
Auf die erste Frage ist daher zu antworten, dass eine Steuer, die auf die entgeltliche
Abgabe alkoholhaltiger Getränke zum unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle
im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit erhoben wird, als eine Steuer auf Dienstleistungen,
die keine umsatzsteuerbezogene Steuer ist, im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen
Waren im Sinne von Artikel 3 Absatz 3 Unterabsatz 2 der Richtlinie 92/12 anzusehen
ist.
Zur zweiten Frage
31
Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen
wissen, ob eine Steuer auf Dienstleistungen im Sinne von Artikel 3 Absatz 3
Unterabsatz 2 der Richtlinie 92/12 von der Voraussetzung abhängt, dass
sie eine besondere Zielsetzung im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 verfolgt.
32
Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Mitgliedstaaten nach Artikel 3 Absatz
3 Unterabsatz 1 der Richtlinie indirekte Steuern auf nicht verbrauchsteuerpflichtige
Waren einführen oder beibehalten können, „sofern diese Steuern
im Handelsverkehr zwischen Mitgliedstaaten keine mit dem Grenzübertritt
verbundenen Formalitäten nach sich ziehen“. Nach Unterabsatz 2 ist
es den Mitgliedstaaten „[u]nter der gleichen Voraussetzung“ ebenfalls
weiterhin freigestellt, Steuern auf „Dienstleistungen, auch im Zusammenhang
mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren, zu erheben, sofern es sich nicht um umsatzbezogene
Steuern handelt“.
33
Die Befugnis nach Artikel 3 Absatz 3 Unterabsatz 2 der Richtlinie ist nur von
der in Unterabsatz 1 genannten Voraussetzung abhängig, nämlich dass
„diese Steuern im Handelsverkehr zwischen Mitgliedstaaten keine mit dem
Grenzübertritt verbundenen Formalitäten nach sich ziehen“. Die
Richtlinie verlangt also nicht, dass die Steuern, die in den Anwendungsbereich
ihres Artikels 3 Absatz 3 fallen, die in Absatz 2 aufgestellte Voraussetzung
erfüllen, nämlich dass sie eine besondere Zielsetzung verfolgen.
34
Auf die zweite Frage ist daher zu antworten, dass sich die „gleiche[]
Voraussetzung“, von der die Steuern abhängig sind, die in den Anwendungsbereich
des Artikels 3 Absatz 3 Unterabsatz 2 der Richtlinie 92/12 fallen, nur auf die
in Unterabsatz 1 genannte Voraussetzung bezieht, nämlich dass „diese
Steuern im Handelsverkehr zwischen Mitgliedstaaten keine mit dem Grenzübertritt
verbundenen Formalitäten nach sich ziehen“.
Kosten
35
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit
in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung
ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die
Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:
1.
Eine Steuer, die auf die entgeltliche Abgabe alkoholhaltiger Getränke zum
unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit
erhoben wird, ist als eine Steuer auf Dienstleistungen, die keine umsatzbezogene
Steuer ist, im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren im Sinne von
Artikel 3 Absatz 3 Unterabsatz 2 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25.
Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung
und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren anzusehen.
2.
Die „gleiche[] Voraussetzung“, von der die Steuern abhängig
sind, die in den Anwendungsbereich des Artikels 3 Absatz 3 Unterabsatz 2 der
Richtlinie 92/12 fallen, bezieht sich nur auf die in Unterabsatz 1 genannte
Voraussetzung, nämlich dass „diese Steuern im Handelsverkehr zwischen
Mitgliedstaaten keine mit dem Grenzübertritt verbundenen Formalitäten
nach sich ziehen“.
Unterschriften