Dienstverhältnis bei einem zu 95 % beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH
VwGH-Erkenntnis 99/14/0255 vom 21.12.1999
RIS-Dokumentnummer: JWT/1999140255/19991221X00

 

Rechtssätze:
1
GRS wie VwGH E 1999/11/25 99/15/0188 1: Nach stRsp des VwGH ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988 und aus dem Zusammenhang mit der Bestimmung des § 25 Abs 1 Z 1 lit b EStG 1988, dass der Formulierung "sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses" in § 22 Z 2 EStG 1988 das Verständnis beizulegen ist, dass es auf die Weisungsgebundenheit nicht ankommt, wenn diese wegen der Beteiligung an der Gesellschaft nicht gegeben ist, im Übrigen aber nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die Voraussetzungen eines Dienstverhältnisses gegeben sein müssen. Dabei ist die auf Grund des gesellschaftsrechtlichen Verhältnisses fehlende Weisungsgebundenheit hinzuzudenken und dann zu beurteilen, ob die Merkmale der Unselbständigkeit oder jene der Selbständigkeit im Vordergrund stehen. Dem Vorliegen bzw dem Fehlen des Unternehmerwagnisses kommt in diesem Zusammenhang wesentliche Bedeutung zu (Hinweis E 27.7.1999, 99/14/0136).
2 Die steuerliche Norm des § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988 erfasst auch Einkünfte von Personen, die wegen ihrer Beteiligung an der Kapitalgesellschaft keinen Weisungen unterworfen sind.
3 Es ist evident, dass einem zu 95 Prozent an der Gesellschaft beteiligten Gesellschafter bei der Geschäftsführung "völlig freie Hand" gelassen wird. Dies spricht aber nicht gegen die betriebliche Eingliederung des Geschäftsführers. Eine solche ist auch nicht zwingend davon abhängig, ob der Geschäftsführer einen eigenen Arbeitsplatz im Büro der Gesellschaft benutzt.
4 Ein deutlich ins Gewicht fallendes Unternehmerrisiko des an der Kapitalgesellschaft Beteiligten steht Einkünften iSd § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988 entgegen.
5 Das Unternehmerrisiko liegt vor, wenn der Steuerpflichtige sowohl die Einnahmenseite als auch die Ausgabenseite maßgeblich beeinflussen und damit den materiellen Erfolg seiner Tätigkeit weitgehend selbst gestalten kann (Hinweis E 19.12.1990, 89/13/0131).

 

Volltext:

Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der M. L GmbH in E, vertreten durch Dr. Peter Bründl, Rechtsanwalt in 4780 Schärding, Denisgasse 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 8. Juli 1999, GZ RV-115.96/1-8/1996, betreffend Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für den Zeitraum 1. Jänner 1993 bis 31. Dezember 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge
Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe
von 15.000 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Begründung
Die Beschwerdeführerin ist eine GmbH, die ein Reisebüro betreibt.
ML, der einen Geschäftsanteil im Ausmaß von 95% ihres Stammkapitals
hält, ist ihr einziger Geschäftsführer.
Nach einer Lohnsteuerprüfung setzte das Finanzamt für den
Zeitraum 1. Jänner 1993 bis 31. Dezember 1995
u.a. Dienstgeberbeitrag von 90.958 S und Zuschlag zum
Dienstgeberbeitrag von 11.507 S fest. Die Abgaben entfallen zu
einem wesentlichen Teil auf die Bezüge des
Gesellschafter-Geschäftsführers in den Jahren 1994 und 1995.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die belangte
Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Zur
Begründung wird im Bescheid ausgeführt, ein Geschäftsführer einer
GmbH sei ihr gegenüber allein schon auf Grund seiner Stellung zur
Tätigkeit verpflichtet. ML sei für folgende Aufgabenbereiche
verantwortlich:

- Marketing des Reisebüros
- Beschaffung neuer Absatzmärkte
- Fachliche und organisatorische Abwicklung des Hotel- und
  Restaurantbetriebes der D-Hotelrestaurantbetriebs-GmbH
- Personalpolitik des Unternehmensverbundes
- Koordinierung der einzelnen Betriebszweige.

Somit stehe die persönliche Arbeitsleistung im Vordergrund,
zumal auch eine eventuelle Möglichkeit der Vertretung die
grundsätzliche Verpflichtung zur persönlichen Ausübung der
Tätigkeit nicht ausschließe. Aus der Art der Beschäftigung ergäben
sich Indizien für eine Eingliederung von ML in den geschäftlichen
Organismus der Beschwerdeführerin. Die Erbringung der ihm
aufgetragenen Tätigkeiten erfordere seine Eingliederung in den
betrieblichen Ablauf, und zwar sowohl in zeitlicher wie auch in
organisatorischer und örtlicher Hinsicht. Wesentlich sei, ob ML
Unternehmerrisiko zu tragen habe. ML erhalte ein
erfolgsunabhängiges monatliches Mindesthonorar, habe Anspruch auf
Benutzung des Pkw der Beschwerdeführerin und erhalte die Spesen
notwendiger Geschäftsreisen ersetzt. Somit liege kein
Unternehmerwagnis vor, woran auch die Gewährung einer Tantieme am
Schluss jedes Geschäftsjahres nichts ändere. Es seien daher
iSd § 22 Z. 2 EStG 1988 - unter Außerachtlassung der
Weisungsgebundenheit - die wesentlichen Merkmale eines
Dienstverhältnisses gegeben.
Im Beschwerdeverfahren ist strittig, ob die Bezüge des
Gesellschafter-Geschäftsführers der Beschwerdeführerin zu
Einkünften iSd § 22 Z. 2 Teilstrich 2 EStG 1988 zählten und sie
daher für diese Bezüge Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum
Dienstgeberbeitrag zu entrichten habe. Gegen die mit dem
angefochtenen Bescheid bestätigte Vorschreibung von
Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag jeweils in
einer Summe wendet sich die Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Gemäß § 41 Abs. 1 FLAG haben den Dienstgeberbeitrag alle
Dienstgeber zu entrichten, die im Bundesgebiet Dienstnehmer
beschäftigen.
Gemäß § 41 Abs. 2 FLAG in der ab 1994 geltenden Fassung
BGBl. 818/1993 sind Dienstnehmer alle Personen, die in einem
Dienstverhältnis iSd § 47 Abs. 2 EStG 1988 stehen, sowie an
Kapitalgesellschaften beteiligte Personen iSd § 22 Z. 2 EStG 1988.
Gemäß § 41 Abs. 3 FLAG idF BGBl. 818/1993 ist der
Dienstgeberbeitrag von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen.
Arbeitslöhne sind dabei Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z. 1 lit. a
und b EStG 1988 sowie Gehälter und sonstige Vergütungen jeder Art
iSd § 22 Z. 2 EStG 1988.
Gemäß § 22 Z. 2 Teilstrich 2 EStG 1988 gehören zu den
Einkünften aus selbständiger Arbeit die Gehälter und sonstigen
Vergütungen jeder Art, die von einer Kapitalgesellschaft an
wesentlich Beteiligte für ihre sonst alle Merkmale eines
Dienstverhältnisses (§ 47 Abs. 2) aufweisende Beschäftigung gewährt
werden.
Die Regelung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag, der von
der in § 41 FLAG festgelegten Bemessungsgrundlage zu erheben ist,
findet sich in § 57 Abs. 4 und 5 HKG idF BGBl. 958/1993 bzw.
§ 57 Abs. 7 und 8 HKG idF BGBl. 661/1994.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung
erkennt, ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des § 22 Z. 2
Teilstrich 2 EStG 1988 und aus dem Zusammenhang mit der Bestimmung
des § 25 Abs. 1 Z. 1 lit. b EStG 1988, dass der Formulierung "sonst
alle Merkmale eines Dienstverhältnisses" in § 22 Z. 2 das
Verständnis beizulegen ist, dass es auf die Weisungsgebundenheit
nicht ankommt, wenn diese wegen der Beteiligung an der Gesellschaft
nicht gegeben ist, im Übrigen aber nach dem Gesamtbild der
Verhältnisse die Voraussetzungen eines Dienstverhältnisses gegeben
sein müssen. Dabei ist die auf Grund des gesellschaftsrechtlichen
Verhältnisses fehlende Weisungsgebundenheit hinzuzudenken und dann
zu beurteilen, ob die Merkmale der Unselbständigkeit oder jene der
Selbständigkeit im Vordergrund stehen. Dem Vorliegen bzw. dem
Fehlen des Unternehmerwagnisses kommt in diesem Zusammenhang
wesentliche Bedeutung zu (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom
25. November 1999, 99/15/0188).
Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf die
sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ihres
Vertragsverhältnisses zu ML ist schon deshalb verfehlt, weil die
steuerliche Norm des § 22 Z. 2 Teilstrich 2 EStG 1988 auch
Einkünfte von Personen erfasst, die wegen ihrer Beteiligung an der
Kapitalgesellschaft keinen Weisungen unterworfen sind.
Wenn die belangte Behörde aus dem kontinuierlich und über
einen langen Zeitraum laufend zu erfüllenden umfangreichen
Aufgabenkatalog des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin auf
dessen Eingliederung in ihren betrieblichen Organismus geschlossen
hat, kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden. Daran ändert
nichts, wenn der Inhalt der Tätigkeit von ML als "kontrollierende
Management-Funktionen" zu bezeichnen sein sollte. Es ist evident,
dass einem zu 95% an der Gesellschaft beteiligten Gesellschafter
bei der Geschäftsführung "völlig freie Hand" gelassen wird, wie
dies in der Beschwerde vorgebracht wird. Dies spricht aber nicht
gegen die betriebliche Eingliederung des Geschäftsführers. Eine
solche ist auch nicht zwingend davon abhängig, ob ML einen eigenen
Arbeitsplatz im Büro der Beschwerdeführerin benutzt. Im Hinblick
auf das im Verwaltungsverfahren dargestellte Tätigwerden von ML für
seine eigenen Betriebe liegt es allerdings nahe, dass die
Eingliederung nur ein geringes Maß an Intensität aufweist.
Die Beschwerdeführerin wendet sich weiters gegen die
Feststellungen der belangten Behörde betreffend das Fehlen eines
Unternehmerwagnisses. Sie zeigt damit eine Rechtswidrigkeit des
angefochtenen Bescheides auf:
Nach dem Beschwerdevorbringen erhalte ML ein Honorar von
85.000 S/Monat (1,020.000 S/Jahr), wenn es ihm gelinge, dass die
Beschwerdeführerin einen Jahresgewinn vor Steuern von 1 Mio. S
erziele. Werde dieses Ziel nicht erreicht, so erfahre sein Bezug
eine Kürzung auf bis zu 35.000 S/Monat. Der Geschäftsführerbezug
sei daher erfolgsabhängig, weil er bei Nichterreichen einer
bestimmten Gewinnhöhe der Beschwerdeführerin eine Kürzung auf bis
zu 40% der normalen Höhe erfahre. Eine Schwankungsbreite von 60%,
zu der noch zusätzlich eine erfolgsabhängige Gewinntantieme komme,
führe zu einem Unternehmerwagnis. Der Gewinn der Beschwerdeführerin
habe im Jahr 1995 noch 2,855.000 S betragen und sei im Jahr 1996
auf 980.000 S gefallen und unterliege sohin deutlichen
Schwankungen. Der Geschäftsführerbezug habe sich von 1995 auf 1996
um 30% verringert (1994: 1,100.000 S, 1995: 1,333.537 S,
1996: 934.716 S). In Anbetracht dieses Risikos auf der
Einnahmenseite falle es nicht ins Gewicht, dass der Geschäftsführer
die Fahrt- und Reisekosten nicht habe tragen müssen. Es würde auch
keinem Fremdvergleich standhalten, wenn der Geschäftsführer solche
Kosten tragen müsste. Schätze man die von der Beschwerdeführerin
aus diesem Titel getragenen Kosten auf jährlich 100.000 S, so würde
dieses Risiko nur ca. 10% des Honorars des Geschäftsführers
ausmachen und im Verhältnis zu dessen Gesamtrisiko von 60% nicht
mehr wesentlich sein. Im Übrigen habe ML die Kosten der
Sozialversicherung selber tragen müssen.
Ein deutlich ins Gewicht fallendes Unternehmerrisiko des an
der Kapitalgesellschaft Beteiligten steht Einkünften iSd § 22 Z. 2
Teilstrich 2 EStG 1988 entgegen. Es kommt daher im Beschwerdefall
- was auch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid erkannt
hat - darauf an, ob den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin ein
solches Unternehmerrisiko getroffen hat.
Das Unternehmerrisiko liegt vor, wenn der Steuerpflichtige
sowohl die Einnahmen als auch die Ausgabenseite maßgeblich
beeinflussen und damit den materiellen Erfolg seiner Tätigkeit
weitgehend selbst gestalten kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom
19. Dezember 1990, 89/13/0131).
Die Entlohnungsregelung, auf welche sich das
Beschwerdevorbringen bezieht, ergibt sich aus der im Verwaltungsakt
einliegenden Kopie eines schriftlichen Geschäftsführervertrages.
Solcherart hätte sich die belangte Behörde für die Frage des
Unternehmerwagnisses nicht auf die Ausführungen beschränken dürfen,
dass dem Geschäftsführer ein erfolgsunabhängiges Mindesthonorar und
der Ersatz der Fahrt- und Reisespesen gebühre. Sie hätte sich
- wenn sie von der Gültigkeit der Vereinbarung ausgeht - damit
auseinander setzen müssen, ob den Geschäftsführer das in der
Beschwerde dargestellte Wagnis der Einnahmenschwankungen
(Reduzierung des Bezuges auf deutlich weniger als die Hälfte,
zuzüglich Tantiemenrisiko) tatsächlich trifft, oder ob in Wahrheit
- etwa im Hinblick auf die Gewinnentwicklung der
Beschwerdeführerin - kein oder nur ein geringes Wagnis vorliegt.
Gegebenenfalls hätte sie sich damit auseinander setzen müssen, ob
im Verhältnis zum Mindestfixbezug und im Verhältnis zum Ausmaß der
auf die Beschwerdeführerin überwälzbaren Fahrt- und Reisespesen ein
solches Unternehmerrisiko vorliegt, welches bei der nach § 22 Z. 2
Teilstrich 2 EStG 1988 gebotenen Betrachtung des Gesamtbildes der
Verhältnisse den Ausschlag gegen ein Dienstverhältnis erbringt.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit
Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften
belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm
der Verordnung BGBl. 416/1994.

Wien, am 21. Dezember 1999


Seitenanfang